
Braunkohle in Deutschland Bestandsgarantie für Zombies

Tagebau Garzweiler, Nordrhein-Westfalen: Sind ja noch Reste da
Foto: Martin Leissl/ Bloomberg/ Getty ImagesDie Leber ist hin, oder zumindest fast. Wenn Du nicht aufhörst zu saufen, sagen die Ärzte, dann ist es bald vorbei mit Dir. Okay, sagt der Alkoholiker. Ich höre auf. Wirklich! Ich höre auf, und zwar sofort. Die Kinder des Alkoholikers begrüßen das, sind aber aus Erfahrung argwöhnisch. Sie räumen gleich mal die Bar in der Wohnzimmerschrankwand aus. Muss alles weg.
Abends, als die Kinder weg sind, geht der geläuterte Alkoholiker in den Keller. Huch: Da stehen ja noch ein paar Reste! Drei Flaschen Wodka aus Russland, dieser Single Malt, den er mal bekommen hat, eine Flasche Grand Marnier, ein Blue Curacao, ein Absinth mit handbeschrifteter Flasche und hinter den Winterreifen eine Ganze Kiste Rotwein. Das kann man doch nicht alles wegkippen! Das wäre ja nun wirklich Verschwendung. Denkt der Alkoholiker und nimmt noch im Keller einen tiefen Schluck aus der ersten Wodkaflasche.
Quecksilber, Schwefeldioxid, Sulfat, Chlorid
In etwa so verhält sich die deutsche Bundesregierung in Bezug auf die Braunkohle. Ist doch noch so viel da! Das kann man doch nicht alles wegwerfen, respektive im Boden lassen! Auch wenn klar ist, dass man so weiterhin seine Klimaziele reißen wird.
In Deutschlands Boden lagern laut Umweltbundesamt und auch laut dem Braunkohleverband DEBRIV noch etwa 36 Milliarden Tonnen mit heutiger Technik abbaubare Braunkohle. Würde man die fördern und verbrennen, wäre mehr als ein Zehntel des CO2-Gesamtbudget s der gesamten Menschheit zur Erreichung des 1,5-Grad-Ziels auf einen Schlag aufgebraucht, legt man eine Daumen-Kalkulation des BUND zugrunde, der zufolge eine Tonne verbrannte Braunkohle eine Tonne CO2 produziert.
Die Bundesregierung hat sich selbst das Ziel gesetzt, Deutschland möge bis 2030 nicht mehr als 7,5 Milliarden Tonnen CO2 ausstoßen. Insgesamt, versteht sich, inklusive Verkehr, Industrie und so weiter. Schon dieses Ziel ist, im globalen Vergleich, unfair lax . Allein die restliche abbaubare Braunkohle in den derzeit "genehmigten und erschlossenen" Abbaugebieten reicht nach der obigen Rechnung für 3,7 Milliarden Tonnen CO2.
Braunkohle ist der dreckigste aller fossilen Energieträger, Spitzenreiter unter den CO2-Verursachern und außerdem noch ein schier unerschöpflicher Quell anderer giftiger Substanzen: Quecksilber, Schwefeldioxid, Stickoxide. Ins Grundwasser entlässt der Tagebau Sulfat und Chlorid, ins Oberflächenwasser Eisen, was die Flüsse "verockert" und, so das Umweltbundesamt, "aquatische Lebensgemeinschaften" stört.
Viele dieser Substanzen sind übrigens, anders als der sogenannte "Infraschall" , das vielbeschworene Windkraft-Nocebo , tatsächlich auch für Menschen sehr gesundheitsschädlich.
Umsatzbringer Braunkohle
Braunkohle ist für die Unternehmen, die daran verdienen, ein wunderbar stabiler und kalkulierbarer Umsatzbringer. Das liegt daran, dass RWE und LEAG, die gemeinsam einen Marktanteil von 87 Prozent haben, die Kohle nicht am Markt einkaufen müssen, sondern sie direkt vom Tagebau in ihre Kraftwerke schicken. Wie billig die selbst geförderte Braunkohle wirklich ist, werde von den Energieversorgungsunternehmen erfahrungsgemäß nicht preisgegeben, so das Umweltbundesamt.
