Neue Coronavariante Omikron Rätsel um Kinderinfektionen in Südafrika

Ein Kind erhält eine Coronaimpfung
Foto: Denis Farrell / picture alliance/dpa/APDie neue Coronavariante Omikron sorgt Wissenschaftler rund um die Welt. Die zuerst in Botswana und Südafrika entdeckte Mutante steht im Verdacht, infektiöser zu sein. Zudem wirken die Impfungen wohl schlechter gegen diese Variante, haben erste, allerdings noch vorläufige Labordaten aus Südafrika und von der Frankfurter Virologin Sandra Ciesek diese Woche ergeben.
Zwar scheint Omikron für weniger schwere Verläufe zu sorgen. Nur etwa ein Drittel der Fälle landet im Krankenhaus, und von diesen Menschen erleben auch weniger einen Aufenthalt auf einer Intensivstation – das hatten beispielsweise auch Daten der US-Seuchenschutzbehörde CDC ergeben. Aber in Südafrika zeigte sich derzeit noch ein anderer Trend: Kinder unter fünf Jahren landen häufig mit einer Infektion in Kliniken. Noch ist unklar, was dahintersteckt. Nicht alle Kinder waren wegen einer Coronaerkrankung in Behandlung, trotzdem wurden sie häufiger positiv auf das Virus getestet, berichten Ärzte aus Johannesburg.
Dabei traf das Virus Kinder in der Vergangenheit in der Regel weniger hart als Erwachsene. In einem Krankenhaus in Soweto wurden am Dienstag allerdings zwölf Kinder aufgenommen, von denen drei Sauerstoff benötigten, berichtete die »New York Times« . In einem anderen landeten zehn auf der Kinder-Covid-Station, aber nur eines benötigte nach einer Lungenentzündungsdiagnose Sauerstoff. Doch es ist nicht bekannt, ob die Kinder aus Haushalten mit geimpften Menschen stammen. Eine Coronaschutzimpfung für Kinder unter zwölf Jahren gibt es in Südafrika noch nicht.
Verallgemeinern lässt sich das bislang nicht, solche Trends zeigten sich nicht in allen Krankenhäusern in der Region um Johannesburg, dem Zentrum der aktuellen Ausbruchswelle am Kap. Noch sei es zu früh, zu sagen, ob Kinder häufiger unter schwereren Omikron-Verläufen leiden, heißt es. Oder ob Kinder aufgrund der Variante häufiger unter dem seltenen Pims-Syndrom leiden könnten, das beispielsweise heftige Entzündungsreaktionen des Körpers zur Folge hat. Diese Erkrankung entwickelt sich aber teils erst Wochen nach der Infektion.
Doch auch der Virologe Christian Drosten von der Berliner Charité hat in den ARD-Tagesthemen auf die Daten aus Südafrika aufmerksam gemacht. Gerade Kinder unter fünf Jahren scheinen häufiger von schweren Verläufen betroffen zu sein, sagte er. In Südafrika gab es eine starke Welle, die große Teile der Bevölkerung erreicht hat. Aber ginge man davon aus, dass die Kinder dort überwiegend keinen Kontakt mit dem Sars-CoV-2-Erreger hatten, könnte man ableiten, dass Omikron bei ungeimpften Menschen, die auch hierzulande nie Kontakt mit dem Virus hatten, eben doch zu stärkeren Verläufen führen könnte.
»Jeder, der kann, soll sich jetzt sofort boostern lassen«
Entsprechend warnte Drosten vor Spekulationen, dass Omikron auch in Deutschland milder verlaufen werde. Die Immunsituation sei in jedem Land verschieden. Ihm mache in diesem Zusammenhang Sorgen, dass in Deutschland relativ viele Menschen weder geimpft noch genesen seien. Diese Gruppen könnten nach bisherigen Erkenntnissen durch Omikron besonders anfällig für schwere Verläufe sein. »Jeder, der kann, soll sich jetzt sofort boostern lassen. Und alle Ungeimpften müssen sich angesichts der neuen Gefahr überlegen, ob sie das aufrechterhalten wollen«, so Drosten.
