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Awá in Brasilien: Jäger werden zu Gejagten

Awá-Stamm in Brasilien Verdrängt, bedroht, ermordet

Wenn Rinderzüchter, Holzfäller und Goldsucher in den Regenwald ziehen, sind die Ureinwohner die Leidtragenden. Für die Awá in Brasilien ist die Lage besonders dramatisch: Menschenrechtler berichten von Mordanschlägen, den Kampf um ihr Land werden sie wohl verlieren.

Eigentlich gehört ihnen ein großes Stück Land in bester Lage: brasilianischer Regenwald mit all dem Reichtum, den die unberührte Wildnis Jägern und Sammlern zu bieten hat. Doch die Awá im Nordosten Brasiliens haben offenbar nichts davon, dass ihnen das knapp 1200 Quadratkilometer große Gebiet vor mehreren Jahren zugesprochen wurde. Die Organisation Survival International warnt, dass der Stamm massiv bedroht ist. Als Teil ihrer Kampagne  macht auch Schauspieler Colin Firth ("The King's Speech") auf das Schicksal der Awá aufmerksam.

Fiona Watson, Forschungsleiterin von Survival International, hatte seit den neunziger Jahren immer wieder Kontakt mit den Awá. Sie schildert die Situation des indigenen Volks in drastischen Worten. "Sie sind eingekreist", sagt sie. Gut 30 Prozent des Waldes in ihrem Gebiet seien bereits abgeholzt. Satellitenbilder dokumentierten das.

Holzfäller und Rinderzüchter würden das Land mit Waffengewalt in Besitz nehmen. Immer wieder komme es zu Morden an den Awá. Es sei ein Genozid, der dort passiere, sagt Watson. Nach Angaben von Survival International leben rund 350 Awá auf dem Gebiet, dazu kommen 60 bis 100, die bisher keinerlei Kontakt zur Zivilisation aufgenommen haben. Sie ziehen als nomadische Jäger und Sammler durch den Wald.

"In Südamerika gibt es das grundsätzliche Problem der Landnahme", erklärt Jochen Schulz vom Institut für Ethnologie der Universität Leipzig. "Wenn Holzfirmen, Rinderzüchter, Goldsucher und illegale Siedler Land gegen geltendes Recht für sich in Besitz genommen haben, hat es in Brasilien immer wieder Massaker gegeben - nicht nur an Indigenen, sondern auch an Bauern."

Bodenschätze locken

Die Regierungen Südamerikas hätten zwar den Schutz der Territorien der indigenen Bevölkerung in ihren Verfassungen verankert. "Aber ob das vor Ort auch durchgesetzt wird, ist eine andere Frage", sagt Schulz. Gerade wenn es Bodenschätze gebe, wie etwa Öl oder Erze, seien meist auch die Regierungen an einer Ausbeutung der Vorkommen interessiert - es locken hohe Einnahmen.

Schulz weist darauf hin, dass Gebiete wie das der Awá nicht allein für die Indigenen eingerichtet werden. So ist ihr Territorium deutlich größer als Berlin - was für einige hundert Menschen recht viel erscheinen mag. "Im Prinzip ist es aber ein Naturschutzgebiet, auf dem die Indigenen quasi geduldet werden." Weiterentwickeln könnten sie sich dort jedoch nur schwer. "Sobald sie sich verändern und statt des traditionellen Lendenschurzes Jeans tragen und per MP3-Player Musik hören, gibt es Proteste gegen ihre Sonderrechte, weil sie keine 'echten Indianer' mehr seien."

Die Awá stehen indes vor einem viel dringlicheren Problem, warnt Survival International. Zweimal hätten Richter bereits angeordnet, dass alle Siedler das Territorium der Awá verlassen müssen. Doch das erste Urteil - es stammt von 2009 - wurde kurz darauf wieder aufgehoben. Das zweite stammt von Ende 2011 und räumte eine Jahresfrist fürs Verlassen des Gebietes ein. Doch auch dieser Richterspruch könnte wieder kassiert werden, meint Watson. Oder der Fall würde von einer Instanz in die nächste wandern, was Jahre in Anspruch nehmen könnte. "Den Awá", sagt Watson, "bleibt nicht mehr so viel Zeit."

wbr

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