Chemikalie Glycidamid Krebsauslöser in Chips und Pommes nachgewiesen
München - Im April 2002 alarmierte eine Meldung schwedischer Wissenschaftler Verbraucher und Lebensmittelhersteller. Eine Vielzahl von Nahrungsmitteln enthalte krebserregendes Acrylamid, darunter Kartoffelchips, Pommes und Spekulatius. Im Tierversuch wirkt Acrylamid tatsächlich krebserregend, es verändert das Erbmaterial. Wie gefährlich die Substanz für den Menschen ist, haben Wissenschaftler noch nicht abschließend geklärt, zwischenzeitlich gab es sogar Entwarnung.
Nun haben Forscher der Technischen Universität München einen anderen, weitaus gefährlicheren Stoff in Kartoffelchips identifiziert: Glycidamid. Das Team von Michael Granvogl hatte zehn verschiedene Sorten Chips und drei Sorten vorgebackener Pommes untersucht. Alle Proben enthielten Glycidamid, schreiben die Forscher im Fachblatt "Journal of Agricultural and Food Chemistry" . Die Konzentration habe im Bereich 0,3 bis 1,5 Mikrogramm pro Kilogramm gelegen.
Diese Werte erscheinen zunächst gering. So kommt Acrylamid in den gleichen Produkten typischerweise in Mengen von 300 bis 600 Mikrogramm pro Kilogramm vor. Doch Entwarnung konnten die Wissenschaftler nicht geben, denn Glycidamid gilt als wesentlich gefährlicher. Die Münchner Forscher verwiesen auf eine Vergleichsstudie der Universität Kaiserslautern, die ergeben hatte, dass Glycidamid selbst in geringsten Mengen Mutationen in Säugetierzellen auslösen kann.
Allerdings gibt Toxikologe und Lebensmittelchemiker Matthias Baum von der Technischen Universität Kaiserslautern bereits Entwarnung: Die Substanz werde im Körper in weitaus größeren Mengen gebildet, als sie im Essen nachgewiesen wurde. Acrylamid wird in der Leber zu Glycidamid abgebaut - ein Prozess, der laut Baum hauptsächlich für die bekannte krebserregende Wirkung von Acrylamid verantwortlich ist. Es gebe Publikationen, die davon ausgingen, dass im menschlichen Körper rund zehn Prozent des Acrylamids umgewandelt würden, sagte der Toxikologe. Demnach entstünde in der Leber ein Vielfaches der in den Lebensmitteln nachgewiesenen Menge an Glycidamid. "Aus dem Bauch heraus gesagt dürfte das, was die Kollegen an Glycidamid gefunden haben, keinen wesentlichen Beitrag leisten", sagt Baum.
Auch der Leiter der Münchner Studie, Granvogl, sagt, es gehe ihm nicht darum, eine erneute Panik wie beim Acrylamid auszulösen, sondern darum, dass Herstellungsprozesse optimiert würden, um die Belastung zu senken. Er selbst jedenfalls esse noch Pommes Frites. Das gilt auch für Baum: "Ich mache mir dabei wesentlich mehr Sorgen um Übergewicht als um Glycidamid", sagte der Toxikologe.
Wie Acrylamid entsteht auch Glycidamid beim Erhitzen von Kartoffelprodukten, kommt also auch in Pommes frites vor. Die Substanz bildet sich durch eine Reaktion von Acrylamid mit Teilen des Frittierfettes und Sauerstoff. Entscheidend für die Menge ist dabei neben der Temperatur auch die Art des Fettes. Gerade bei den eigentlich als gesund geltenden ungesättigten Fettsäuren sei besonders viel Glycidamid entstanden, erklärten die Forscher. Sie empfehlen deswegen Frittiertemperaturen unter 180 Grad. Außerdem sollten gesättigte Frittierfette wie Palmöl verwendet werden.
hda/AP/dpa