Chemie Nobelpreis für den zellulären Todeskuss
Ciechanover, Hershko und Rose "schwammen gegen den Strom" und erforschten in den achtziger Jahren den Abbau von Eiweißen im menschlichen Körper, teilte die Schwedische Akademie der Wissenschaften in Stockholm mit. Dabei entdeckten die Wissenschaftler einen der wichtigsten zyklischen Prozesse im Innern von Zellen: den gezielten Abbau von Proteinen, auch Proteolyse genannt.
Eine Zelle enthält mehrere Hunderttausend verschiedene Proteine, die als Bausubstanzen, Botenstoffe, Enzyme oder zur Abwehr von Bakterien dienen. Wird eines der Eiweiße nicht mehr benötigt, bekommt es in der Körperzelle den "Todeskuss", wie die Nobelstiftung schreibt: Die Zelle klebt die Markierungssubstanz Ubiquitin an das alte Protein, dass dann im zelleigenen Müllverwerter Proteasom zerhäckselt wird.
Lebenswichtiger Zyklus
Wenn der Abbau nicht mehr benötigter Proteine nicht korrekt funktioniert, können Krebs oder die Lungenkrankheit Mukoviszidose entstehen. Die Arbeiten könnten daher zu neuen Medikamenten führen, so die Akademie. Sie ermöglichten zudem, auf der Ebene der Moleküle zu verstehen, wie die Zelle bestimmte Proteine zerlege und andere unberührt lasse. Zu den auf diese Weise angestoßenen Prozessen gehöre auch die Zellteilung als Grundlage für die Entwicklung von Leben und die Regeneration der DNS.
Der 57-jährige Ciechanover und sein zehn Jahre älterer Kollege Hershko forschen am Technion Israel Institute of Technology in Haifa, der 78-jährige Rose arbeitet an der University of California in Irvine.
Ihre Leistungen gehörten bislang "nicht unbedingt zu den wissenschaftlichen Entdeckungen, die im Scheinwerferlicht stehen", betonte Håkan Wennerström, Vorsitzender des Nobelkomitees. Die Arbeit der drei diesjährigen Preisträger sei "fundamentale Grundlagenforschung mit Langzeitwirkung". "Man wird die Konsequenzen nicht heute oder morgen im Alltag bemerken. Aber die drei haben die Voraussetzungen zu einem besseren Verständnis vieler wichtiger Krankheiten geschaffen."
Die Leistung der drei Wissenschaftler sei "keine Zufallsentdeckung, sondern Ergebnis beharrlicher systematischer Arbeit", betonte Wennerström. "Allerdings hatten die drei nicht die geringste Ahnung, wie wichtig die von ihnen angepackte Arbeit war." Erst hätten sie "richtig geraten", dann in jahrelanger Arbeit ihre Hypothese untermauert.
"Gewaltige Anerkennung für Israel"
Aaron Ciechanover hat die Preisvergabe an ihn und seinen Landsmann Avram Hershko als "gewaltige Anerkennung für Israel" bezeichnet. "Dies ist der erste wissenschaftliche Nobelpreis für unser Land überhaupt", sagte Ciechanover in einem für Journalisten zugänglichen Telefonat mit der schwedischen Wissenschaftsakademie. Er habe sein Leben lang in seinem Heimatland gelebt und gearbeitet und diesem auch alle wissenschaftlichen Errungenschaften zu verdanken. "Ich bin stolz, ein Israeli zu sein."
Nobelkomitee-Chef Wennerström betonte dagegen, dass das Gremium bei der Entscheidung über die Vergabe des Nobelpreises nie auf die Nationalität von Kandidaten achte. Es gebe daher auch keine Bevorzugung von US-Forschern, die bei der Nobelpreis-Vergabe der vergangenen Jahre dominiert hatten.
Die Nobelpreise sind mit jeweils zehn Millionen Kronen (1,1 Millionen Euro) dotiert und werden traditionell am 10. Dezember, dem Todestag des Preisstifters Alfred Nobel (1833-1896), überreicht. Den Chemie-Preis erhielten im vergangenen Jahr die beiden US-Forscher Peter Agre und Roderick McKinnon für ihre Arbeit mit Zellmembranen.
Die Empfänger der Preise für Literatur und Frieden werden am Donnerstag und Freitag bekannt gegeben. Am kommenden Montag wird der Träger des erst später gestifteten Wirtschaftsnobelpreises bestimmt. Diese Auszeichnung wurde 1968 von der Schwedischen Reichsbank im Einvernehmen mit der Nobel-Stiftung geschaffen.