Christian Stöcker

Gates, Musk, Bezos Die Milliardäre werden uns nicht retten

Christian Stöcker
Eine Kolumne von Christian Stöcker
Drei der reichsten Männer der Welt haben Visionen für die Zukunft der ganzen Menschheit – das Sonnensystem besiedeln, die Klimakrise besiegen. Doch alle drei haben das gleiche Problem.
Elon Musk bei einer Preisverleihung in Berlin, Dezember 2020

Elon Musk bei einer Preisverleihung in Berlin, Dezember 2020

Foto: Hannibal Hanschke / Getty Images

»Lucas Corta hatte früh begriffen, dass er in der Hölle lebte. Und dass die einzige Methode, die Hölle zu verändern, darin auch nur zu überleben, darin bestand, zu ihrem Herrscher zu werden.«

Ian McDonald, »Luna – New Moon« (2015)

»Wenn wir uns überlegen, was wir jetzt tun sollten, dürfen wir eines nicht vergessen: Die Vorstellung, dass wir anderswo hingehen können, wenn wir die Erde ruiniert haben, ist schlicht falsch.«

Der Science-Fiction-Autor Kim Stanley Robinson in einem Essay  (2015)

Science Fiction über die Besiedelung des Sonnensystems ist im Moment enorm populär. In der »Expanse«-Reihe, auch als TV-Serie erfolgreich, sind Mond, Mars und zahlreiche Asteroiden dauerhaft bewohnt. In der »Luna«-Trilogie von Ian McDonald, aus der das Eingangszitat stammt, geht es um fünf Dynastien, die mit der Ausbeutung des Mondes superreich geworden sind. Vom ebenfalls oben zitierten Kim Stanley Robinson stammt eine preisgekrönte Mars-Trilogie, von Daniel Suarez ein Buch über Asteroidenbergbau (»Delta V«). Die Liste ließe sich fortsetzen.

Das Leben da draußen ist entsetzlich

Die meisten dieser neuen, meist um einen gewissen physikalischen Realismus bemühten Werke haben etwas gemeinsam: Das Leben jenseits der Erde ist darin im Grunde entsetzlich. Menschen, die lange im All gelebt haben oder gar dort geboren sind, können nicht oder nur unter Qualen auf die Erde reisen. Ihre schwächlichen, langgezogenen Körper sind der Schwerkraft nicht gewachsen. Der Tod lauert überall, denn außerhalb der dünnen menschengemachten Schutzhüllen ist nur Staub, Vakuum, tödliche Kälte oder mörderische Hitze. Das ist wirklich so: Wir sind für das Leben auf der Erde optimiert, für sonst nichts.

Rover »Perseverance« auf dem Mars

Rover »Perseverance« auf dem Mars

Foto: Nasa / dpa

Wer wissen will, wie es wäre, auf dem Mars zu leben, der sollte mal ein paar Tage in einem felsigen Nationalpark im amerikanischen Westen zelten, und sein Zelt nur mit einem Trockentauchanzug samt Helm und Atemgerät verlassen. Bei Elon Musk, der seinen eigenen Worten zufolge gerne auf dem Mars sterben möchte (»Aber nicht schon beim Aufprall« ), frage ich mich schon länger, warum er nicht mal ein paar Monate lang in eine beliebige Steinwüste hier auf der Erde zieht. Da könnte er wenigstens noch atmen.

Besessen von den düsteren Visionen

Und doch ist nicht nur Musk, sondern auch sein Co-Milliardär Jeff Bezos geradezu besessen davon, die doch eher düsteren Visionen der zitierten Autoren persönlich nachzuerleben. Bezos möchte tonnenförmige Weltraum-Habitate bauen, in denen bis zu einer Million Menschen leben können sollen. Die riesigen Zylinder, benannt nach dem Physiker Gerard O'Neill, bei dem Bezos früher einmal studiert hat, würden »wunderschön«, glaubt der Amazon-Gründer, »die Leute werden dort leben wollen«.

Für Bezos ist das Ganze sogar noch mit einer ideologischen Überzeugung verknüpft: »Wollen wir Stillstand und Rationierung, oder wollen wir Dynamik und Wachstum?«, fragte er bei der Vorstellung der Pläne im Jahr 2019 rhetorisch und war sich sicher, das sei eine »einfache Entscheidung«. Man könne das Sonnensystem »mit einer Billion Menschen«  besiedeln. Tatsächlich wird die Weltbevölkerung womöglich schon etwa im Jahr 2064, beim Stand von knapp unter 10 Milliarden, wieder zu schrumpfen beginnen. Zum Glück.

