Ausgegraben - Neues aus der Archäologie Die geplagtesten und kränksten Skelette Ägyptens
Geschichte lässt sich fälschen. Die Archäologie aber bringt die Wahrheit unweigerlich an den Tag. Einen kruden Fall von Geschichtsfälschung hat das Team um Jerome Rose von der University of Arkansas im ägyptischen Amarna aufgedeckt. Die Wandgemälde dort porträtieren die Stadt unter der Herrschaft des Pharao Echnaton als eine Art Paradies. Fette Tiere und üppig gefüllte Speicher erzählen vom Überfluss. Doch die Archäologen des Armana Projects haben auf dem Friedhof der Stadt ein ganz anderes Szenario vorgefunden. In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Antiquity berichten die Forscher von den Ausgrabungen dort: "Wir haben dort die geplagtesten und kränksten antiken Skelette gefunden, die aus Ägypten bekannt sind."

Knochenfund: Von wegen Leben im Überluss
Foto: Amarna TrustSchon die Abwesenheit von Särgen ist ein Zeichen äußerster Armut - in einer Gesellschaft, in der aufwendige Särge so wichtig für die Repräsentation der Toten waren. Die meisten der Verstorbenen waren nur in einfache Matten eingerollt. Einer der wenigen Särge war zwar mit Hieroglyphen bemalt - doch sie sind unleserlich, gemalt von einem Analphabeten für Kunden, die ebenfalls Analphabeten waren. Die Knochen selbst zeugen von unwürdigen Lebensbedingungen. Die Anthropologin Kathleen Kuckens hat die Skelette untersucht. Viele der Kinder und Jugendlichen zwischen drei und 25 Jahren litten an Skorbut oder Rachitis, beides Zeichen schwerer Mangelernährung. Darauf deuten auch Rillen in den Zähnen hin, die ebenfalls durch eine mangelhafte Ernährung entstehen.
Kinder über achteinhalb Jahren waren oft Kleinwüchsig. An ihren Knochen konnte die Forscherin auch zeigen, warum: Sie mussten schon in ganz jungen Jahren sehr schwere Arbeit verrichten. Auch den Erwachsenen erging es nicht besser. Über 75 Prozent litten an Arthrose, 67 Prozent hatten mindestens einen Knochenbruch erlitten.
Diese außergewöhnlich schwere körperliche Belastung der Einwohner Amarnas könnte mit einer neuen Erfindung zusammenhängen: den Talatat. Diese Steinblöcke sind mit etwa 70 Kilogramm gerade so schwer, dass ein Arbeiter sie noch allein bewegen kann. Viele der Gebäude Amarnas sind aus Talatat errichtet. Die Stadt wurde um 1350 v. Chr. von Echnaton als neue Hauptstadt in Auftrag gegeben. Zuvor hatte der Vater Tutanchamuns die alten Götter Ägyptens degradiert und den Sonnengott Aton über alle anderen gestellt.
Verdanken wir unser Überleben den Kaninchen?

Flinker Hase: Retteten sie unsere Vorfahren vor dem Verhungern?
Foto: Patrick Pleul/ dpaModerne Menschen jagten im Mittleren Paläolithikum Kaninchen - Neandertaler nicht. War die Fähigkeit, diese flinken, hakenschlagenden Tierchen zu erlegen, die unsere Vorfahren den Neandertalern letztendlich überlegen machte? Das vermuten zumindest John Fa, Biologe am Imperial College London, und Kollegen.
Sie untersuchten dafür die Abfallhaufen von modernen Menschen und Neandertalern auf der Iberischen Halbinsel, also in Südfrankreich, in Spanien und in Portugal. Dabei beobachteten sie mehrere Dinge. Vor etwa 30.000 Jahren begannen die Neandertaler aus der Region zu verschwinden. Gleichzeitig wurden auch die Knochen von großen Tierarten wie dem Wollmammut weniger in den Abfallhaufen. Dafür häuften sich in den Nahrungsresten, die moderne Menschen hinterließen, die Kaninchenknochen.
Die Forscher vermuten, dass die kleinen Tiere die großen im Speiseplan ersetzten, als diese weniger wurden - und so unsere Vorfahren vorm Verhungern retteten. Dafür analysierten sie auch die gesamte für die Ernährung zur Verfügung stehende Biomasse auf der Iberischen Halbinsel über einen Zeitraum von 50.000 Jahren. So konnten sie zeigen, dass den Menschen gar keine andere Wahl blieb, als Kaninchen in den Speiseplan aufzunehmen. Während der Anteil an Großsäugern dramatisch abnahm, machten Kaninchen einen großen Prozentsatz des überhaupt zur Verfügung stehenden Fleisches aus. Ihre Ergebnisse werden die Wissenschaftler in der kommenden Ausgabe des "Journal of Human Evolution" veröffentlichen.
Auf Fischfang mit dem Mammutzahn

