Ausgegraben - Neues aus der Archäologie Tempelsex im Namen der Mut

Welche Freuden der Glaube an die ägyptische Göttin Mut mit sich bringt - davon handelt eine Geschichte, die vor 1900 Jahren geschrieben wurde. Außerdem im archäologischen Wochenrückblick: Arbeitsteilung in der Altsteinzeit und eine neu entdeckte Römerstraße.

Vor rund 1900 Jahren schrieb vermutlich ein Priester in dem ägyptischen Dorf Tebtunis einen Roman. Es ging um die ganz alten Themen der Menschheit: Alkohol, Gesang, Tanz und Sex. In dem Roman geschieht dies alles im Namen der Göttin Mut. Die beiden Forscher Richard Jasnow von der Johns Hopkins University und Mark Smith von der Oxford University haben den Text übersetzt und veröffentlicht.

Tempel im Norden Ägyptens, der wohl der Göttin Mut geweiht war: Jetzt entdeckter, 1900 Jahre alter Text singt ein Loblied auf den Kult

Tempel im Norden Ägyptens, der wohl der Göttin Mut geweiht war: Jetzt entdeckter, 1900 Jahre alter Text singt ein Loblied auf den Kult

Foto: AP/ Egypts Supreme Council Of Antiquities

Sie vermuten, die Geschichte diente als Lehrstück, um kontroverse Praktiken im Tempel mit anderen Priestern diskutieren zu können: "Dieser Text könnte eine neue und bisher unbekannte ägyptische Literaturgattung repräsentieren: 'Kult'-Fiktion, deren Aufgabe darin besteht, umstrittene Belange des heiligen Kults eingehend erörtern zu können", schreiben sie in der jüngsten Ausgabe der Zeitschrift "Enchoria". Der Text ist in demotischer Schrift verfasst. An einer Stelle heißt es: "Trinke wahrhaftig. Esse wahrhaftig. Singe... lege Deine Kleidung ab, salbe Dich, schmücke Deine Augen und genieße sexuelle Glückseligkeit!" Die Göttin Mut würde diese Praktiken in ihrem Tempel ausdrücklich gutheißen. Der Sprecher versichert: "Die mich böse genannt haben, wird Mut böse nennen."

Dass es sich um einen fiktionalen Text handelt, konnten die Forscher an einem Wort festmachen, das nur in diesem Kontext dazu benutzt wurde, unterschiedliche Kapitel einer Geschichte zu markieren. Die ganze Geschichte ist allerdings nicht überliefert, weil der Text nur fragmentarisch erhalten ist: "Wahrscheinlich haben wir es hier mit den Resten eines Berichts zu tun, in dem ein Anhänger der Göttin Mut einen anderen Menschen versucht zu überreden, ebenfalls dem Kult beizutreten oder an den Ritualen teilzunehmen."

+++ Archäologen folgen Römerstraße +++

Küste von Anglesey: Forscher folgen neu entdeckter Römerstraße

Küste von Anglesey: Forscher folgen neu entdeckter Römerstraße

Foto: Dan Kitwood/ Getty Images

Nicht alle Straßen führen nach Rom. Wohin eine römische Straße auf der walisischen Insel Anglesey führt, wollen Archäologen jetzt mit Hilfe von geomagnetischen Prospektionen herausfinden. Sie hoffen, dass die Straße sie direkt zu einem zweiten römischen Fort auf der Insel führen wird, das bislang noch nicht entdeckt wurde.

Für die Römer war Mona, wie sie die Insel nannten, von besonderer Bedeutung. Hier lag ein Machtzentrum der Druiden, der religiösen und politischen Führer der keltischen Stämme. Im Jahr 60 nach Christus kam der römische General Gaius Suetonius Paulinus auf die Insel, zerstörte das Heiligtum sowie die Heiligen Haine und ließ viele Druiden ermorden.

Die neu entdeckte Straße führt von einer römischen Siedlung in der Nähe des Dorfes Brynsiencyn nach Nordwesten. 250 Meter weit sind die Ausgräber bereits gekommen. "Wir sind überzeugt, dass es noch ein weiteres Fort auf Anglesey gab", sagt Grabungsleiter Dave Hopewell vom Gwynedd Archaeology Trust. "Diese Straße könnte uns direkt dort hinführen. Wir werden jetzt die neue Ausrüstung nutzen, um sie zu kartieren und ihr zu folgen."

Die Siedlung, von der die Straße wegführt, war wahrscheinlich ein Handelsposten, der Anglesey mit dem Festland verband. Keramikscherben datieren das römische Dorf in die Zeit zwischen dem Ende des ersten Jahrhunderts nach Christus und die Mitte des 4. Jahrhunderts.

+++ Arbeitsteilung und Müllverwertung in der Altsteinzeit +++

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Breitenbach: Arbeitsteilung und Müllverwertung in der Altsteinzeit

Foto: dapd

Eine altsteinzeitliche Elfenbeinwerkstatt haben Archäologen in diesem Sommer in Breitenbach in der Nähe von Zeitz in Sachsen-Anhalt gefunden. Hier verarbeiteten vor mindestens 35.000 Jahren frühe anatomisch moderne Menschen Mammutstoßzähne zu Perlen und Kunstgegenständen. Das Elfenbein war jedoch nicht frisch, sondern lag vermutlich schon lange dort. Entweder waren an diesem Ort viele Mammuts auf natürliche Weise verendet oder es handelte sich um einen großen Haufen Jagdabfälle. In letzterem Fall könnten die Jäger auch Neandertaler gewesen sein - die allerdings zur Zeit der Werkstatt schon seit einigen Jahrtausenden ausgestorben waren.

