
Legende des Pferdesports: Archäologen retten Knochen von Native Diver
Als das Rennpferd Native Diver vor 47 Jahren starb, begrub ihn sein Besitzer an dem Ort seiner spektakulärsten Erfolge: der Rennbahn Hollywood Park im kalifornischen Inglewood. Die Bahn wurde jetzt geschlossen - doch die Knochen konnten gerettet werden.
Richard Shapiro, der Enkel von Native Divers einstigen Besitzers Louis Shapiro, bat die Archäologen Thomas Garrison und Lynn Swartz Dodd von der University of Southern California, ihm behilflich zu sein. Denn auf dem Gelände der ehemaligen Rennbahn sollen Bürogebäude und Geschäfte entstehen. "Er ist doch ein Renn-Royalist", rechtfertigt Shapiro seine Entscheidung, Native Divers Knochen zu bergen, in der Los Angeles Times. "Man kann doch ein solches Pferd nicht unter Neubauten liegen lassen."
Die Archäologen freuten sich über den ungewöhnlichen Auftrag - und nutzten die Gelegenheit, ihre Studenten direkt vor der Haustür erste Erfahrungen mit Pinsel und Kelle machen zu lassen: Alle Grabungsteilnehmer waren Freiwillige aus dem Anthropologie-Kurs.
Native Diver, die Legende
Auch für Garrison selber war es eine neue Erfahrung: "Der größte Unterschied zu meinen eigentlichen Job als Maya-Archäologe war, etwas so junges auszugraben", berichtet er. "Native Diver starb ja vor nur 47 Jahren. Man kann sich also vorstellen, wie gut der Erhaltungszustand war. Das Skelett ist vollständig und sogar der Knorpel zwischen den Rippen noch intakt."
Zu Lebzeiten war Native Diver eine Legende. Zwar erlitt er als Fohlen eine Rückenverletzung und lief deshalb immer mit hoch erhobenem Kopf, statt mit wie üblich lang nach vorne gezogenem Hals - aber er wollte nichts anderes als laufen. Nicht einmal die Kastration machte einen Unterschied, sein Temperament blieb ungebrochen. Er hielt mehrere Weltrekorde und wurde zum ersten kalifornischen Rennpferd, das über eine Million Dollar an Preisgeldern erlief. Kein Wunder also, dass Besitzer Shapiro sein Pferd mit einem besonderen Begräbnis ehren wollte, als es 1967 im Alter von acht Jahren an einer Kolik starb. Native Diver wurde unter dem Gartenpaddock der Rennbahn beerdigt. Der kalifornischen Künstler Millard Sheets designte eine Steinskulptur, die als Grabstein diente.
Die Archäologen konnten anhand der Knochen auch rekonstruieren, was nach dem Tod mit Native Diver geschah: "Wir fanden klare Hinweise auf eine Autopsie", schreibt Garrison. "Der Brustkorb war mit Sägemehl ausgestopft und ein Teil der Rippen wurde abgesägt, um an die inneren Organe zu gelangen." Und etwas fehlte: die Ausgräber fanden nur einen Huf. "Wir fragen gerade bei der University of Califoria Davis nach, die damals die Autopsie durchführten, ob sie noch Aufzeichnungen haben. Wir vermuten, dass die Hufe für irgendwelche Untersuchungen einbehalten wurden." Offensichtlich war den Bestattern aber daran gelegen, dass Native Diver bequem in seinem Grab lag. Die Ausgräber stießen unter dem Kopf des Tieres auf eine breiige, weiße Paste. "Das wird wohl Styropor gewesen sein, das dem Kopf als Kissen diente", vermutet Garrison.
Per Heliumballon über die Ausgrabungsstätte
Die Studenten waren nicht die einzigen, die Native Divers Knochen zu Übungszwecken nutzten. Die Archäologen luden auch ihre Kollegen Curt Schurgers und Albert Lin vom Engineers for Exploration Project der University of California, San Diego, zu der Ausgrabung ein. Mit einer Videokamera, die an einem Heliumballon befestigt war, überflogen die Ingenieure die Ausgrabungsstätte und machten Aufnahmen, mit denen sie später ein 3D-Modell anfertigen können. "Wir arbeiten gemeinsam daran, bessere technische Werkzeuge für archäologische Ausgrabungen und Dokumentationen zu entwickeln", erklärt Garrison.
Auch Auftraggeber Shapiro nahm regen Anteil an den Arbeiten. Er brachte Fotos und Pokale mit auf die Ausgrabung und hielt vor den Studenten einen kleinen Vortrag über Native Divers Leben und Erfolge. Natürlich soll das Pferd auch künftig einen Ehrenplatz bekommen. Seine Knochen warten derzeit auf dem Gelände der Del Mar Rennbahn auf eine neue Ruhestätte. Noch steht nicht fest, wo genau Native Diver dort neu bestattet wird. Aber eines ist sicher: Man wird auch von seinem neuen Grab aus stets die Aufregung der Menge hören können, wenn die Pferde auf die Zielgerade einlaufen.