Auszeichnung Drei US-Forscher teilen sich Physik-Nobelpreis

Der diesjährige Physik-Nobelpreis geht an die US-Wissenschaftler David Gross, David Politzer und Frank Wilczek. Sie erhalten die Auszeichnung für bedeutende Entdeckungen aus der Welt der Quarks, wie die Königlich-Schwedische Akademie in Stockholm mitteilte.

Die Wissenschaftler erhielten die mit 1,1 Millionen Euro dotierte Auszeichnung für ihre Forschung auf dem Gebiet der Quarks, den elementaren Bausteinen der Materie. Ihre 1973 veröffentlichten Entdeckungen legten den Grundstein für die Theorie der Quantenchromodynamik (QCD). Dadurch sei die Physik dem Traum näher gekommen, eine alles umfassende Weltformel zu entwickeln, teilte die Akademie mit. Gross arbeitet an der University of California in Santa Barbara, Politzer am California Institute of Technology und Wilczek am Massachusetts Institute of Technology.

Das Trio erforschte insbesondere die so genannte Starke Wechselwirkung, eine der vier Grundkräfte der Physik. Sie ist unter anderem für den Zusammenhalt der Quarks und aller daraus zusammengesetzten Teilchen im Atomkern verantwortlich und wird deshalb auch als Kernkraft bezeichnet. Die drei weiteren Naturkräfte sind die Schwerkraft (Gravitation), die Elektromagnetische Kraft, auf die unter anderem Magnetismus, Licht und chemische Reaktionen zurückgehen, und die Schwache Kraft, die für eine Art des radioaktiven Zerfalls verantwortlich ist.

Hoffen auf die Weltformel

Mit ihrer Arbeit haben die drei Forscher die Vervollständigung des Standardmodells der Teilchenphysik ermöglicht, hieß es in der Stellungnahme der Akademie. Das Standardmodell beschreibt, wie sich die kleinsten Teile untereinander verhalten und könnte - so hoffen Wissenschaftler - eines Tages zu einer "Weltformel" führen, die alle Kräfte in der Natur beschreibt. Bisher stehen die Quantenmechanik, welche die Welt des Allerkleinsten beschreibt, und Albert Einsteins Relativitätstheorie in Konkurrenz zueinander - und konnten bisher nicht in Einklang gebracht werden.

Die Bedeutung von Fortschritten in der Teilchenphysik ist für Nicht-Physiker manchmal nur schwer nachzuvollziehen, räumte die Akademie ein. Allerdings werde schon die Bewegung einer Münze, die sich auf einer Tischplatte dreht, von den fundamentalen Kräften zwischen ihren Bausteinen bestimmt - den Protonen, Neutronen und Elektronen. "Tatsächlich entstehen rund 80 Prozent des Gewichts der Münze durch Bewegungen und Abläufe im Innern der Protonen und Neutronen, also durch die Wechselwirkung zwischen Quarks."

Gross, Politzer und Wilczek entdeckten, dass sich Quarks nur auf extrem hohem Energieniveau wie nahezu freie Partikel verhalten können. Ansonsten kommen sie in Zweier- oder Dreiergruppen vor, als Mesonen und Baryonen. Sie werden von der Starken Wechselwirkung zusammengehalten, die einem Gummiband vergleichbar ist: Entfernen sich die Quarks voneinander, nimmt die Kernkraft zu. Liegen sie dagegen unmittelbar beieinander, verhalten sich die Quarks fast wie freie Partikel - ein Phänomen, das auch als "asymptotische Freiheit" bezeichnet wird. Die Theorie wurde in den vergangenen Jahren eingehend getestet, unter anderem am Europäischen Labor für Teilchenphysik in Genf (Cern).

"Das ist eine wichtige Entdeckung, die absolut nobelpreiswürdig ist", sagte Robert Klanner, Forschungsdirektor des Deutschen Elektronen-Synchrotrons (Desy) in Hamburg. "Die Wahl überrascht mich nicht. Das ist so gut überprüft, dass sie mich auch zu einem früheren Zeitpunkt nicht überrascht hätte."

"Die Natur ist der oberste Richter"

Frank Wilczek äußerte in einer ersten Stellungnahme Erleichterung darüber, nach mehr als drei Jahrzehnten des Wartens nun endlich den Nobelpreis bekommen zu haben. "Persönlich ist das sehr befriedigend", sagte der Wissenschaftler. "Aber es ist auch wundervoll für unser Forschungsfeld, die theoretische Physik."

David Gross sagte, er habe die Auszeichnung "in gewisser Weise erwartet". "Über die Jahre mit immer besseren Ergebnissen von Experimenten wurde klar, dass unsere Theorie richtig ist. Die Natur ist der oberste Richter." Zur Verleihung des vierten Nobelpreises in kurzer Zeit für einen Forscher der of University of California in Santa Barbara meinte Gross: "Dies hier ist nun mal ein Mekka für Physiker überall auf der Welt."

Für manchen Beobachter kam die Wahl des Nobel-Komittees überraschend. Als aussichtsreiche Anwärter auf den Preis waren zuvor die US-Astronomin Vera Cooper Rubin und die amerikanische Physikerin Mildred Dresselhaus gehandelt worden. Rubin gelang mit der Entdeckung der Dunklen Materie einer der wichtigsten Beiträge zur Astronomie der vergangenen Jahre. Dresselhaus hat gezeigt, dass Kohlenstoff-Nanoröhren kommerziell gewinnbringend genutzt werden können.

Als weitere mögliche Preisträger galten der Niederländer Cees Decker und der Grieche Phaedon Avouris für ihre elektronischen Schaltkreise aus Kohlenstoff-Nanoröhren.

Der Physik-Nobelpreis des vergangenen Jahres ging an die drei Forscher Alexej Abrikosow (USA/Russland), Vitali Ginzburg (Russland) und Anthony Leggett (USA/Großbritannien) für ihre Arbeiten zur verlustfreien Leitung von Strom.

Der Empfänger des Preises für Chemie wird am morgigen Mittwoch bekannt gegeben, danach folgen der Literatur- und der Friedensnobelpreis. Ferner wird der Träger des erst später gestifteten Wirtschaftsnobelpreises bestimmt; diese Auszeichnung wurde 1968 von der Schwedischen Reichsbank im Einvernehmen mit der Nobel-Stiftung geschaffen. Die Preisverleihung erfolgt alljährlich am 10. Dezember, dem Todestag des Stifters Alfred Nobel.

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