CO2-Ausgleich für Autofahrer Umweltschützer hadern mit der Wohlfühlkarte

Schlechtes Gewissen, weil Sie viel Auto fahren? Kein Problem, verspricht eine Hamburger Firma: Sie bietet eine Tankkarte an, mit der man für den CO2-Ausstoß monetäre Buße leisten kann. Aber die Karte macht es ihren Nutzern zu einfach, bemängeln Kritiker.
Auto-Auspuff: Gutes Gewissen beim Tanken?

Auto-Auspuff: Gutes Gewissen beim Tanken?

Foto: Michael Probst/ AP

Ein Euro pro Tankfüllung für ein gutes Gewissen und eine bessere Welt - das Angebot von Florian Skiba und seinen Kollegen klingt vielversprechend. Direkt an der Zapfsäule sollen Autofahrer für den von ihnen verursachten CO2-Ausstoß zur Kasse gebeten werden und mit dem so eingesammelten Geld Klimaschutzprojekte in Entwicklungsländern fördern.

Arktik heißt das System, dessen Grundprinzip bereits aus dem Luftverkehr bekannt ist. Dort bieten Dienstleister wie Atmosfair die sogenannte CO2-Kompensation schon seit einiger Zeit an - entweder beim Ticketkauf oder sogar rückwirkend. Selbst Billigflieger wie Easyjet offerieren CO2-Ausgleichszahlungen.

"Für den Autoverkehr gab es bisher noch keine adäquaten, in den Alltag integrierte Lösungen zur CO2-Kompensation", sagt Arktik-Geschäftsführer Florian Skiba im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE. Und so sieht das Modell der Hamburger Firma aus, die auf ihrer Web-Seite "klimaneutrales Tanken" verspricht: Interessierte Kunden können seit Dezember bei Arktik Mitglied werden. Sie bekommen dafür eine scheckkartengroße Plastikkarte, mit der in Zukunft alle Tankstellenbesuche bezahlt werden müssen.

Pro gezapftem Liter Sprit werden für den wohlmeinenden Kunden zwei Cent auf den Preis aufgeschlagen - bei einer Tankfüllung kommt also ungefähr ein Euro zusammen. Die Tankstellenkette legt noch einmal zweieinhalb Cent pro Liter drauf. Das Geld, darauf legt Skiba Wert, soll "zu 100 Prozent" in den Klimaschutz fließen - und zwar in Projekte zur CO2-Vermeidung in Entwicklungsländern. Die Mitglieder können festlegen, ob ihre Zahlung lieber für Windenergieförderung in China, ein Biomasseprojekt in Indien oder für effiziente Kocher im Senegal ausgegeben werden soll. Der TÜV Nord zertifiziert mit dem Prüfsiegel "Klimaneutrales Autofahren", dass die Beiträge tatsächlich vollständig in Klimaschutzprojekte fließen und die CO2-Emissionen der Mitglieder komplett ausgeglichen werden.

Einem Exklusivpartner sollen weitere folgen

Arktik finanziert sich nach eigener Aussage nur über den Mitgliedsbeitrag von zwei Euro im Monat, die für jede Karte zu zahlen sind. "Wir wollen nicht davon profitieren, dass Kunden viel tanken", sagt Skiba. Von Mineralölunternehmen sei man völlig unabhängig. Bisher ist die Tankstellenkette Jet der einzige Partner, mit dem Arktik zusammenarbeitet. Noch in diesem Jahr sollen aber weitere Firmen dazukommen, sagen die Hamburger.

Wie viele Autofahrer die Karte bereits nutzen, mag Arktik nicht sagen. Im Vertrag mit Jet sei zu diesem Punkt Vertraulichkeit vereinbart worden. Innerhalb von zwei bis drei Jahren will die Firma nach eigenen Angaben 200.000 Interessenten werben.

Die Gewissensberuhigung liegt jedenfalls im Trend: Die Bahn bietet ihren Firmenkunden seit einiger Zeit vermeintlich CO2-neutrale Dienstreisen an ("Bahn Corporate Umwelt-Plus"). Dazu wird der Energiebedarf aller Bahnreisen von Mitarbeitern eines Unternehmens berechnet. Diese Energiemenge kauft die Bahn dann aus regenerativen Quellen ein. Und Mietwagenfirmen wie Holiday Autos bieten ihren Kunden an, freiwillig Geld an Atmosfair zu überweisen.

Was ist nun aber vom Arktik-Angebot zu halten? Die Ermittlung und Berechnung der Emissionen seien realitätsnah, bescheinigt die Deutsche Emissionshandelsstelle (DEHSt) im Umweltbundesamt, die verwendeten Emissionsfaktoren seien realistisch angesetzt und konservativ.

