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Kelten: Die Eisen-Beisserin

Foto: Guillaume Seguin/ Archéopshère

Keltisches Zahnimplantat Die Eisen-Beißerin

Die junge Frau hatte ein ausgezeichnetes Gebiss für eine Zeit, in der Mundhygiene noch eine sehr untergeordnete Rolle spielte: Keine Löcher und alle Zähne waren noch vorhanden - bis auf einen.

Als die Ausgräber der Firma Archéosphère die Reste der Frau im französischen Le Chêne im Aube-Tal bargen, fanden sie an der Stelle des mittleren linken Schneidezahns einen kleinen Metallstift. Sind sie damit auf das älteste bekannte Zahnimplantat bei den Kelten gestoßen?

In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift "Antiquity" suchen die Archäologen um Guillaume Seguin nach möglichen Antworten. Als die Frau im 3. Jahrhundert vor Christus im Alter von 20 bis 30 Jahren starb, bekam sie ein reiches Begräbnis. Ihre Familie muss wohlhabend gewesen sein: Sowohl die junge Tote als auch drei weitere Personen, die in unmittelbarer Nähe beigesetzt wurden, bekamen Schmuck und Wertgegenstände mit ins Grab. Vielleicht, vermuten die Ausgräber, machte die Familie ihr Geld mit dem Handel und der Verarbeitung von Metall: In einem der Gräber lag als Beigabe ein Eisenbarren.

Sonst eher ein Fall für 007

Unser Ästhetikempfinden erlaubt uns heute lediglich Gold oder Platin als Metallfüller im Lächeln - Eisengebisse gehören eher ins Reich der Bond-Filme. Doch in der so genannten La Téne-Zeit genoss das Metall in Frankreich einen ganz anderen Stellenwert: Eisen war neu und begehrt. Aus ihm konnten belastbare Waffen und Werkzeuge gefertigt werden - warum nicht also auch ein Zahnimplatat? Denkbar wäre außerdem, dass der jungen Frau der Eisenzapfen nicht blank aus dem Lächeln blitzte, sondern nur als Befestigung für eine Krone aus Knochen oder Holz diente.

Es bleibt auch die Frage, ob die Frau das Zahnimplantat schon zu Lebzeiten trug oder ob es ihr erst nach dem Tod zur Vervollständigung des Körpers eingesetzt wurde. Wurde ihr der Eisenstab noch zu Lebzeiten eingeschoben, gibt es wiederum zwei Möglichkeiten: Entweder bohrte ihn der eisenzeitliche Zahnarzt in den Kanal eines Wurzelrestes oder er schob - wenn die Wurzel komplett verloren war - das Stäbchen einfach in die leere Höhle.

In ihrem Aufsatz spielen die Forscher die Möglichkeiten hypothetisch durch. Bei einem Unfall ist es durchaus möglich, dass ein Zahn abbricht, die Wurzel jedoch stecken bleibt. Typischerweise sind es die exponierten vorderen Schneidezähne, die es dabei erwischt. Passte aber der Eisenstift in den engen Wurzelkanal, in dem bei einem gesunden Zahn die zarten Stränge der Nerven, Adern und Lymphgefäße liegen? Der Wurzelkanal wird erst mit zunehmendem Alter immer enger. Da die Frau aber noch ziemlich jung war, könnte der Stift sogar in den Kanal gepasst haben - zumindest an dessen unteren Ende, wo er breiter ist.

Sterilität nicht möglich

Die zweite Möglichkeit wäre gewesen, den Stift in die leere Wurzelhöhlung zu schieben und zu hoffen, dass er mit der Zeit dort anwächst. Wird eine Wurzel gezogen, bilden sich bald Gewebe und erste feine Blutgefäße, nach etwa vier bis fünf Wochen schließt sich die Wunde. Darin ein Implantat zu verankern, das der Körper nicht abstößt, ist heutzutage mit sterilen Titan-Implantaten möglich. Doch die gibt es erst seit dem Ende des letzten Jahrhunderts.

Einen Eisenstift würde der Körper wahrscheinlich mit heftigen Reaktionen abweisen. Und sterile Bedingungen waren im eisenzeitlichen Frankreich auch kaum anzutreffen. Die Forscher beschreiben die unangenehmen Konsequenzen: "Eine Komplikation durch Entzündung wäre in einem Zeitalter, in dem es noch kein Konzept von sterilen Bedingungen gab, tödlich gewesen", schreiben sie. "Eine apikale Periodontitis - eine Entzündung an der Wurzelspitze - und eine Knochenresorption, die sich zu einem Abzess entwickelt, führen dann entweder zu einer bakteriellen Entzündung der Herzinnenhaut - oder zu einer Thrombophlebitis, zum Schlaganfall."

Alles ohne Narkose?

Trotzdem scheint es zumindest einen Fall gegeben zu haben, in dem ein Eisenimplantat funktionierte. Nur 130 Kilometer von Le Chêne entfernt, in Chantambre, haben Ausgräber einen Mann gefunden, dem ein Backenzahn durch einen Eisenstift ersetzt war. Ihm fehlten aber auf der linken Seite sämtliche Backenzähne - vermutlich sollte die Prothese ihm trotzdem das Kauen ermöglichen. Entzündet hat die Konstruktion sich bei ihm nicht.

Allerdings lebte der Mann deutlich später als die Frau aus Le Chêne, nämlich erst gegen Ende des ersten oder zu Beginn des zweiten Jahrhunderts nach Christus. Bei aller Hochachtung für die keltischen Zahnärzte und ihre experimentelle Begeisterung für neue Materialien darf man jedoch eines nicht vergessen: Die Lokalanästhesie war noch nicht erfunden.

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