Atommülllager Erneut radioaktive Lauge in der Asse ausgetreten

Das marode Atommülllager Asse macht weiterhin Ärger: Erneut wurde radioaktive Lauge in dem Bergwerk entdeckt. Das Bundesamt für Strahlenschutz schloss eine Gefährdung des Personals und der Umgebung des Lagers aus, ordnete aber Strahlenschutzmaßnahmen an.

Salzgitter - Im maroden Atomlager Asse in Niedersachsen ist erneut radioaktiv belastete Lauge gefunden worden. Wie das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) am Dienstag in Salzgitter mitteilte, ist durch die Kontamination eine Gefährdung des Betriebspersonals und der Umgebung der Asse aber ausgeschlossen.

Bei einem Kontrollgang der Schachtanlage Asse II sei an der tiefsten Stelle des Schachts 2 in 950 Meter Tiefe eine Ansammlung von neuen Salzlösungen festgestellt worden. Eine weitere Stelle wurde auf der 925-Meter-Sohle gefunden. Wie das BfS weiter mitteilte, strahlte das Element Cäsium 137 in den Lösungen mit 121 Becquerel pro Liter. Für Tritium seien 27.000 Becquerel pro Liter gemessen worden. Beide Werte lägen unterhalb der Freigrenzen der Strahlenschutzverordnung.

Vermutlich kommen die radioaktiv belasteten Laugen-Ansammlungen aus einem benachbarten Hohlraum auf der 950- Meter-Sohle, dem sogenannten Tiefenaufschluss. Dorthin hatte der frühere Asse-Betreiber, das Helmholtz Zentrum München, von 2005 bis 2008 ohne Genehmigung mit Cäsium kontaminierte Lauge gepumpt, die sich weiter oben im Bergwerk angesammelt hatte. Die Grenzwerte waren in dieser Lösung deutlich überschritten. Die neuen Salzlösungen sind laut Strahlenschutzamt wahrscheinlich durch den hohen Gebirgsdruck herausgepresst worden. "Das Wasser sucht sich seinen Weg", sagte ein Sprecher des BfS.

Die Strahlenschützer leiteten Schutzvorkehrungen ein und sperrten das Gebiet ab. Es solle ausgeschlossen werden, "dass solche Stoffe in andere Teile der Grube verschleppt werden", sagte BfS-Präsident Wolfram König. "Von der Lauge geht keine Gefahr aus, aber sie ist mit Radionukliden belastet." In den betroffenen Regionen arbeiten die Bergleute nach Darstellung der Behörde normalerweise nicht.

In dem heute einsturzgefährdeten Bergwerk wurden von 1967 bis 1978 rund 126.000 Behälter mit schwach- und 1300 mit mittelradioaktivem Müll untergebracht. Was genau eingelagert wurde, ist bis heute unklar. Die Asse war das weltweit erste unterirdische Lager für Atommüll. Die Genehmigung verlief problemlos, ein Planfeststellungsverfahren war gesetzlich noch nicht vorgeschrieben. Das alte Salzbergwerk wurde nach Bergrecht betrieben.

BfS-Präsident warnt vor Notsituationen

Nach etlichen Pannen und Versäumnissen ist dem ehemaligen Betreiber, der Gesellschaft für Strahlen- und Umweltforschung (GSF), die später im Helmholtz Zentrum München aufging, Anfang 2009 die Verantwortung entzogen worden. Seit Januar ist das BfS zuständig, das direkt dem Bundesumweltministerium untersteht. Mit dem Betreiberwechsel ging einher, dass die Schachtanlage Asse unter Atomrecht fällt.

BfS-Präsident König bezeichnete den Zustand der Asse als "unzumutbar". Täglich dringe Grundwasser in das Lager ein. Vor diesem Hintergrund sei nicht klar, wie lange die Standsicherheit des Bergwerks noch gewährleistet sei. Von daher müsse man sich auf Notsituationen vorbereiten. "Die eigentliche Herausforderung, vor der wir stehen, ist die sichere Schließung des Bergwerks." Bis dahin seien weitere Vorfälle nicht auszuschließen.

Nach jüngsten Recherchen der Umweltorganisation Greenpeace drängten Stromkonzerne den damaligen Asse-Betreiber GSF bei den Einlagerungen Mitte der siebziger Jahre erfolgreich zu einer Senkung der Sicherheitsstandards. Danach durften angelieferte Fässer ab Dezember 1975 fünfmal mehr Radioaktivität enthalten als ursprünglich vorgesehen. König sagte dazu, es sei "auffällig", dass 30 Prozent der gesamten Abfälle erst in den vergangenen Jahren vor dem Einlagerungsstopp verklappt worden seien. In der Asse landeten auch hochgiftiges Arsen und radioaktive Abfälle der Bundeswehr.

mbe/dpa
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