Sensationsfund Angelhaken: Gefertigt aus dem Stoßzahn eines Mammuts
Foto: SommerAn einem schönen Tag am Seeufer sitzen und gemütlich darauf warten, dass die Fische anbeißen - das genossen unsere Vorfahren offenbar bereits vor 12.300 Jahren. "Wer bisher annahm, dass die Jägerkulturen der ausgehenden Eiszeit ausschließlich mit Harpunen oder Speeren Jagd auf Großtiere wie Rentiere oder Pferde machten, wird eines besseren belehrt - sie angelten nämlich auch schon Hecht!" erklärt der Kieler Privatdozent Robert Sommer, Institut für Natur- und Ressourcenschutz, in einer Presseerklärung der Christian-Albrechts-Universität. Sommer und Kollegen haben gerade in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins "Journal of Archaeological Science" die Untersuchung von sechs Angelhaken aus der Wustermark im Havelland vorgelegt. Einer davon war sogar eine ganz besondere Überraschung für die Archäologen. Denn er war nicht etwa aus Rentier- oder Elchknochen gefertigt - sondern aus dem Stoßzahn eines Mammuts. "Bisher glaubte man, dass die Angelhaken als Werkzeug zum Fischfang eine typische technische Errungenschaft der Mittleren Steinzeit (Mesolithikum) waren", sagt der Archäologe Bernhard Gramsch aus Potsdam, der ebenfalls an der Studie beteiligt war. "Die Existenz der Funde aus Brandenburg ist jedoch ein Hinweis dafür, dass das Angeln seine Wurzeln schon in der Späten Altsteinzeit hat. Das Elfenbein konnten die Forscher auf ein Alter von 19.000 Jahren datieren. Aber erst etwa 7000 Jahre später schnitzte ein Angler in der Wustermark sich daraus einen Haken. "Es ist interessant zu sehen, dass die sich ändernden Umweltbedingungen vor rund 12.300 Jahren die Rentierjäger dazu verleitet haben, schon vor dem Ende der Eiszeit ans Angeln zu denken", ergänzt Robert Sommer.
"Aufgrund der Knochen- und Pollenfunde aus der archäologischen Siedlung wissen wir, dass die Menschen in der ausgehenden Eiszeit schon Gewässer in der Landschaft vorfanden, die eine gute Voraussetzung für das Angeln von Hechten waren. Und das betrieben sie offensichtlich auch intensiv, denn das Auffinden von gleich sechs Angelhaken und zahlreichen Knochenresten von Hechten kann kein Zufall sein."
Klettern in der Eisenzeit

Ein-Holm-Leiter: "Hier war also echtes Finderglück im Spiel"
Foto: archaeologie.deEine Leiter muss die Sprossen nicht zwischen zwei Holmen haben. So genannte Ein-Holm-Leitern bestehen aus nur einer kräftigen Stange, von der die Sprossen zu beiden Seiten abstehen. Eine solche Ein-Holm-Leiter haben Archäologen des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe in einer späteisenzeitlichen Siedlung in Bönen im Kreis Unna entdeckt - eine der ältesten Leitern in ganz Europa.
Die Erhaltung verdankt der außergewöhnliche Fund dem hohen Grundwasserspiegel. Über einen halben Meter der Kletterhilfe konnten die Archäologen bergen. "Gut erhaltene hölzerne Funde sind in Siedlungsgrabungen nur sehr selten anzutreffen", erklärt Ausgräberin Eva Cichy. "Hier war also echtes Finderglück im Spiel."
Ursula Tegtmeier vom Labor für Archäobotanik an der Universität in Köln analysierte das Fundstück genauer. Der Holm besteht aus Erlenholz, das relativ leicht ist. Die Sprossen aber sind aus schwererem Eichenholz. Dass solche Ein-Holm-Leitern schon in der vorrömischen Eisenzeit verwendet wurden, wissen die Forscher von Felsbildern in Norditalien. Dort gehörten sie offenbar zur gängigen Ausstattung von Gebäuden.
Eselopfer im Süden Israels entdeckt

