Ernährung Was Fleischverzicht für den Klimaschutz bringt

Der Weltklimarat fordert eine Kehrtwende beim Fleischkonsum, Politiker in Deutschland debattieren über eine höhere Fleischsteuer. Welchen Effekt hätte der Verzicht auf Burger und Steaks?
Tote Schweine in einem Schlachthaus: Laut dem Klimarechner des Umweltbundesamts ist jeder Bürger im Schnitt für 11,61 Tonnen CO₂ im Jahr verantwortlich

Tote Schweine in einem Schlachthaus: Laut dem Klimarechner des Umweltbundesamts ist jeder Bürger im Schnitt für 11,61 Tonnen CO₂ im Jahr verantwortlich

Foto: Darko Novakovic/ iStockphoto/ Getty Images

Wer Fleisch isst, belastet das Klima. So viel steht fest. Eine Forderung des Präsidenten des Deutschen Tierschutzbundes und der neue Sonderbericht des Weltklimarats haben die Debatte über Ernährung und die Auswirkungen auf das Klima jetzt neu belebt.

Thomas Schröder vom Tierschutzbund hat zuletzt vorgeschlagen, eine Fleischsteuer einzuführen, drei Tage später verwies der Weltklimarat erneut auf den Beitrag der Fleischproduktion zum globalen Temperaturanstieg. Politiker diskutieren nun darüber, die Mehrwertsteuer für Fleisch von 7 auf 19 Prozent zu erhöhen.

Die zusätzlichen Einnahmen sollen an Landwirte fließen, die ihre Ställe artgerecht umbauen. Parallel ließen sich CO₂-Emissionen senken, wenn insgesamt weniger Fleisch gegessen und produziert wird, so die Hoffnung. Ob der Plan aufgeht, ist allerdings fraglich.

Klimakiller Rindfleisch

Den mit Abstand größten Einfluss auf den CO₂-Ausstoß durch die Viehhaltung hat Rindfleisch. Das liegt daran, dass nicht nur Treibhausgase entstehen, um Futter für die Tiere zu produzieren und Bäume gefällt werden, um Weideland zu gewinnen. Die Kühe stoßen auch selbst das klimaschädliche Gas Methan aus.

Jedes Kilo Rindfleisch, das in Deutschland verkauft wird, erzeugt laut dem Klimarechner  des Instituts für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (Ifeu) im Schnitt ein Äquivalent von gut zwölf Kilogramm CO₂. Zum Vergleich: Wird ein Kilogramm Schweinefleisch erzeugt, entstehen ungefähr vier Kilogramm CO₂ - also gerade mal ein Drittel. Geflügel liegt in einem ähnlichen Bereich. Bei der Produktion von einem Kilo Kartoffeln entstehen dagegen nur 0,4 KilogrammCO₂-Emissionen.

Jeder Deutsche isst im Jahr ungefähr 60 Kilogramm Fleisch (siehe Grafik oben). Meist kommen die klimafreundlicheren Fleischsorten auf den Teller. Knapp zwei Drittel stammt vom Schwein, knapp ein Viertel ist Geflügel, 16 Prozent entfallen auf Rindfleisch (siehe Grafik unten).

So hat die Ernährung insgesamt nur einen kleinen Anteil am CO₂-Ausstoß, ist zugleich aber ein Bereich, in dem jeder etwas zur Verbesserung beitragen kann. Laut dem Klimarechner des Umweltbundesamts  ist jeder Bürger im Schnitt für 11,61 Tonnen CO₂ im Jahr verantwortlich, 1,74 Tonnen davon entfallen auf die Ernährung.

Reduziert ein Durchschnittsdeutscher seinen Fleischkonsum um ungefähr ein Viertel, spart er 0,1 Tonnen CO₂ ein, bei vollständig vegetarischer Ernährung spart er 0,45 Tonnen. Das entspricht einem Viertel des durch die Ernährung entstehenden CO₂.

37 Millionen Tonnen CO₂-Ersparnis durch vegetarische Ernährung

Rechnet man die Werte auf die Gesamtbevölkerung hoch, könnte sich der jährliche CO₂-Ausstoß in Deutschland durch reduzierten Fleischkonsum von allen Bürgern um 8,3 Millionen Tonnen verringern, würden alle auf vegetarische Ernährung umstellen, würde er um ungefähr 37 Millionen Tonnen sinken.

Zur Einordnung: Inlandsflüge waren 2018 für zwei Millionen Tonnen CO₂-Äquivalent verantwortlich. Insgesamt hat Deutschland in dem Jahr 866 Millionen Tonnen CO₂ ausgestoßen – würde die Bevölkerung weniger Fleisch essen, ließen sich immerhin knapp ein Prozent davon einsparen, wären alle Vegetarier, wären es ungefähr vier Prozent. Die Rechnung geht allerdings nur auf, wenn wirklich alle ihre Ernährung umstellen.

Die Kompensationsagentur atmosfair hat berechnet, dass jeder Bewohner der Erde im Jahr nur noch 2,3 Tonnen CO₂-Äquivalente verursachen darf, wenn die Erderwärmung auf zwei Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit begrenzt werden soll. Wie die genannten Zahlen zeigen, wird dieses Budget in Deutschland derzeit fast vollständig durch die CO₂-intensive, fleischlastige Ernährung ausgeschöpft.

Fest steht aber auch: Wenn Deutschland seine Klimaziele erreichen will, braucht es neben einem klimagerechten Speiseplan vor allem politische Lösungen, die die Verkehrswende vorantreiben, den CO₂-Ausstoß bei der Produktion von Konsumgütern verringern und die Energiewende beschleunigen.

Allerdings sind strikte Klimavorgaben in der Bevölkerung oft unpopulär. Das lässt sich auch jetzt an den Reaktionen beobachten. Dabei gibt es im aktuellen Fall einen guten Grund, eine höhere Mehrwertsteuer abzulehnen – allerdings weniger aufgrund der Klimaeffekte, sondern wegen der Auswirkungen auf das Tierwohl.

Denn ganz abgesehen von der Frage, ob das zusätzliche Geld tatsächlich bei den Tieren ankommen würde, eignet sich die Maßnahme grundsätzlich nicht, um Menschen zu moderatem Fleischkonsum zu motivieren. Stattdessen wird über den Preis der Anreiz geschaffen, dass mehr Menschen wieder zu billigerem Fleisch greifen. Der Grund dafür ist die vom Gesamtpreis abhängige, prozentuale Steigerung der Kosten.

Ein Beispiel: Wer sein Fleisch bisher beim Discounter günstig für fünf Euro kauft, müsste mit 19 Prozent Mehrwertsteuer künftig 56 Cent mehr ausgeben. Ein Bürger der für die gleiche Fleischmenge auf dem Biowochenmarkt zehn Euro zahlt, käme auf 1,12 Euro mehr. Absolut gesehen am meisten würde eine Steuererhöhung also diejenigen treffen, die jetzt schon bereit sind, mehr für Fleisch aus guter Haltung auszugeben – zumindest wenn man den Plan für mehr Tierwohl und Klimaschutz über eine Erhöhung der Mehrwertsteuer umsetzen will.

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