Die alten Geschichten passen nicht mehr

Elon Musk kann man kaum vorwerfen, dass er die Erde schon aufgegeben habe, immerhin sind etwa Tesla, die Batteriefabriken und der von ihm ausgelobte Preis für Technologie zur CO₂-Speicherung durchaus konkrete Schritte zu einer dekarbonisierten Welt. Aber auch Musk argumentiert stets, dass man den Mars besiedeln könne, um Ausweichmöglichkeiten zu schaffen.

Wir sehen hier Beispiele für ein Grundproblem der Menschheit: Die alten Geschichten passen nicht zu den neuen Problemen, aber wir können nicht von ihnen lassen. Heldentum ist, im Mythos und der historischen Erzählung, oft verknüpft mit Eroberung, Erkundung und Entdeckung, mit neuen Territorien. Es gibt bei uns aber keine neuen Territorien mehr.

Noah baut keine Dämme

Helden erobern, sie verteidigen eher selten und wenn, dann gegen einen äußeren, übermächtigen Feind, nicht gegen die eigene Unzulänglichkeit. Wenn Helden etwas retten, dann andere Menschen, Schätze oder Kunstwerke. Fällt Ihnen spontan eine berühmte Erzählung aus der Literaturgeschichte ein, in der die Heldin oder der Held ein Ökosystem vor der Vernichtung durch den Menschen bewahrt?

Noah baut keine Dämme, sondern eine Arche. Der heroische Akt besteht in der Rettung einiger weniger, nicht in der Abwendung der Katastrophe für alle.

Katastrophale Vernichtungsereignisse gehen in Mythos und Religion in der Regel von Göttern aus, die Menschen sind hilflos ausgeliefert. Wir dagegen haben hier drüben in der Realität eine Situation geschaffen, die in unseren Geschichten nicht vorkommt: Wir selbst sind die Verursacher der Katastrophe. Die vorbildhafte Erzählung, in der wir uns selbst überwinden, nicht um zu erobern, sondern um zu bewahren, fehlt. There is no glory in prevention .

Sind sie nicht jetzt schon Eroberer?

Kein Wunder, dass gerade superreiche Männer gern dem alten Pioniermythos folgen: Woher sollten sie ihre Visionen beziehen, wenn nicht aus den alten Geschichten? Und sind sie nicht selbst Eroberer, schon jetzt?

Der dritte amerikanische Milliardär, der derzeit an der Gestaltung der Zukunft arbeitet, hat einen anderen, besonneneren Ansatz: Bill Gates' schon jetzt sensationell erfolgreiches Buch heißt sogar »Wie wir die Klimakatastrophe verhindern«. Die Flucht zum Mars ist darin nicht vorgesehen.

Aber auch Gates kann nicht aus seiner Unternehmerhaut: Ein wesentlicher Bestandteil seines großen Plans zur Dekarbonisierung der Welt sind Tausende kleiner Nuklearreaktoren. Zufällig hat er ein Unternehmen mitgegründet, das solche Reaktoren entwirft (gebaut hat die Firma noch keinen). Dass diese Art von Reaktor ganz eigene Probleme mit sich bringt, kommt im Buch nicht vor .

Aus dem System heraus das System retten?

Es ist absurd, dem Mann, der jährlich Milliarden verschenkt, vorzuwerfen, er wolle sich an der Rettung der Menschheit bereichern. Aber es ist auch offensichtlich, dass Gates die Antwort auf die Frage, wie die Katastrophe zu verhindern sei, in seiner eigenen Biografie versteckt vermutet. Tatsächlich verweist er mehrmals im Buch auf Parallelen zu etwas, das »wir bei Microsoft gemacht haben«.

Weder Gates noch Musk oder Bezos kommt in den Sinn, dass die globalen Wirtschaftsstrukturen, die sie selbst so reich gemacht haben, dass sie jetzt Pläne für die Zukunft der Menschheit schmieden können, Teil des Problems sein könnten. Am Dogma des fortgesetzten exponentiellen Wachstums, auch in den Industrienationen, in denen doch auch heute längst niemand mehr hungern, frieren, Schmerz leiden oder sich langweilen müsste, wird nicht gerüttelt.

Nur, weil jemand im System des globalen Konsumkapitalismus extrem reich geworden ist, heißt das nicht, dass er qualifiziert wäre, Lösungen für die gewaltigen Probleme zu entwickeln, die dieses System erzeugt. Die Milliardäre werden uns nicht retten.

Eins aber können sie erreichen. Indem sie lautstark über diese Themen sprechen, helfen sie dabei, dass sich die globale Konversation unserem wichtigsten Problem zuwendet: Wir haben nur diesen einen Planeten. Das All ist keine Zuflucht.

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