Lebenshilfe Diese Coaching-Angebote bringen Sie wirklich weiter
Sie möchten im Job besser kommunizieren? Besser im Team arbeiten? Sich von der Arbeit nicht mehr so stressen lassen? Möchten Sie sich dabei helfen lassen, genauer gesagt: coachen lassen? Dafür gibt es einen großen und vor allem immer noch wachsenden Markt: Coaching boomt. Unternehmen und Einzelpersonen kaufen immer häufiger Dienstleistungen ein, laut der aktuellen Marburger Coaching Studie lag der Jahresumsatz der Branche 2016 bei 520 Millionen Euro, 10 Prozent mehr als fünf Jahre zuvor.
Zu dieser starken Nachfrage im klassischen Coaching-Segment "Beruf" kommt eine Flut von Apps, Ratgebern und Seminaren rund um Selbstmanagement und Lebensoptimierung. Die Programme reichen von Beziehungshilfe bis Ernährungstraining, von Fitness-Apps bis Meditationsanleitung. Die Achtsamkeits-App "Headspace" beispielsweise hat in Deutschland über eine Millionen Nutzer, Fitness-Apps wie "Freeletics" nach eigenen Angaben noch wesentlich mehr.
Aber wird mit den Coaching-Angeboten nur gutes Geld gemacht oder auch gute Hilfe geleistet?
Metastudien zur Wirksamkeit von Coaching in Berufs- und Karrierefragen, etwa vom Organisationspsychologen Tim Theeboom von der Universität Amsterdam, haben nachgewiesen, dass Coaching-Sitzungen bei Mitarbeitern von Unternehmen langfristig zu mehr beruflicher Leistungsstärke und zu mehr Wohlbefinden führen. Auch verschiedene Tools und Techniken im Bereich Gesundheits- und Fitness-Selbstmanagement wie Ernährungsprotokolle, Schritt-Zähler, Meditations- oder Motivationsübungen sind wissenschaftlich validiert und können Nutzern helfen, sich häufiger zu bewegen, besser zu essen oder berufliche Visionen zu entwickeln.
Nicht jede App ist für jeden geeignet
Doch das ist eben nur ein Teil der Wahrheit. "Wenn all die wirklich guten Werkzeuge und Methoden, die wir im Coaching zur Verfügung haben, zu hundert Prozent helfen würden, dann sähe die Welt anders aus.", sagt die Hamburger Psychotherapeutin und Coach Andrea Patzer.
In ihrer Praxis hat sie häufig erlebt, dass es nicht nur guter Tools, sondern auch bestimmter persönlicher Voraussetzungen bedarf, damit der Besuch beim Coach oder das Lesen von Selbstmanagement-Ratgebern hilft. "Wer ohnehin motiviert ist und eine gewisse Planungsfähigkeit mitbringt, kann sich mit diesen Hilfestellungen gut weiterentwickeln, Ziele erreichen, Karrierepläne machen und umsetzen", so Patzer. "Wer dagegen nur halb motiviert ist, sich zu verändern oder wer sich nicht gut selbst mobilisieren und leiten kann, scheitert gerade an Selbst-Coaching-Angeboten ziemlich schnell."
Dann lädt man sich die Lauf-App mit den besten Testergebnissen aufs Handy und bleibt doch auf dem Sofa sitzen. Oder man will sich mit einem Coaching-Buch beruflich weiterentwickeln, kommt aber über das Aufschreiben eines Fünfjahresplans nicht hinaus.

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All das führt zu einer klaren Empfehlung: Wer mit Selbstmanagement oder einzelnen Sitzungen beim Coach bereits gute Erfahrungen gemacht hat, profitiert wahrscheinlich auch in Zukunft von Seminaren, Büchern oder Apps und kann auf eigene Faust oder mit wenig Hilfe viel verändern. Wer dagegen merkt, dass er schwer in Tritt kommt, braucht mehr Begleitung und überschaubare Ziele. Einen Personal Trainer etwa, mit dem man regelmäßig laufen geht. Oder einen Coach, der auch kleine berufliche Schritte begleitet. Oder man prüft, ob man überhaupt in einer Lebensphase ist, in der man sich in Job, Gesundheit oder Fitness verbessern will - oder ob es glücklicher macht, die Ziele etwas herunterzusetzen.