Außerdem wird die billige Braunkohle, von der gern behauptet wird, sie sei ein "subventionsfreier" Brennstoff, vom Gesetzgeber in Wahrheit verhätschelt. Braunkohle ist von der sogenannten "Förderabgabe für Bodenschätze" freigestellt, und die Förderunternehmen sind auch weitgehend von den sogenannten "Wasserentnahmeentgelten" befreit. Sie saugen im Schnitt für etwa 17-20 Millionen Euro Wasser aus dem Kreislauf, gratis.
Die Braunkohle profitiert außerdem von, kein Witz, Ausnahmeregelungen im Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) und vom sogenannten Eigenstrom-Privileg. All das summiert sich auf Hunderte Millionen pro Jahr.
Die Umweltschäden finanziert der Steuerzahler
Das Verrückte ist: Trotz alledem wäre die Braunkohle schon längst nicht mehr profitabel, wenn die Betreiber dieser Klima- und Landschaftszerstörungsfabriken auch nur annähernd für die Umweltschäden zur Rechenschaft gezogen würden, die sie verursachen. Zur Erinnerung: Laut Umweltbundesamt erzeugt eine Tonne CO2 Klima-Folgeschäden in Höhe von 180 Euro.
Bestandsgarantie für stinkende Zombies
Mit anderen Worten: Die von der Bundesregierung geplante CO2-Steuer in Höhe von zehn Euro pro Tonne, die von ausnahmslos allen, die sich damit auskennen, als viel zu niedrig eingestuft wird, hat nicht zuletzt einen Zweck: Sie hält die deutschen Braunkohlekraftwerke, die größten Dreck- und CO2-Schleudern des Landes, am Leben. Die Tagebaue fressen unterdessen laut Umweltbundesamt im Schnitt zwei Hektar Landschaft pro Tag.
Offenbar nicht zuletzt, um den Fortbestand dieser stinkenden Zombies auch noch weiter zu sichern, torpedieren Kohlefans im Wirtschaftsministerium und im Wirtschaftsflügel der CDU jetzt außerdem den weiteren Ausbau der Windenergie in Deutschland. Wenn die nämlich wettbewerbsfähig ist, wird Braunkohle schnell zu teuer.
Und wenn ihre Strommenge reicht, ergänzt mit modernen Gaskraftwerken für die Grundlast, dann können Braunkohlekraftwerke schneller abgeschaltet werden. Das ginge aber nur dann, wenn die Stromerzeugung endlich auch nur annähernd das kosten würde, was sie wirklich an Schäden verursacht. Das sollte eigentlich gerade Wirtschaftspolitikern einleuchten. Der Bundesverband der Deutschen Industrie zum Beispiel findet die Windenergie-Pläne des Wirtschaftsministers auch "unerklärlich".
Um es auf den Punkt zu bringen: Es ist völlig klar, dass wir unsere Energieversorgung umbauen müssen, daran führt kein Weg vorbei. Teile der Union verzögern das aktiv, damit RWE und LEAG noch ein bisschen Geld ausgraben können. Dem Alkoholiker ist weiterhin jede Ausrede recht, um noch einmal in den Keller zu steigen. Sind ja noch Reste da.
Anmerkung der Redaktion: In einer ersten Fassung dieses Textes hieß es, dass in Deutschlands Boden noch rund 36 Milliarden Tonnen abbaubare Steinkohle lagern würden - tatsächlich handelt es sich um Braunkohle. Außerdem enthielt der Text eine fehlerhafte Berechnung über das Verhältnis dieser deutschen Braunkohle-Gesamtreserven und des 1,5-Grad-CO2-Budgets. Die Passagen wurden korrigiert.