Atomlager Asse II Prüfbericht verschärft Endlagerdebatte
Berlin - Wegen der immer neuen Pannen im niedersächsischen Atommülllager Asse II sieht Umweltminister Sigmar Gabriel die Chancen schwinden, in kurzer Zeit ein Atommüllendlager zu finden. "Das ist für die Endlagerdebatte der größte anzunehmende Unfall", sagte der SPD-Politiker bei der Vorstellung eines Berichts zum Zustand der Asse.
Das Papier habe die Befürchtungen über den Zustand der Asse bestätigt, sagte Gabriel. Das Gutachten decke schwerwiegende Mängel beim Betreiber und bei der Aufsicht, dem Landesamt für Bergbau in Niedersachsen, auf. Unter anderem habe man erstmals herausgefunden, dass die Undichtigkeit des Bergwerks schon vor 1967 bekannt war und nicht erst seit 1988. In dem Lager sei über Jahrzehnte gegen atomrechtliche Bestimmungen verstoßen worden, dem Betreiber habe Sachkenntnis gefehlt und er habe sogar durch Bauarbeiten im Salzstock die Risiken erhöht.
"Sie können sagen, dass die Sicherheit nirgends nachgewiesen ist", wetterte Gabriel. Die Asse sei "die problematischste kerntechnische Anlage, die wir in Europa finden".
In der Asse, einem ehemaligen Salzbergwerk bei Wolfenbüttel, lagern in mehreren Hundert Metern Tiefe rund 126.000 Fässer mit schwach- und mittelradioaktivem Atommüll. Offiziell erfolgte das Abladen des Mülls zu Forschungszwecken, um Endlagerkonzepte zu untersuchen. Der Atommüll ist verpackt in 200-Liter-Rollreifenfässern. In dunklen Kammern, 60 Meter lang, 40 Meter tief und 15 Meter hoch, sind sie untergebracht. Hier wurde früher das Salz abgebaut. 1967 begann man mit der Einlagerung des Mülls, elf Jahre später waren die Arbeiten beendet.
Eingelagert wurden auch mehrere Kilo hochgiftigen Plutoniums. Das Lager sollte nach bisherigen Plänen 2014 geschlossen werden, die eindringende Salzlauge gefährdet aber die Festigkeit. Mindestens ein Fass leckt und sorgt dafür, dass sich radioaktive Lauge vor einer Lagerkammer sammelt. Diskutiert wird daher auch, die Fässer wieder aus der Anlage herauszubringen.
Betrieben wird die Asse vom Helmholtz Zentrum, das wiederum dem Forschungsministerium untersteht. "Wir müssen das ganze auf neue Füße stellen", sagte SPD-Politiker Gabriel und verwies auf ein Gespräch am Donnerstag mit dem niedersächsischen Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) sowie Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU). Gabriel schloss nicht aus, dass das Umweltressort künftig Betreiber der Schachtanlage werden könnte.
Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) erklärte hingegen, er halte es nicht für sinnvoll, vorschnell den Betreiber zu wechseln. Die Überprüfung der Tauglichkeit des Betreibers und ein möglicher Austausch müsse bei dem Treffen am Donnerstag ergebnisoffen diskutiert werden.
Die Asse liegt im Bundestagswahlkreis von Gabriel. Als Endlager auch für hochradioaktive Stoffe wird seit längerem das Atommülllager Gorleben in Niedersachsen ins Auge gefasst. Gabriel will die Suche auch auf andere Regionen ausdehnen und hat dafür ein Suchkonzept entwickelt. Dieses wird aber wegen des Streits um die Atomkraft in der großen Koalition derzeit nicht weiter verfolgt.
Gabriel kritisiert dabei vor allem unionsregierte Länder wie Bayern oder Baden-Württemberg, die eine solche Suche auf ihrem Gebiet blockieren wollten: "Wer das nicht will, hat das Recht verwirkt, für längere AKW-Laufzeiten einzutreten", sagte er.
Hans-Kurt Hill, der energiepolitische Sprecher der Linksfraktion im Bundestag forderte, dem Helmholtz Zentrum die Verantwortung für die Asse sofort zu entziehen. Aus dem Skandal lasse sich nur eine Lehre ziehen: "der schnellstmögliche Ausstieg aus der unbeherrschbaren Atomenergienutzung".
Die Vize-Fraktionsvorsitzende der Grünen, Bärbel Höhn, verlangte eine Neubewertung der Endlagersuche. "Die Asse galt immer als Vorbild für Gorleben", sagte sie. Bei der Endlagersuche müsse die Vorfestlegung auf Gorleben aufgegeben werden. Minister Gabriel entgegnete, die Asse könne nicht mit dem Salzstock Gorleben verglichen werden. Das Bergwerk sei durch den Salzabbau "löchrig wie ein Schweizer Käse", Gorleben hingegen ein intakter Salzstock. Gleichzeitig betonte Gabriel, dass er "bekanntermaßen kein Befürworter von Gorleben" sei.
chs/ReutersA/P/dpa