Blauzungenkrankheit Bayerns Behörden schicken Impfgegner hinter Gitter
Werner Reinl, 33, ist ein gemütlicher Mensch. Zufrieden mit seinem Beruf, kein Rebell oder Quertreiber. Er hat einen wunderschönen Hof in der Oberpfalz, Frau und kleine Kinder und 110 Stück Vieh im Stall. Und die bringen ihn nun ins Gefängnis. Sieben Tage muss Reinl in der JVA Weiden einsitzen, so lautet ein Beschluss des Weidener Amtsgerichts. Reinl legte dagegen Beschwerde ein, vergebens.
Nur wann die Polizei den Bauern von seinem Hof abholen wird, ist noch ungewiss. Zwei Wochen war ein zuständiger Staatsanwalt im Urlaub, in den nächsten Tagen könnte er den Vollzug anordnen. Denn Reinl hat sich der Bundesregierung widersetzt, dem bayerischen Verbraucherschutzministerium und seinem Landratsamt. Er weigert sich, wie Hunderte seiner Kollegen, im ganzen Bundesgebiet seit mehr als einem Jahr, seine Rinder gegen das Virus BTV 8, Auslöser der sogenannten Blauzungenkrankheit, impfen zu lassen.
Doch die Impfung ist Pflicht. Die Behörden betonen, dass sich das 2006 nach Deutschland eingeschleppte Virus, das nicht auf Menschen übertragbar ist, sonst seuchenartig in den Ställen ausbreiten würde. Im Frühjahr 2008 begann die von oben verordnete Grundimmunisierung bei den meisten Rindern, Schafen und Ziegen. Und die hatte zwei Folgen: Die Neuinfektionen gingen zurück, und Hunderte Tiere gingen jämmerlich zugrunde oder gebaren toten Nachwuchs. Kälber schwitzen Blut, starben an Durchfall, Kühe bekamen faustgroße Geschwüre, Ekzeme und eitrigen Ausfluss. Im Stall der Familie Rauch nahe Amberg starben nach der Impfung 15 Kälber.
Rebellion auf den Bauernhöfen
Nicht allein Biohof-Betreiber, auch konventionelle Landwirte kamen rasch zu dem Schluss, dass die Impfstoffe ihre Tiere sterbenskrank machen. Zu deutlich erschien ihnen in vielen Fällen der zeitliche Zusammenhang. Seit sich herumsprach, dass die verwendeten Präparate noch gar nicht auf dem Markt zugelassen waren, tobte eine wahre Rebellion durch die ohnehin von Milchpreis und Gentechnik bedrohten Bauernhöfe. Denn die toten Tiere werden ihnen nicht ersetzt.
Viele Bauern verweigerten die Auffrischungsimpfung, die von Anfang März bis zum 19. Juni stattfinden soll, auch wenn seit wenigen Wochen ein Impfstoff zugelassen ist. Andere fingen erst gar nicht damit an. Dass Veterinärämter und Tierärzte beschwichtigten, die Impfung könne nicht verantwortlich sein für das Sterben in den Ställen, beruhigte niemanden. Letztlich haben die Bauern sogar Angst, die Präparate könnten Milch und Fleisch verseuchen und am Ende für den Menschen zur Gefahr werden.
Die Behörden sandten stapelweise Bußgeldbescheide auf die Höfe. Bauern zahlten nicht, die Gelder summierten sich in manchen Fällen auf mehrere tausend Euro. Konten wurden von Amts wegen gesperrt oder gepfändet, und Bayerns Ämter griffen sogar zum Äußersten: zur Erzwingungshaft. Die Mehrheit der bayerischen Landräte hatte sich darauf geeinigt, in Sachen Zwangsimpfung nun radikal durchzugreifen. Zwar seien sie nicht an der Verordnung schuld, hieß es, die komme schließlich aus Berlin. Aber Vorschrift sei Vorschrift. Der Vollzug müsse erfolgen.
Bauern wollen Reinl unterstützen
Werner Reinl soll nun der erste sein, der für seine Tiere hinter Gitter geht. Dutzenden seiner Kollegen wurde das Gleiche angedroht. 528 Euro Bußgeld schuldet Reinl dem Staat. Er will nicht zahlen und nicht impfen. Die Bauern aus der Oberpfalz hat Reinl auf seiner Seite. Wenn die Polizei auf seinem Hof anrückt, wollen sie alle bereitstehen und ein medienwirksames Spektakel veranstalten. Solche Bilder kann die CSU kurz vor der Bundestagswahl kaum gebrauchen. Einer wie Reinl könnte zum Helden der gesamten zornigen Bauernschaft aufsteigen.
Bayerns Umweltminister Markus Söder schiebt die Verantwortung vorsorglich ab. "Der Vollzug obliegt den Kreisverwaltungsbehörden", ließ Söder ausrichten. Er denke jedoch, dass das abgestimmte Vorgehen der Landräte der richtige Weg sei.
Der SPD-Landtagsabgeordnete Horst Arnold will sich nun für die Bauern in der Oberpfalz einsetzen. Er riet zu einer Petition und einem Gandengesuch im Fall Reinl. Den Behörden warf Arnold "eine deutliche Absetzbewegung von der Realität" vor.