Kostbares Packtier: Geopferter Esel, bestattet mit wertvollen Grabgaben
Foto: PLOS ONE/ Guy Bar-Oz et. alPferdeopfer sind ja bekannt - aber Esel? Gab's auch - wie Archäologen im Süden Israels nun nachweisen konnten. Der junge Esel wurde vor über 3500 sorgfältig auf der Seite liegend bestattet, komplett mit Trense aus Bronze und Packtaschen auf dem Rücken. Sein Kopf liegt etwas erhöht gegen die Wand der Bestattungsgrube, drei der Beine sind angewinkelt. Nur das vierte Bein ist gebrochen - vielleicht wurde es allerdings auch erst nach seinem Tod gebrochen, um ihn in die Grube einpassen zu können. Auf seinem Hinterteil lag noch ein weiteres Eselskelett. Dieses gehörte aber zu einem älteren Tier und es fehlt der Kopf.
Esel waren damals kostbare Packtiere. Eselkarawanen verkehrten auf dem Handelsnetzwerk zwischen der Levante und Anatolien. Ägyptische Inschriften aus derselben Zeit berichten von Hunderten von Packeseln, die auf großen Expeditionen in der Wüste eingesetzt wurden. Die Forscher berichten in der Open Access Fachzeitschrift PLOS ONE, dass der Esel aus Israel im Hof des Tempels von Tel Haror lag, einer Stadt aus der Mittleren Bronzezeit nahe Gaza.
Als er starb, war er etwa vier Jahre alt. Seine Zähne zeigen keinerlei Abriebspuren vom Zaumzeug, er wurde also selber niemals als Packtier eingesetzt. Dazu war er wahrscheinlich noch zu jung. Die Trense selber eignete sich auch nicht für den Gebrauch. Sie ist aus Teilen von drei verschiedenen Trensen zusammengesetzt, war wohl auch nicht funktionsfähig und vor allem viel zu groß für einen Esel. Die ungewöhnlich kleinen Satteltaschen waren aus organischem Material und sind vergangen. Aus den erhaltenen Metallteilen zur Befestigung konnten die Forscher sie aber eindeutig nachweisen.
Meeresschneckenmode vor 75.000 Jahren
Mode ist einem ständigen Wechsel unterlegen - und zwar schon seit mindestens 75.000 Jahren. Zu diesem Schluss kam eine Forschergruppe um Marian Vanhaeren von der Université de Bordeaux nach der Untersuchung von Meeresschneckenfunden aus der südafrikanischen Blombos Höhle. Dort lagen mehrere Häufungen von Meeresschnecken, Nassarius kraussianus, die einst zu Ketten oder Armbändern gehört hatten.
Die Forscher stellten im Experiment die Nutzung dieser Ketten nach. Das Tragen an Hals oder Hanggelenk stellten sie durch stundenlanges Schütteln nach, eine wässrige Essiglösung simulierte den menschlichen Schweiß. Anhand der Abriebspuren konnten sie nach diesen Belastungstests unterschiedliche Arten von Ketten ausmachen. In den älteren Schichten hingen die Meeresschnecken frei an einer Kette mit der glänzenden Seite zueinander. In den jüngeren Schichten aber sind die Meeresschnecken jeweils zu zweit zusammengeknotet mit den glänzenden Seiten nach oben.
Die Forscher folgern daraus, dass mit diesem Wechsel der "Mode" ein Wandel von sozialen Normen greifbar wird, der vergleichbar ist mit ähnlichen gleichzeitigen Wandeln von sozialen Normen und Mode in jüngeren und historisch bekannten Gesellschaften. Die Forscher geben allerdings auch zu, dass nicht ganz klar ist, ob die Bewohner der Höhle tatsächlich ihre Mode änderten oder ob sie durch eine andere Gruppe von Menschen mit anderen Modeidealen ersetzt wurden. Derzeit ist ihre Studie, die im Journal of Human Evolution erscheinen wird, noch im Druck.