Atomreaktor-Verdacht Neues Satellitenbild zeigt bombardierte syrische Anlage
Die Hinweise, dass Syrien möglicherweise einen neuen Atomreaktor konstruieren wollte, verdichten sich. Ein neues Satellitenbild der Anlage, die israelische Kampfjets am 6. September bombardiert haben, zeigt gegenüber einem älteren Foto dramatische Veränderungen: Das Gebäude, das den im Bau befindlichen Reaktor beherbergt haben soll, ist auf dem neuen Satellitenbild vom 24. Oktober verschwunden. Stattdessen sind Planierraupen und deren Arbeitsspuren zu erkennen.
Noch am 10. August stand das Gebäude, wie aus einem in dieser Woche veröffentlichten Bericht des Isis-Instituts in Washington hervorging. Die Autoren des fünfseitigen Papiers - der ehemalige Uno-Atominspektor David Albright und sein Kollege Paul Brannan - stellten anhand der Bilder die Vermutung auf, dass die israelische Luftwaffe am 6. September diese Anlage bombardiert hat. Andere Experten bezweifelten das jedoch - unter anderem mit dem Hinweis darauf, dass es kein Foto von der Anlage nach dem Angriff gebe.
Das reichen die Isis-Experten nun nach: In einem neuen Bericht präsentieren sie ein Satellitenfoto des kommerziellen Anbieter Digital Globe vom 24. Oktober . Das Hauptgebäude des Geländes ist darauf nicht mehr zu sehen. Ein größeres Nebengebäude und ein mutmaßliches Pumpwerk am Ufer des Euphrat stehen dagegen noch.
Verdacht gegen Syrien erhärtet sich
"Der Vergleich zwischen diesen beiden Bildern bestätigt, dass diese Anlage tatsächlich das Ziel des israelischen Angriffs war", schreiben Albright und Brannan. Sie äußern nun auch offen den Verdacht, dass die Syrer die Beweise für ihre dortigen Aktivitäten beiseite schaffen wollten: "Der Abriss und das Entfernen des Gebäudes mit einer derartigen Geschwindigkeit erschwert jede Inspektion der Anlagen dramatisch und lässt vermuten, dass Syrien zu verstecken versucht, was dort vor sich ging." Der "Washington Post" sagte Albright, Fotos des Satellitenbildanbieters Spot hätten gezeigt, dass mindestens ein Jahr lang an dem Gebäude gearbeitet worden sei.
Syrien streitet nach wie vor ab, an einem geheimen Atomreaktor gebaut zu haben. Die Regierung in Damaskus bestätigte zwar den israelischen Luftangriff, erklärte aber, die Israelis hätten lediglich ein leerstehendes militärisches Lagerhaus zerstört.
Außerhalb Syriens schenkt man solchen Beteuerungen dagegen immer weniger Glauben. Insbesondere das Tempo, mit dem das vermutlich bombardierte Gebäude vom Erdboden verschwand, gilt als verdächtig. "Es ist wie Magie - heute noch da, morgen verschwunden", zitiert die "New York Times" einen ranghohen US-Geheimdienstmitarbeiter. "Das war nicht die langfristige Außerdienststellung eines Gebäudes, was gut ein Jahr dauern kann." Es sei unglaublich, dass die Syrer solche Anstrengungen auf sich genommen hätten, die Reste des Gebäudes so schnell verschwinden zu lassen.
Kein zwingender Beweis für Atomprogramm
Auch Joseph Cirincione, Atomenergieexperte am Center for American Progress in Washington, hält die syrische Anlage für "sehr verdächtig". "Die Syrer hatten etwas vor, das sie eindeutig vor der Welt verbergen wollten", sagte er der "New York Times". Vertreter der Internationalen Atomenergie-Behörde (IAEA) wollen dem Bericht zufolge die Satellitenbilder prüfen und die Anlage in Syrien persönlich inspizieren.
Dass in dem bombardierten Gebäude tatsächlich ein Atomreaktor gebaut wurde, können aber auch die neuen Fotos nicht klären. Sie "könnten auf ein Nuklearprogramm hinweisen", sagte Cirincione. Einen Beweis sieht er aber nicht. Und selbst falls Syrien ein geheimes Atomprogramm betreibe, sei es noch Jahre von der Einsatzfähigkeit entfernt und keine unmittelbare Bedrohung.
Auch Sascha Lange von der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik sieht in dem neuen Bild "lediglich ein Indiz dafür", dass das verdächtigte Gebäude nunmehr zerstört ist. Dass auf dem neuen Bild keinerlei Trümmer oder Krater zu sehen sind, spreche nicht gegen einen Bombenangriff. Die israelische Luftwaffe habe nur vier Jagdbomber eingesetzt, und moderne Präzisionsmunition müsse nicht unbedingt ein großes Trümmerfeld verursachen. Zudem hätten die Syrer entsprechende Spuren längst beseitigen können. Lange bemängelte, dass das Foto mehr als eineinhalb Monate nach dem israelischen Luftangriff entstanden ist. Eine Aufnahme kurz nach dem Angriff, meint Lange, "wäre deutlich aussagekräftiger".