Schätzung für 2018 Deutschlands CO2-Emissionen sinken - aber nicht nachhaltig

Auf den ersten Blick sieht das gut aus: Einer Schätzung zufolge sind die deutschen Treibhausgasemissionen im Jahr 2018 um 5,7 Prozent gefallen. Das hat aber wohl wenig mit erfolgreichem Klimaschutz zu tun.
Solarpark auf dem früheren Militärflughafen im brandenburgischen Finowfurt (Archivbild)

Solarpark auf dem früheren Militärflughafen im brandenburgischen Finowfurt (Archivbild)

Foto: Patrick Pleul/ dpa

Um mehr als 50 Millionen Tonnen ist der Ausstoß an klimaschädlichem CO2 im vergangenen Jahr in Deutschland gesunken. So schätzen es jedenfalls die Experten des Berliner Thinktanks Agora Energiewende in ihrem aktuellen Rückblick auf das Jahr 2018 .

Mit einem Rückgang von 5,7 Prozent innerhalb eines Jahres scheint dadurch auch ein eigentlich längst nicht mehr erreichbares Klimaziel wieder in Reichweite: Die Bundesregierung hatte sich vorgenommen, beim CO2-Ausstoß bis zum Jahr 2020 um 40 Prozent unter die Werte des Jahres 1990 zu kommen. Träfe die aktuelle Schätzung zu, läge man aktuell immerhin bei 31,7 Prozent.

Doch tatsächlich klingt der Wert wohl besser, als er in Wahrheit ist: Denn, so befürchtet man es bei der Agora Energiewende, der Rückgang ist wohl nicht nachhaltig und nur zu einem kleinen Teil durch Erfolge beim Klimaschutz zu erklären.

Zwar sei die Verstromung von Steinkohle auf das niedrigste Niveau seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1950 gefallen - weil durch die Reform des Europäischen Emissionshandelssystems der Preis für CO2-Zertifikate von fünf Euro pro Tonne (Jahresmittel 2017) auf 15 Euro (Jahresmittel 2018) angezogen habe. Das habe die betreffenden Kraftwerke unwirtschaftlich gemacht und für rund zehn Millionen Tonnen an Emissionsreduktionen gesorgt.

Der überwiegende Teil des Emissionsrückgangs habe aber trotzdem andere Gründe, vor allem den vergleichsweise milden Winter. Dadurch sei weniger geheizt worden. Außerdem hätten ein leicht gesunkenes Produktionsniveau in Teilen der energieintensiven Industrien sowie zeitweilig stark gestiegene Benzin- und Dieselpreise und Lagereffekte beim Heizöl eine Rolle gespielt.

Erneuerbare ziehen gleich

"Der Emissionsrückgang rückt auf den ersten Blick zwar das Klimaschutzziel 2020 in greifbare Nähe, doch schon der nächste durchschnittlich kalte Winter und kleinere konjunkturelle Veränderungen werden die positive Entwicklung wieder zunichtemachen", so Patrick Graichen, Direktor der Agora Energiewende. Nötig seien nachhaltige Klimaschutzmaßnahmen, insbesondere bei der Braunkohle sowie im Verkehrs- und Gebäudebereich. Ansonsten seien die Klimaschutzziele für 2020 und 2030 nicht zu erreichen.

Die Schätzung zeigt auch, dass sich der Einsatz der besonders klimaschädlichen Braunkohle in Deutschland im vergangenen Jahr nur minimal verringert hat. Der Energieträger sei so billig, dass selbst die gestiegenen CO2-Preise keinen Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit hätten.

Die Kohlekommission soll bis zum Februar Wege vorschlagen, wie und bis wann Deutschland aus dem Einsatz von Braunkohle zur Stromgewinnung aussteigt. In den Kohlefördergebieten, vor allem in Nordrhein-Westfalen, Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt, fordert man milliardenschwere Strukturhilfen, um den wirtschaftlichen Umbruch abzufedern.

Die Analyse zeigt übrigens auch, dass erneuerbare Energien im vergangenen Jahr erstmals so viel Strom geliefert haben wie braun- und Steinkohle. insgesamt habe der Anteil von bei 38,2 Prozent gelegen. Zuwächse habe es dabei vor allem bei der Solarenergie gegeben. Auch die Stromerzeugung aus Wind sei leicht gestiegen. Bei der Wasserkraft seien wegen der Regenarmut dagegen starke Rückgänge zu verzeichnen gewesen.

Vor wenigen Tagen hatte bereits das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE Daten zur Bilanz der Stromerzeugung 2018 präsentiert. Dabei waren - wegen einer anderen Rechenweise - die erneuerbaren Energien sogar auf mehr als 40 Prozent gekommen.

chs
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