Atommülllager Strahlenschützer melden erhöhte Radioaktivität in der Asse

Im maroden Atomlager Asse sind stark erhöhte Werte von Cäsium 137 gemessen worden. Strahlenschützer sind besorgt - sehen aber keine Gefahr für die Beschäftigten. Die Verseuchung geht offenbar auf eingelagerte Abfälle zurück.
Atommülllager Asse: Erhöhte Radioaktivität gemessen

Atommülllager Asse: Erhöhte Radioaktivität gemessen

Foto: Joerg Sarbach/ AP

Remlingen - Im Atommülllager Asse bei Wolfenbüttel ist die Radioaktivität vor einer Einlagerungskammer stark gestiegen. Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) maß in einem Bohrloch vor der Kammer 12 eine Aktivität von 240.000 Becquerel Cäsium 137 pro Liter. Das sei der bislang höchste Wert von Cäsium 137 in einer Probe aus der Asse nach dem Ende der Einlagerung im Jahr 1978.

In einer geringeren Konzentration sei in der Lösung auch das Radionuklid Kobalt 60 festgestellt worden. Die sogenannte Freigrenze für die Cäsium-137-Aktivitätskonzentrationen liegt bei 10.000 Becquerel pro Kilogramm.

Das Bohrloch sei vom früheren Asse-Betreiber Helmholtz-Zentrum eingerichtet worden, sagte BfS-Sprecher Werner Nording. Das Zentrum habe 2008 in dem Bohrloch eine Aktivitätskonzentration von etwa 90.000 Becquerel pro Liter gemessen, erklärte Nording. Damit hätte sich die Aktivitätskonzentration an dieser Messstelle innerhalb von drei Jahren fast verdreifacht.

Bei einem sachgerechtem Umgang bestehe jedoch keine Gefahr durch die jetzt festgestellte Cäsium-Aktivität, sagte Nording später - weder für die Beschäftigten und schon gar nicht für die Anwohner. Die Messstelle befinde sich in einem Überwachungsbereich, der nicht von jedermann betreten werden dürfe.

Angst vor Kontaminierung des Grundwassers

Die hohen Werte wurden in der Nähe des sogenannten Laugensumpfs vor der Kammer 12 in 750 Meter Tiefe gemessen. Dass dieser Sumpf aus kontaminierter Salzlösung besteht, ist bereits seit 1994 bekannt. Bei dieser Flüssigkeit handelt es sich nach BfS-Angaben nicht um die von außen in das Bergwerk sickernden Zutrittswässer. Die Kontaminationen gehen offenbar auf die in der Kammer lagernden Abfälle zurück. Das BfS habe aber sichergestellt, dass niemand in direkten Kontakt mit der kontaminierten Lauge kommt.

Andreas Wöhr, Strahlenschutzbevollmächtigter der Universität des Saarlandes, hält die Lauge für nicht besonders gefährlich - solange sie das Bergwerk nicht über das Grundwasser verlässt. Ein Liter mit 240.000 Becquerel würde einem Menschen aus einem Meter Entfernung eine Strahlungsdosis von 0,02 Mikrosievert verabreichen, sagte Wöhr zu SPIEGEL ONLINE. Zum Vergleich: Bei einer Röntgenuntersuchung der Wirbelsäule liegt die Strahlendosis bei 1200 Mikrosievert, also dem 60.000-Fachen.

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Bei Strahlenschutz-Übungen kämen Quellen mit 240 Millionen Becquerel zum Einsatz, dem Tausendfachen der jetzt in der Asse gemessenen Radioaktivität, sagte Wöhr. In der Industrie gebe es sogar Strahler im Bereich von Milliarden Becquerel. "Bei entsprechender Abschirmung ist auch deren Handhabung kein Problem." Dennoch findet Wöhr den in der Asse gefundenen Wert "bedenklich". "Solange diese Brühe innerhalb der Asse bleibt, ist sie keine Gefahr, doch niemand kennt die dortigen Wasserströme." Würde die strahlende Lauge ins Grundwasser gelangen, könnte sie sehr wohl zur Gefahr werden.

Das niedersächsische Umweltministerium erklärte, die Genehmigung des BfS zum Umgang mit der belasteten Lauge gelte auch bei der aktuell gemessenen Belastung. Die radioaktive Flüssigkeit könne deswegen in Fässer gepumpt und zur Zwischenlagerung ans Tageslicht gebracht werden.

"Die Hälfte der Information fehlt"

Udo Dettmann vom Asse-Koordinierungskreis kritisierte, dass nicht klar sei, wie viel belastete Lauge tatsächlich angefallen sei: "Die Hälfte der Information fehlt." Dettmann forderte, die Vorarbeiten für die Bergung der Fässer aus der Asse müssten umgehend beginnen. Derzeit schreibe das BfS aber Antrag auf Antrag, während das Niedersächsische Umweltministerium Auflage um Auflage mache. "Die erste Bohrung, geplant für den vergangenen Sommer, hat noch immer nicht stattgefunden."

"Wir gehen davon aus, dass wir in der kommenden Woche die Genehmigung erteilen können", konterte Jutta Kremer Heye vom niedersächsischen Umweltministerium. Man habe den Entwurf für die Genehmigung an das BfS geschickt und mittlerweile auch zurückbekommen. Nun warte man noch auf eine Stellungnahme des Umweltministeriums in Berlin.

In dem heute einsturzgefährdeten Bergwerk wurden von 1967 bis 1978 rund 126.000 Behälter mit schwach- und 1300 mit mittelradioaktivem Müll untergebracht. Was genau eingelagert wurde, ist bis heute unklar. Die Asse war das weltweit erste unterirdische Lager für Atommüll. Die Genehmigung verlief problemlos, ein Planfeststellungsverfahren war gesetzlich noch nicht vorgeschrieben. Das alte Salzbergwerk wurde nach Bergrecht betrieben.

In der Asse laufen zurzeit Erkundungsarbeiten zu der Frage, auf welche Weise der Müll aus dem Berg geholt werden kann. Experten hatten jüngst festgestellt, dass in der Asse immer mehr radioaktive Salzlösung anfällt. Die Menge der kontaminierten Flüssigkeit, die vor der Einlagerungskammer 8 in 750 Meter Tiefe aufgefangen werde, habe sich zum Ende des vergangenen Jahres von vier auf acht Liter pro Tag verdoppelt, so das BfS.

Mit Material von dapd
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