Neue Schätzung Deutlich mehr Menschen weltweit an Corona gestorben als vermutet

Covid-19 könnte tödlicher sein, als es die offiziellen Zahlen zeigen. Nach neuesten Schätzungen könnten global bis zu 18 Millionen Menschen zusätzlich dem Virus zum Opfer gefallen sein.
Die Kreuze auf einem Bürgersteig sind Teil einer Gedenkaktion für die Opfer der Pandemie in Prag

Die Kreuze auf einem Bürgersteig sind Teil einer Gedenkaktion für die Opfer der Pandemie in Prag

Foto: David W Cerny / REUTERS

Laut den Statistiken der Johns-Hopkins-Universität sind bisher rund 4,5 Millionen Menschen  nach einer Infektion mit Sars-CoV-2 gestorben. Die Daten der Forscherinnen und Forscher aus Baltimore zur Coronapandemie haben sich als sehr zuverlässig herausgestellt. Sie sind oft näher am Infektionsgeschehen als die offiziellen Zahlen, beispielsweise von der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Manchmal wurden sie allerdings auch schon korrigiert.

Dass auch diese Statistik nicht perfekt ist, zeigt nun einmal mehr ein anderes Modell, das die Übersterblichkeit für nahezu alle Länder der Erde abschätzt. Laut dem Global Excess Deaths Model, das Datenspezialisten von »The Economist«  entwickelt haben, liegt die Sterblichkeit infolge von Covid-19 deutlich höher. Bis zu 15,2 Millionen Menschen könnten dem Virus zum Opfer gefallen sein. Laut den Berechnungen sind mit einer Wahrscheinlichkeit von 95 Prozent zwischen 9,3 und 18,1 Millionen zusätzliche Todesopfer zu beklagen.

Vor allem in ärmeren Ländern ist die Lage teils nur schwer zu überblicken, heißt es in einer Mitteilung. Viele Menschen, die an einer Sars-CoV-2-Infektion sterben, werden nie auf die Krankheit getestet und sind in den offiziellen Zahlen nicht aufgelistet. Manche Verstorbene, die in den Statistiken auftauchen, waren dagegen durch eine andere Krankheit geschwächt und wären wohl ohnehin gestorben – sie sind also eher mit als an Covid-19 gestorben. Auch andere Ursachen wie überfüllte Krankenhäuser und eine in der Folge schlechtere medizinische Versorgung könnten ursächlich für einen Todesfall gewesen sein. In dem »The Economist«-Modell wurden diese Ursachen alle zusammengezählt.

Grundsätzlich versuchen solche Modelle, die Übersterblichkeit zu ermitteln. Sie ergibt sich aus der Differenz der Menge an Menschen, die ohne ein bestimmtes Ereignis wie eine Pandemie oder eine Naturkatastrophe gestorben wären, und der Gesamtzahl der Toten. Allerdings liegt die Schwierigkeit darin, verlässliche Daten aus möglichst vielen Teilen der Welt zu bekommen. Das Global Excess Deaths Model konnte von den 156 Ländern der Welt mit mindestens einer Million Einwohnern nur von 84 Ländern Daten zur Gesamtsterblichkeit erhalten.

Deshalb sind die globalen Daten zur Übersterblichkeit nur eine grobe Schätzung. Um die fehlenden Daten auszugleichen und die überzähligen Todesfälle für jedes Land möglichst zu erfassen, arbeitet das Modell mit maschinellem Lernen. Dafür werden Dutzende Parameter berücksichtigt, etwa die Lage in Nachbarländern oder die Gesundheitsausgaben in dem Land. Dass die Zahlen also höher liegen als die offiziellen, die auf unvollständigen Daten beruhen, ist nicht überraschend. Allerdings sind die Schätzungen mit einer relativ großen Unsicherheit versehen.

Auch der SPIEGEL hat bereits mit Daten aus dem Modell  gerechnet. Die Daten bis Anfang Mai ergaben bei damals weltweit etwa 3,3 Millionen Coronatoten eine Übersterblichkeit von etwa zehn Millionen. Für die aktuelle Auswertung wurde das Modell aktualisiert und die Daten neu berechnet.

joe
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