Känguru-Bild in Australien
Wie Forscher mit Wespennestern Felskunst datieren
Australiens älteste, sicher datierte Felsmalerei ist mehr als 17.000 Jahre alt. Die Forscher bestimmten die Zeichnung mithilfe einer ungewöhnlichen Methode.
Rund zwei Meter großes Känguru-Bild in der Region Kimberley
Foto: Peter Veth / Balanggarra Aborigin / dpa
Die Kunst der Aborigines gehört zu bedeutendsten der Menschheit. Die charakteristischen Abbildungen, oft aus Punkten und Strichen, wurden in Tausende Jahre alten Felsmalereien auf dem Südkontinent erhalten. Die exakte Datierung der Bilder stellt Forscher aber vor Herausforderungen.
Über stilistische Merkmale gelingt dies nur, wenn es vergleichbare Funde gibt. Zu den verlässlichsten Ergebnissen gelangt man durch physikalisch-chemische Verfahren wie die Radiokarbondatierung. Diese können aber nur angewendet werden, wenn entsprechende organische Spuren in der Farbe erhalten sind. Dazu muss das Kunstwerk in der Regel beschädigt werden, um an Proben zu kommen.
In Australien haben Forscher nun ein rund zwei Meter großes Bild eines Kängurus mit einer ungewöhnlichen Methode datiert. Zur Altersbestimmung nutzten die Wissenschaftler um Damien Finch von der University of Melbourne Wespennester, die auf und unter der Malerei am Fels kleben und ebenfalls über Jahrtausende erhalten blieben. Die Forscher stellen ihre Untersuchung im Fachmagazin »Nature Human Behaviour« vor.
Das organische Material der Schlammwespen-Nester konnten sie mithilfe der Radiokarbonmethode datieren. Insgesamt untersuchten sie 75 Nester in der Umgebung von 16 Felsenbildern in Westaustralien, in der Region Kimberley.
Die dortige Felskunst zeigt etliche Tiermotive, darunter viele Bilder, die im ältesten bekannten Stil gemalt wurden: Dieser zeichnet sich unter anderem dadurch aus, dass die Körper der dargestellten Tiere mit einzelnen Strichen, Kopf, Schwanz oder Gliedmaßen hingegen fast vollständig gefüllt werden. Der Studie zufolge hatten die untersuchten Felsbilder ein Alter zwischen rund 13.000 und 17.000 Jahren.
Die Känguru-Malerei ließ sich am genauesten datieren, weil sie drei Wespennester teils überdeckte und wiederum drei Nester darauf gebaut wurden. Die Forscher ermittelten ein Alter zwischen 17.100 und 17.500 Jahren, am wahrscheinlichsten 17.300 Jahre. Es sei damit das älteste in Australien radiometrisch datierte Felsbild, schreiben die Forscher. Andere Bilder werden für noch älter gehalten und könnten auf die Zeit zurückgehen, als die Aborigines vor 40.000 bis 60.000 Jahre den Kontinent besiedelten. Allerdings lässt sich das eben höchstens schätzen.
Auch die Zeichnung eines Menschen haben Künstler an der Felswand in Kimberley hinterlassen
Foto: Pauline Heaney / Damien Finch / dpa
»Dies ist ein bedeutender Fund, da wir durch diese ersten Schätzungen etwas von der Welt verstehen können, in der diese alten Künstler lebten«, erklärte Finch. »Wir werden nie wissen, was der Künstler dachte, als er oder sie dieses Werk vor mehr als 600 Generationen malte. Aber wir wissen, dass die naturalistische Periode bis in die letzte Eiszeit zurückreicht, sodass die Umgebung kühler und trockener war als heute.«
Sven Ouzman von der University of Western Australia ergänzt: »Das ikonische Känguru-Bild ähnelt visuell Felsmalereien von Inseln in Südostasien, die vor mehr als 40.000 Jahren entstanden sind, was auf eine kulturelle Verbindung hindeutet – und auf eine noch ältere Felsenkunst in Australien hinweist«.
Grundsätzlich erlaube es eine genaue Altersbestimmung der Kunstwerke, die dargestellten Motive mit der Umwelt in Verbindung zu bringen, etwa Klimaveränderungen. Vor 14.000 bis vor 13.000 Jahren etwa habe sich das Klima in der Region verbessert, sagen die Forscher. Einige Zeit danach änderte sich der Malereistil – statt Tiere wurden vermehrt Menschen dargestellt. Das weise möglicherweise auf soziale und kulturelle Veränderungen hin, die mit den klimatischen womöglich einhergegangen sind, ein Bevölkerungswachstum zum Beispiel.
Allerdings sind die kulturellen Stätten der Aborigines bedroht. Zum einen nagt der Zahn der Zeit an den Bildern. Verwitterung, die Folgen von Bränden oder Algenbewuchs machen ihnen zu schaffen. Dazu kommen die Zerstörungen infolge von wirtschaftlichen Interessen.
Gerade erst wurde in Westaustralien zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres eine heilige Stätte der Aborigines, ein Höhlenunterschlupf, durch einen Bergbaukonzern beschädigt. Der Zwischenfall ereignete sich Berichten der Zeitung »Sydney Morning Herald« zufolge in der Region Pilbara, wo das australisch-britische Rohstoffunternehmen BHP ein milliardenschweres Projekt zur Förderung von Eisenerz betreibt. Laut dem Volk der Banjima sei es dort zu Steinschlag und Beschädigungen gekommen. Was genau die Schäden ausgelöst hat, sei noch unklar.
Skandal wegen gesprengter Höhlen
Im Juni hatte BHP in einer Erklärung versichert, dass es keine heiligen Stätten ohne ausführliche Konsultationen der Banjima stören werde. Das Unternehmen habe großen Respekt für das indigene Volk und ihr Erbe, hieß es.
Im vergangenen Jahr hatte die Sprengung zweier heiliger Stätten der australischen Ureinwohner durch den Bergbaukonzern Rio Tinto für weltweite Kritik gesorgt. Der Unternehmenschef und zwei weitere Topmanager waren später zurückgetreten. In der ebenfalls in der Region Pilbara liegenden Juukan-Schlucht hatte der Konzern Höhlen gesprengt, in denen ein Archäologe 2014 wichtige Artefakte gefunden hatte. Das Alter der beiden Stätten war auf maximal 48.000 Jahre geschätzt worden.