Der Rechnung zufolge führen die Verbrennung von 368 Litern Benzin oder 335 Litern Diesel zur Emission von einer Tonne CO2. Bei einem Preisaufschlag von insgesamt 4,5 Cent pro Liter ergibt sich ein CO2-Preis pro Tonne von 16,60 Euro im Fall von Benzin und 15,10 Euro für Diesel, rechnet Udo Lambrecht vom Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (Ifeu) vor. Für diesen Preis seien durchaus schon CO2-Zertifikate erhältlich, sagt Lambrecht im Gespräch im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE.

Geld nur für Projekte mit Gütesiegel

Arktik verspricht, dass die Kompensationszahlungen nur in sogenannten Goldstandard-Projekten landen. Das Gütesiegel wurde von einem breiten Bündnis von Umweltschutzorganisationen entwickelt. Es geht nur an unabhängig begutachtete Projekte, die hohe Anforderungen im Umwelt- und Sozialbereich erfüllen müssen und für eine nachhaltige Entwicklung in den Empfängerländern des Geldes sorgen sollen.

Allerdings gibt es einen feinen Unterschied bei den Goldstandard-Projekten. Nach Ansicht der Emissionshandelsstelle ist er sehr wichtig: Einerseits gibt es CO2-Zertifikate aus Klimaschutzmaßnahmen im Rahmen des Kyoto-Abkommens, die sogenannten CERs ("Certified Emission Reductions"). Sie werden zentral durch das Klimasekretariat der Vereinten Nationen geprüft.

Andererseits gibt es die sogenannten VERs ("Verified Emission Reductions"), die aus dem unregulierten freiwilligen Markt stammen. Für diese Projekttypen gebe es kein einheitliches Verfahren und keine Prüfung durch eine zentrale Instanz nach international verbindlichen Vorgaben, bemängelt die DEHSt. Doch genau auf solche VERs setzt Arktik. Immerhin, das Unternehmen denkt nach eigener Aussage darüber nach, in Zukunft auch auf die strengeren Kyoto-Zertifikate zu setzen.

Umwelt- und Verbraucherschützer sehen die Karte trotzdem kritisch. Sie stören sich an einem fundamentalen Punkt: Wer seinen CO2-Ausstoß direkt an der Zapfsäule kompensiere, dem fehle der Anreiz, ganz auf das Auto zu verzichten. Doch nur so lassen sich reale Einsparungen erreichen: "Wir finden das Wort 'klimaneutral' nicht richtig", kritisiert Viviane Raddatz vom WWF im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE. Die Verkehrsexpertin der Umweltschutzorganisation nennt es "geradezu aberwitzig", dass "am Ende zusätzliches Autofahren als gut fürs Klima" dargestellt werden könnte: "Kompensation als Freifahrtschein zu verkaufen führt in die Irre."

"Tipps zur CO2-Einsparung sind auf der Web-Seite kaum zu finden"

"Die Web-Seite macht den Eindruck, als könnte man sich mit der Karte ein reines Gewissen erkaufen. Das darf nicht der Sinn sein", sagt Julia Balz, Referentin der Kampagne "für mich. für dich. fürs klima" der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). Ifeu-Forscher Lambrecht sieht das ähnlich: "Wir müssen Verkehr vermeiden, ihn verlagern und effizienter machen. Erst wenn wir hier alles uns Mögliche getan haben, sollten wir über Kompensationszahlungen nachdenken." Auch die Deutsche Emissionshandelsstelle erklärt, Vermeidung und Reduktion von Treibhausgasemissionen müssten Vorrang haben.

Die Arktik-Karte, so der implizite Vorwurf, macht es ihren Nutzern also zu einfach. "Tipps zur CO2-Einsparung sind auf der Web-Seite kaum zu finden", sagt Balz. Anstatt regelmäßig auf die Bahn umzusteigen, ein kleineres Auto zu kaufen, einen Spritsparkurs zu besuchen oder Energiesparreifen zu verwenden, würde einfach gezahlt - "und weiter geht's".

"Wir wollen niemand dazu verleiten, viel Auto zu fahren", hält Firmenchef Skiba dagegen. Deswegen müssten Vielfahrer über den verbrauchsabhängigen Klimabeitrag in Summe auch mehr zahlen als Wenigfahrer. "Es muss für Autofahrer darum gehen, weniger zu fahren und einen Rest von Emissionen zu kompensieren, nicht umgekehrt", kontert die WWF-Expertin Raddatz, die CO2-Ausgleichskarten bestenfalls für Fahrzeugflotten gutheißen will, in denen ohnehin schon auf das Energiesparen geachtet wird.

Doch zuviel Kritik mag Arktik-Chef Skiba nicht gelten lassen: "Wir verstehen uns nicht als Erzieher." Die Autofahrer seien "selbst mündig" und hätten oft durchaus verstanden, "dass sich Klimaschutz und Autofahren in vielen Fällen bisher ausschließen."

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