Steinzeit-Ernährung Mammut für den Menschen, Rentier für den Hund

Schädel eines steinzeitlichen Hundes: Kürzere Schnauze als ein Wolf

Schädel eines steinzeitlichen Hundes: Kürzere Schnauze als ein Wolf

Foto: Moravian Museum /Brno

Sie halfen dem Menschen beim Jagen, bekamen von den erbeuteten Leckerbissen aber meist nichts ab: Hunde mussten in der Steinzeit fressen, was übrig blieb. Wölfe hatten es da deutlich besser.

Unser Verhältnis zum Hund hat sich in den vergangenen 30.000 Jahren grundlegend verändert. Wir brauchen die Vierbeiner heute nicht mehr für die Hilfe bei der Jagd. Und nach der Nahrungsbeschaffung - sprich: dem Wocheneinkauf im Supermarkt - spannen wir auch keinen Schlittenhund mehr an, sondern packen die Tüten in den Kofferraum des Kombis, nicht selten zusammen mit Hund und Hundefutter.

In der Siedlung Předmostí I nahe der Stadt Brünn in der Tschechischen Republik sah die Sache in prähistorischer Zeit noch ganz anders aus. Hier lebten vor rund 30.000 Jahren Menschen der Gravettien-Kultur mit ihren Hunden. Ein internationales Forscherteam um den Paläontologen Hervé Bocherens von der Universität Tübingen hat nun die Überreste von Mensch und Tier untersucht.

Extra Futter für den Hund

Die Signatur der Isotope von Kohlenstoff- und Stickstoff verriet, wovon sich die Dorfbewohner ernährten. "Die Menschen von Předmostí I aßen Mammutfleisch, und das in großen Mengen", erklärt Bocherens. Auch Braunbären, Wölfe und Vielfraße hätten Zugang zu Mammutfleisch gehabt. Offenbar lagen für die wilden Tiere viele frische Kadaver herum, vermutlich zurückgelassen von den menschlichen Jägern.

Vereinfachte Darstellung der Jäger-Beute-Beziehungen vor 30.000 Jahren

Vereinfachte Darstellung der Jäger-Beute-Beziehungen vor 30.000 Jahren

Foto: Hervé Bocherens

Diese erbauten ihre Wohnstätten zu Teilen aus den Knochen der Giganten. Mehr als tausend Mammuts wurden so zu Bestandteilen ihrer Behausungen. Aus den Stoßzähnen schnitzten die Menschen kleine Figuren, das Fleisch kam auf den Teller. Die Hunde aber bekamen - anders als die Wölfe - laut den Analysen nichts davon ab, obwohl sie zusammen mit den Menschen in der Siedlung lebten. Stattdessen fraßen die domestizierten Tiere Rentierfleisch. Das wiederum zählte nicht zu den Hauptnahrungsmitteln der Menschen.

Hunde waren angeleint

Die Ernährungsunterschiede zwischen Wolf und Hund liefern auch Hinweise auf die Haltung der Tiere. Die Hunde hätten einen Brocken Mammutfleisch wie ihre wilden Verwandten gewiss nicht verschmäht. Dass sie ihn aber nicht bekamen, ist ein sicheres Indiz dafür, dass ihre Ernährung von den Menschen streng kontrolliert wurde. Sie waren eingesperrt oder angeleint, vermuten Bocherens und seine Kollegen.

"Man darf nicht vergessen, dass diese frühen Hunde etwa immer noch so groß wie Wölfe waren - und vermutlich ebenso gefährlich", schreiben die Forscher in der Zeitschrift "Quaternary International" . "Aus der Ethnografie wissen wir, dass die arktischen und subarktischen Völker die Transporthunde meist anleinten. Anders jedoch die nordischen Völker, die ihre Hunde als Jagdgehilfen einsetzten: Diese Hunde durften sich frei bewegen."

Auch dass Hunde anderes Fleisch bekommen als Menschen, kenne man von einigen Traditionsvölkern aus nördlichen Regionen, berichtet Bocherens. "Sie verfüttern das Fleisch an die Hunde, das sie selbst nicht so sehr schätzen." Bei den Tareumiut in Alaska etwa spielte der Wal eine Schlüsselrolle, nicht nur in der Ernährung, sondern auch in Kultur und Religion. Ihren Hunden aber hätten die Tareumiut niemals Walfleisch zu fressen gegeben - das wäre für den Wal eine schwere Beleidigung gewesen. Die Hunde bekamen stattdessen Walross, Fisch, Walspeck und Rentierkot.

Ähnliches gilt für die Koyukon, deren Weltbild zufolge Bären mächtige spirituelle Kräfte besaßen, auch wenn sie durchaus als Delikatesse galten. Hunde mussten sich dagegen mit Fisch begnügen, Bärenfleisch war für sie tabu.

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