Jedes Coaching muss auf die jeweilige Lebensphase des Klienten abgestimmt sein
Es gibt noch eine weitere Passung, die man beachten muss, damit Coaching wirkt: Nicht jede Art Coaching und nicht jede App ist für jeden geeignet. Die Karriereberaterin Svenja Hofert weiß heute, mit zwanzig Jahren Beratungserfahrung, dass die besten Coaching-Manuale nichts nützen, wenn sie nicht zu den Wünschen und der Lebensphase des Klienten passen - und zu seiner Art, Probleme anzugehen. In ihrem Buch mit dem provokanten Titel "Hört auf zu coachen! Wie man Menschen wirklich weiterbringt" beschreibt die Hamburgerin, dass ein Coaching, das auf berufliche und persönliche Entwicklung abzielt, nur dann wirksam sein kann, wenn der Profi erkennt, was der einzelne an Hilfe braucht.
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07.06.2023 14.07 Uhr
Keine Gewähr
So gebe es Kliententypen, die nach Plänen, Ratschlägen und pragmatischen Lösungen gierten. "Mit diesem Typus kann ein Coach Ziele und Wenn-Dann-Pläne erarbeiten, kann sogar konkrete Ratschläge geben", sagt Hofert. Andere Typen, die sehr flexibel sind und sich in Leben und Job vor allem immer wieder persönlich weiterentwickeln und etwas lernen wollen, wünschen sich einen Dialog und gemeinsames Brainstorming mit dem Coach und statt Zielsetzungen oft nur eine grobe Richtungsfindung.
"Wenn das Angebot, das ein Coach macht, nicht zu diesen Bedürfnissen passt, bringt das Ganze nichts", sagt Hofert. Das bedeutet für die Coach-Suche: Es hilft, einen Profi zu suchen, der Probleme auf eine Art angeht, die man selbst gut und hilfreich findet. Oft kann man schon beim Stöbern auf Webseiten von Coaches herausfinden, ob sie eher zielorientiert und pragmatisch vorgehen oder eher offene, kreative Suchbewegungen mittragen. Diese Passung sollte man als Hilfesuchender im Blick behalten.
Vergessen Sie die "Schlank in fünf Tagen"-Diät
Das gilt letztlich auch für Selbstmanagement-Tools. Wer pragmatisch und zielorientiert ist, kommt etwa in Sachen Fitness mit Trackern, klaren Übungen und messbaren Leistungsanforderungen weiter. Wer eher nach mehr Bewegung fürs eigene Leben sucht, braucht auch im Bereich Fitness Anleitungen, die genuss- und freudvoll ausgerichtet sind. Bestzeiten-Vergleiche nerven dann nur - oder man hält sie nicht durch. Ähnlich ist es auch bei Selbst-Coaching-Büchern für den Job, Meditations-Apps oder Seminaren.
Und natürlich kommt es auch auf die Qualität der Ausbildung von Coaches oder Personal Trainern an oder darauf, wie gut die Selbstmanagement-Angebote im Netz oder in Büchern tatsächlich sind. Dafür gibt es Indikatoren. "Coaching-Angebote, die in kürzester Zeit, zum Beispiel durch eine Sitzung, großen Erfolg oder Durchblick versprechen, sind oft nicht seriös", sagt Svenja Hofert. Auf der Ebene der Selbstmanagement-Tools sind das beispielsweise "Schlank in fünf Tagen"-Diäten. Außerdem warnt Hofert vor Seminarleitern oder Coaches, die dogmatische Entscheidungen über den Kopf von Klienten hinweg treffen.
Die Psychotherapeutin Andrea Patzer mahnt zur Skepsis bei allen Angeboten, die nicht erwähnen, dass Nutzer oder Klienten auch selbst aktiv werden müssen, damit sich etwas ändert. Dass man darüber hinaus auch mal darauf hingewiesen wird, dass man sich nicht ständig und zu jeder Zeit Rundumoptimieren muss, ist ebenfalls eine gutes Zeichen, findet Patzer. Schließlich kann es auch ein gesunder Tipp sein, mal eine Weile einfach so zu bleiben, wie man ist.

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