Das Team um Olaf Jöris und Tim Matthies vom Forschungszentrum und Museum für menschliche Verhaltensevolution Monrepos, einer Einrichtung des Römisch-Germanischen Zentralmuseums, entdeckte die verschiedenen Arbeitsbereiche der Werkstatt. Sie fanden ein Areal, in dem Elfenbeinstücke in Lamellen aufgespalten wurden, sowie ein anderes, in dem die Schnitzarbeiten ausgeführt und der Abfall beseitigt wurde. Auch einige der Endprodukte - filigrane Elfenbeinperlen und die Rohformen nicht fertiggestellter Stücke - lagen hier.

Die Siedlung bei Breitenbach ist mit einer Ausdehnung von mindestens 6000 bis vielleicht sogar 20.000 Quadratmetern die mit Abstand größte bislang bekannte Fundstelle der Jüngeren Altsteinzeit (Jungpaläolithikum). Die Geländearbeiten in Breitenbach geben neue Einblicke in das räumliche Verhalten der Menschen in dieser Epoche und speziell in die räumliche Organisation des Siedlungsplatzes und damit des Alltagsgeschehens im sogenannten Aurignacien vor rund 34.000 bis 40.000 Jahren.

+++ Forscher untersuchen 190 Jahre alte Proben der Kartoffelfäule +++

Kartoffelernte (Archivbild): Der Pilz Phytophthora infestans kann ganze Ernten vernichten

Kartoffelernte (Archivbild): Der Pilz Phytophthora infestans kann ganze Ernten vernichten

Foto: Christopher Furlong/ Getty Images

Zwischen 1845 und 1849 verhungerten rund eine Million Iren, was etwa zwölf Prozent der damaligen Bevölkerung Irlands ausmachte. Weitere zwei Millionen verließen die Insel und wanderten aus. Schuld daran war ein Pilz namens Phytophthora infestans, der die so genannte Kartoffelfäule verursachte.

Damals nahmen zwei Wissenschaftler Proben der verseuchten Kartoffeln, trockneten und zermahlten sie und verwahrten das Pulver in Glasbehältern. Diese alten Proben hat sich jetzt Bruce Fitt von Rothamsted Research in Harpenden vorgenommen, um den Pilz besser zu verstehen. Dass die Sporen auf den Blättern sitzen und sich über die Luft verbreiten, war bekannt. Doch wie Phytophthora infestans im Winter überleben konnte, wenn es kein Kartoffelkraut gab, fand Fitt jetzt heraus.

In der kalten Jahreszeit überlebten die Sporen in den Knollen, schreibt er in der neuen Ausgabe der Zeitschrift "Plant Pathology". "Damals hatten die Wissenschaftler nicht die Möglichkeiten, das zu untersuchen", sagt der Forscher. "Aber jetzt können wir mit modernen Methoden Fragen beantworten, von denen sie im 19. Jahrhundert nur träumen konnten." Die neuen Erkenntnisse können genutzt werden, um künftig Saatkartoffeln auf die Sporen zu testen. "Es war die weise Voraussicht dieser beiden Forscher des 19. Jahrhunderts, diese Proben zu archivieren, damit wir heute die Kartoffelfäule besser verstehen und die Sicherheit unserer Ernten gewährleisten können."

+++ Wo die heiligen Stiere ruhen +++

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Ägypten: Stier-Friedhof wieder geöffnet

Foto: MOHAMED ABD EL GHANY/ REUTERS

Starb im alten Ägypten ein heiliger Apis-Stier, löste das eine Staatstrauer aus. Der Leichnam wurde den Priestern des Ptah im Serapeum in Sakkara übergeben, die mumifizierten ihn und bestatteten das Tier schließlich in einem bis zu 80 Tonnen schweren Steinsarkophag.

Das Heiligtum mit den gigantischen Steinsärgen entdeckte vor über 150 Jahren der französische Archäologe August Mariette. Es besteht aus zwei Teilen: den Krypten, in denen die Priester zwischen der 18. und der 26. Dynastie die Stiermumien bestatteten, und dem großen Serapeum mit der langen Galerie, entlang derer 24 weitere Granitsarkophage in Nischen angeordnet sind. Während die Krypten noch immer restauriert werden, hat nun erstmals nach einer jahrelangen Renovierungsphase das Serapeum wieder seine Pforten für Besucher geöffnet.

Zuvor war zwischen Ingenieuren, Archäologen und Restauratoren ein erbitterter Streit darüber entbrannt, inwieweit man in die Gebäudestruktur eingreifen dürfe, um die einsturzgefährdeten Decken abzusichern. Jetzt stützt ein Stahlgerüst die Decke des Serapeums und der Boden ist mit Holzplanken überdeckt. Durch Glasfenster im Holz ist der Originalboden jedoch sichtbar. Mit der Wiedereröffnung des Serapeums hat Sakkara eine seiner bedeutendsten Touristenattraktionen zurückgewonnen.

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