»Nicht mehr ohne begründete Zweifel belegbar« Forscherteam zieht Studie zur Herkunft von Omikron zurück

Fachleute der Charité in Berlin wollten den Ursprung der Coronavariante Omikron in afrikanischen Ländern gefunden haben. Doch es gibt ein Problem: Die analysierten Proben könnten verunreinigt gewesen sein.
Arzt mit Schutzmaske in einer Notaufnahme in Dakar, Senegal (Bild von April 2020)

Arzt mit Schutzmaske in einer Notaufnahme in Dakar, Senegal (Bild von April 2020)

Foto: John Wessels / AFP

Bereits kurz nach dem Erscheinen hatten Fachleute Zweifel an der Arbeit geäußert: Nun haben das Fachjournal »Science« und ein Team um Jan Felix Drexler von der Charité in Berlin eine Studie zur Entstehung der Coronavariante Omikron  zurückgezogen.

Der Anfang Dezember veröffentlichten Untersuchung zufolge war Omikron schrittweise über mehrere Monate in verschiedenen Ländern Afrikas entstanden. »Nach neuesten Erkenntnissen sind Teile der in der Studie gemachten Aussagen wegen Verunreinigungen in Untersuchungsproben nicht mehr ohne begründete Zweifel belegbar«, teilte die Charité mit. Bereits kurz nach Veröffentlichung hätten andere Fachleute Zweifel an den Genomsequenzen erhoben. In einer daraufhin erfolgten Nachanalyse von Restproben seien Verunreinigungen festgestellt worden.

»Die weiter bestehende Aussage der Publikation, dass Viren mit Omikron-Sequenzmerkmalen bereits vor dem offiziellen Nachweis in Südafrika existierten, beruht auf übereinstimmenden PCR-Nachweisen aus Laboren aus verschiedenen afrikanischen Ländern«, so die Charité weiter. Allerdings könnten die einzelnen Virus-Evolutionsstufen durch die aufgetretenen Verunreinigungen nicht mehr zweifelsfrei rekonstruiert werden.

Zeitnahe Korrektur nicht möglich

Für die »Science«-Studie untersuchten Dutzende Forschende nach eigenen Angaben insgesamt 13.000 Proben aus 22 Ländern Afrikas. Da die hohe Zahl an nachzuprüfenden Proben eine zeitnahe Korrektur unmöglich mache, sei die gesamte Publikation jetzt zurückgezogen worden, schreibt die Charité.

Bereits wenige Tage nach Studienveröffentlichung hatte sich der ausgewiesene Fachmann für Virusmutationen, Richard Neher von der Universität Basel, skeptisch dazu geäußert. »Ich bin nicht überzeugt«, hatte er auf Twitter geschrieben. Bestimmte Daten des Charité-Teams ließen sich schlüssig durch Verunreinigungen erklären.

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Omikron besitzt eine ungewöhnlich hohe Zahl von etwa 30 Aminosäure-Änderungen allein im wichtigen Spike-Protein. Die Vielzahl an Erbgutveränderungen brachte andere Experten zu der Annahme, die Variante habe sich womöglich in einem Menschen mit HIV oder einer anderen Form von Immunschwäche entwickelt. Eine weitere Hypothese geht davon aus, Omikron habe sich in Tieren entwickelt und sei dann wieder auf den Menschen übergesprungen.

Zu der nun zurückgezogenen Studie hatte auch der SPIEGEL eine Meldung veröffentlicht. Es kommt immer mal wieder vor, dass wissenschaftliche Fachpublikationen zurückgezogen werden müssen, die in anerkannten Fachjournalen veröffentlicht wurden und somit zuvor einen Prüfprozess durch Fachleute (Peer Review) durchlaufen haben.

Debatten gab es in der Pandemie aber auch über sogenannte Preprints, also Studien, die Fachleute ohne Peer Review auf dafür vorgesehene Server hochladen. Zehntausende Studien zu Corona erschienen seit Anfang 2020 auf solchen Plattformen und wurden von Medien aufgegriffen. Der SPIEGEL hat ausgewertet, was aus den Papieren wurde, über die seine Redakteure und Redakteurinnen berichtet haben. Das Ergebnis: Meist, aber nicht immer, schafften die Arbeiten es später durch das Peer-Review-Verfahren. Mehr dazu lesen Sie hier .

ani/dpa
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