Brasilien Gigantische Brände töteten Millionen Wirbeltiere

Gegen Feuer haben viele Lebewesen keine Chance. Nach den verheerenden Bränden im brasilianischen Pantanal 2020 ziehen Fachleute eine erschreckende Bilanz – und die ist wahrscheinlich noch untertrieben.
Reste eines verbrannten Tukans

Reste eines verbrannten Tukans

Foto: Lawrence Wahba / dpa

Im vergangenen Jahr ging ein Foto um die Welt, das viele Menschen berührte. Darauf war ein erschöpfter Jaguar zu sehen, dessen Pfoten mit weißen Verbänden versorgt waren. Tierschützer hatten die Großkatze aufgelesen und sich in einer Unterkunft um das Tier gekümmert. An den Unterseiten der Pfoten klafften offene Wunden.

Der Jaguar, von den Mitarbeitern der Hilfsorganisation »Ousado« genannt, wäre vermutlich umgekommen, wenn er nicht aus freier Wildbahn gerettet worden wäre. Der Grund lag in außergewöhnlich heftigen Bränden in seinem Lebensraum, dem Pantanal in Brasilien. Dabei handelt es sich um eines der größten Binnenfeuchtgebiete der Welt, ungefähr halb so groß wie Deutschland.

Im vergangenen Jahr vernichteten im Pantanal Feuer riesige Flächen. Die Region ist für ihre immense Artenvielfalt bekannt. Nirgendwo auf der Welt leben mehr Jaguare, und dort kommen allein mehr als 580 Vogelarten vor – mehr als in ganz Europa. Zudem ist die Gegend Heimat von mindestens 174 Säuger-, 131 Reptilien-, 269 Fisch-, 57 Amphibien- und mehr als 2000 Pflanzenarten.

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Mindestens 17 Millionen Wirbeltiere

Eine Studie zeigt nun, wie viele Millionen Tiere bei den Feuern umkamen. Schätzungen eines Teams um Walfrido Moraes Tomas belaufen sich auf mindestens 17 Millionen Wirbeltiere, die unmittelbar infolge der verheerenden Brände starben. Darunter waren vor allem Schlangen, kleine Nagetiere und Vögel, aber auch größere Tiere wie Beutel-, Gürtel- oder Huftiere.

Das berichten die Experten im Fachmagazin »Scientific Reports« , nachdem sie auf der verbrannten Fläche die Kadaver gezählt haben. Die tatsächliche Zahl der getöteten Tiere sei vermutlich erheblich größer, weil etwa unterirdisch lebende Arten oder komplett verbrannte oder unter Asche verborgene Tiere nicht aufgefunden werden können.

Für die Studie suchten die Fachleute in den betroffenen Regionen entlang von 126 Pfaden bis zu 48 Stunden nach einem Brand nach Kadavern. Dann bestimmten sie Art oder Gattung und rechneten die Kadaver auf die Fläche hoch. Es ergab sich eine Zahl von 16 Millionen verbrannten kleinen Wirbeltieren mit einem Gewicht von unter zwei Kilogramm. Hinzu kommen knapp eine Million mittlerer bis großer Wirbeltiere, wie Kaimane, Ameisenbären, Primaten oder Huftiere.

Luftaufnahme im Pantanal

Luftaufnahme im Pantanal

Foto: CENAP-ICMBio

»Der Verlust von 17 Millionen Tieren im brasilianischen Pantanal ist eine Tragödie, die der Weltgemeinschaft den Atem rauben sollte«, sagt Fernando Tortato, einer der beteiligten Forscher. »Angesichts der Wahrscheinlichkeit, dass die Häufigkeit und Intensität von Waldbränden nicht nur im Pantanal-Ökosystem, sondern weltweit aufgrund des Klimawandels zunehmen wird, ist es von entscheidender Bedeutung, dass wir alles in unserer Macht Stehende tun, um den Kurs umzukehren und das millionenfache Sterben der außergewöhnlichen Tierarten unseres Planeten zu verhindern.«

Viel mehr Tiere seien vermutlich nicht direkt, aber an den Folgen der Brände gestorben, etwa an ihren Verbrennungen, Nahrungsmangel oder dem Verlust ihres Lebensraumes. Einige Arten, die nach Angaben von Rettungskräften ebenfalls in den Feuern umgekommen sind, seien bei der Zählung nicht gefunden worden, etwa Pumas, Jaguare oder Flachlandtapire.

Feuer außer Kontrolle

Das Pantanal darf wirtschaftlich genutzt werden. Dort betreiben Landwirte vor allem Rinderzucht. Die Farmer brennen traditionell Waldgebiete ab, um neue Weideflächen zu schaffen. Geraten diese Feuer außer Kontrolle, können riesige Flächenbrände entstehen.

Der Klimawandel erhöhe das Risiko von Bränden erheblich, schreibt das Team um Walfrido Moraes Tomas von Embrapa Pantanal, einer Forschungseinrichtung des Landwirtschaftsministeriums in Brasilien. Schließlich seien auch unzureichende Strategien zur Landschaftspflege ein treibender Faktor für die zunehmende Häufigkeit und Intensität katastrophaler Brände.

Im September 2020 hatten Feuer Flächen von der doppelten Größe Kaliforniens vernichtet

Im September 2020 hatten Feuer Flächen von der doppelten Größe Kaliforniens vernichtet

Foto: Fernando Tortato / Panthera / dpa

Um die Artenvielfalt im Pantanal vor allem im Hinblick auf das in Zukunft eher steigende Risiko von Bränden zu schützen, müssten wirksame Strategien zur Brandvermeidung entwickelt und umgesetzt werden. Mato Grosso und Mato Grosso do Sul – die beiden brasilianischen Bundesstaaten, in denen das Pantanal liegt – hätten entsprechende Vorgaben zur Nutzung von Feuern bereits beschlossen oder arbeiteten daran.

Vor allem die Zunahme extremer Dürren werde mit einer wachsenden Häufigkeit von Waldbränden auch in anderen Regionen der Erde in Verbindung gebracht. Für das Pantanal rechnen Fachleute im Zuge des Klimawandels mit einer Abnahme der Regenfälle, mit höheren Temperaturen und mehr Extremwetterereignissen. Im Jahr 2020 seien dort zwischen Januar und November mehr als 39.000 Quadratkilometer von Bränden betroffen gewesen. Schon im Vorjahr waren es mehr als 16.000 Quadratkilometer, die verbrannten.

Zwar sind Brände in einem gewissen Umfang normal und haben für die Urwälder auch eine wichtige, erneuernde Funktion. Aber die Daten zeigten, dass selbst in Feuchtgebieten die Folgen von zu großen Feuern für die Ökosysteme verheerend sein können, schreiben die Fachleute.

joe/dpa
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