Über die erhöhten Ansteckungsraten sagte Drosten, dass sich das Infektionsgeschehen nach bisherigen Daten aus anderen Ländern etwa alle drei Tage verdoppele, das sei schneller als bei der Delta-Variante. In Deutschland werde die Vermehrung von Omikron vielleicht etwas weniger schnell voranschreiten als in Großbritannien, wo wegen der höheren Impfquote und der starken Vorinfektion der Bevölkerung keine Kontrollmaßnahmen mehr in Kraft sind. Doch generell rechnet der Virologe damit, dass Omikron ab Januar auch in Deutschland die dominante Form sein werde und Delta verdrängt hätte. Omikron könne die Menschen hierzulande noch bis in den kommenden Sommer beschäftigen, so der Forscher im NDR-Podcast »Coronavirus-Update«.
Die vorläufigen Daten zur Wirkung der Impfstoffe interpretiert er mit vorsichtigem Optimismus. »Die Immunität ist deutlich abgeschwächt, aber sie ist nicht null«, sagte er. Mit Blick auf Omikron hätten Geboosterte in etwa ein Immunitätsniveau wie jemand, der vorher doppelt geimpft gewesen sei.
Südafrika meldete am Donnerstag mehr als 22.000 neue COVID-19-Fälle, ein Rekord während der vierten Infektionswelle. Der Höchststand hatte in dem Land einst bei 26.000 täglichen Fällen gelegen und wurde durch die Delta-Variante ausgelöst. Im Wochenvergleich seien die Fallzahlen um 400 Prozent gestiegen, teilte Gesundheitsminister Joe Phaahla am Freitag mit. Tests zeigten, dass hinter rund 70 Prozent der Fälle die Omikron-Variante steckte.
Auch in den USA ist die Zahl der Coronafälle zuletzt wieder angestiegen. In den Bundesstaaten Ohio, Michigan, Illinois, Indiana und Pennsylvania mussten wieder mehr Menschen wegen einer Infektion klinisch behandelt werden. Gleichwohl ist die Zahl der bestätigen Omikron-Sequenzierungen noch niedrig. Laut Daten der CDC, die Direktorin Rochelle Walensky am Donnerstag vorgelegt hatte, waren mehr als 40 Fälle bestätigt, die Dunkelziffer dürfte allerdings um ein Vielfaches höher liegen. Derzeit arbeite man aber an genaueren Analysen, da die Datenmenge noch sehr gering sei. Die Daten deuten ein Problem an, das bei Omikron den Vorteil von leichteren Verläufen aufheben könnte: Wenn sich mehr Menschen anstecken, erhöht sich so automatisch auch das Risiko auf mehr schlimme Verläufe.
Omikron verfügt über rund 30 Mutationen auf dem Spike-Protein des Virus, jenem Teil, mit dem es an menschliche Zellen andockt. Das sind mehr Veränderungen als bei jeder anderen bekannten Variante. Manche der Mutationen waren schon bekannt und gaben den Forschenden einen Hinweis auf mögliche Eigenschaften der neuen Variante, die Anfang November in Afrika erstmals entdeckt wurde, aber nicht zwingend aus Botswana oder Südafrika stammen muss. Andere sind neu. Wie sie das Virus verändern werden, ist nach wie vor Gegenstand der Forschung.
Immerhin geht Drosten auch trotz Omikron oder möglichen weiteren Mutanten davon aus, dass sich Sars-CoV-2 langfristig zu einem normalen Erkältungsvirus abschwächen wird. Ob das schon im nächsten Jahr passiert, kann der Virologe nicht versprechen. Vielleicht sei dieser Zustand auch erst in drei Jahren erreicht. »Irgendwann wird das aufhören«, sagte er.