Chemisches Signal Frauentränen dämpfen männliche Lust

Wer weint, beeinflusst auch die Gefühle seiner Mitmenschen. Und das liegt offenbar nicht nur am Anblick. Tränen enthalten chemische Signale, die auf Hirn und Körper des Gegenübers wirken - selbst wenn man den Weinenden gar nicht sieht.
Weinende Frau: Tränen der Trauer enthalten ein chemisches Signal

Weinende Frau: Tränen der Trauer enthalten ein chemisches Signal

Foto: Corbis

Dass Frauen aus rein manipulativen Gründen weinen, ist ein gern geäußerter Verdacht. Eine neue Studie könnte ihn weiter befeuern: Aus Trauer vergossene Tränen wirken sogar auf Männer, wenn sie die Dame gar nicht schluchzen sehen, sondern nur an einigen Tropfen Tränenflüssigkeit schnuppern. Unter dem Einfluss der Tränen verspürten sie weniger sexuelle Lust, sogar ihr Testosteronspiegel sank, wie israelische Forscher im Wissenschaftsmagazin "Science"  berichten.

Aus verschiedensten Gefühlslagen heraus - von überwältigender Freude über Rührung bis zur Trauer - zu weinen, ist eine menschliche Eigenart. Auch Tiere produzieren Tränenflüssigkeit, sie erfüllt einen biologischen Zweck, indem sie das Auge feucht hält und Fremdkörper fortschwemmt. Doch beim Menschen können die Tränendrüsen in der passenden Gefühlslage wahre Sturzbäche produzieren. Dass sich diese emotional gefärbten Tränen chemisch von der gewöhnlichen Tränenflüssigkeit unterscheiden, war schon bekannt. Enthalten sie also chemische Signale, die Umstehende beeinflussen, fragten sich Noam Sobel vom Weizmann Institute of Science in Rehovot und seine Kollegen.

Um dies zu testen, baten sie mehrere Frauen, traurige Filme zu sehen und die dabei geweinten Tränen in Fläschchen einzufangen. Für die weiteren Experimente luden sie bis zu 50 Männer ein. Diese sollten an zwei Proben riechen - Tränen und eine Salzlösung, die vorher der Tränenspenderin über die Wange geträufelt worden war. Sie nahmen keine Unterschiede im Geruch wahr.

Für die weiteren Versuche bekamen die Probanden einen kleinen Streifen mit Flüssigkeit unter die Nase geklebt, so dass sie sie beim Einatmen wahrnahmen, sie aber nicht über die Haut in den Körper eindringen konnten. Sämtliche Versuche wurden zweimal durchgeführt - einmal mit Tränen, einmal mit einer Salzlösung.

Mäusetränen enthalten Pheromone

Die Forscher prüften zwei Thesen: Tränen könnten eine Substanz enthalten, welche die Traurigkeit oder Empathie erhöht. Oder sie könnten auf das sexuelle Empfinden wirken - dies ist bei Mäusen so, deren Tränen nachweislich Pheromone enthalten. Tatsächlich war Letzteres der Fall. Die Männer beurteilten Fotos von Frauen als weniger sexuell attraktiv. Auch als sie einen Film sahen, gaben sie an, weniger erregt zu sein. Und im Speichel der Probanden maßen die Forscher geringere Mengen von Testosteron. Das Geschlechtshormon gilt als ein wichtiger Anzeiger für die männliche Lust.

Die Untersuchung zeigt nach Angaben der Forscher erstmals, dass menschliche Tränen ein chemisches Signal enthalten. Sie wirft zahlreiche Fragen auf, die erst in weiteren Versuchen geklärt werden können - etwa, welche Substanzen in Männer- oder Kindertränen stecken, ob andere chemische Signale in Tränen auch aufs gleiche Geschlecht wirken und ob Tränen, die aus Freude heraus vergossen werden, andere chemische Signale transportieren. Auch die Substanz, die in den Versuchen auf die Männer wirkte, ist bislang unbekannt.

wbr
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