Christian Stöcker

Corona und Rechtspopulismus Wahnsinn prallt auf Virus

Christian Stöcker
Eine Kolumne von Christian Stöcker
Donald Trumps Krisenmanagement ist ein Desaster - und dann wollen die Republikaner auch noch Verschwörungstheoretiker in den Kongress entsenden. Realitätsverleugnung gegen das Virus: keine gute Idee.
Mann mit QAnon-Schild auf einer Trump-Veranstaltung: Murmler im Dunkeln

Mann mit QAnon-Schild auf einer Trump-Veranstaltung: Murmler im Dunkeln

Foto:

Patrick Fallon/ REUTERS

Dem auf Desinformation in den sozialen Medien spezialisierten US-Projekt "Media Matters" zufolge bewerben sich mindestens 18 Verschwörungstheoretiker um Sitze im US-Kongress. Die Kandidaten der Republikaner hängen der sogenannten QAnon-Theorie an . Dazu kommt ein weiteres knappes Dutzend ehemaliger Kandidaten.

QAnon ist eine Art globalisierte Fortschreibung der sogenannten Pizzagate-Theorie, derzufolge eine Gruppe von Demokraten unter der Führung von Hillary Clinton in einer Pizzeria in Washington einen Kinderschänderring betrieb - ein Verwirrter mit Sturmgewehr stürmte die Pizzeria  schließlich, verletzte aber zum Glück niemanden.

Mit Muellers Hilfe gegen die Satanisten?

Inzwischen geht es um einen weltumspannenden Ring von Satanisten und Kinderschändern, dem natürlich weiterhin führende Demokraten, aber auch George Soros, weite Teile der Geheimdienste, der sogenannte Deep State, Hollywoodstars , viele Staatschefs und alle ehemaligen Präsidenten der USA angehören. Donald Trump ist der Theorie zufolge der einzige, der diese Verschwörung zerschlagen kann. Eigentlich sollte er das mithilfe des Sonderermittlers Robert Mueller und heimlich vorbereiteten Massenverhaftungen tun, aber das scheint irgendwie nicht geklappt zu haben.

Die Quelle von QAnon ist "Q" , angeblich ein zum inneren Kreis der US-Regierung gehörender geheimnisvoller Murmler im Dunkeln, der immer wieder kryptische Botschaften  unters Volk bringt. Zuerst auf der Bilderplattform 4chan, dann auf der extremeren, mittlerweile geschlossenen Kopie 8chan und jetzt auf der nächsten Kopie 8kun.

Ein Wahlverein für den Wahnsinn

Der frühere Betreiber von 8chan, der Plattform, auf der diverse rechtsextreme Massenmörder in jüngerer Zeit ihre Taten angekündigt haben, hat mittlerweile eine eigene sogenannte Superpac  gegründet, einen Spendenverein zur Finanzierung der Wahlkämpfe von QAnon-Anhängern. Die Organisation nennt sich "Disarm the Deep State".

Über den vermeintlichen "Deep State" flucht bekanntlich auch Donald Trump gern und oft. Gemeint sind damit Beamte und Verwaltungsangestellte. Zum Beispiel die Pandemie-Taskforce des Centers for Disease Control , die sich im Jahr 2018 abrupt fast vollständig auflöste und seitdem nicht wiederhergestellt wurde.

Inspiration für den Massenmörder von Hanau

"Q" macht immer wieder Vorhersagen, die dann nicht eintreffen, siehe Mueller, aber das scheint die Anhänger der Theorie nicht zu beirren. Auch der Massenmörder von Hanau  scheint, wenn man sich sein letztes Video ansieht, teilweise von QAnon inspiriert worden zu sein. Er sprach darin unter anderem von unterirdischen Einrichtungen, in denen Kinder misshandelt und getötet würden.

Bei jeder Wahlkampfveranstaltung von Donald Trump sind begeisterte Fans mit Q-T-Shirts  dabei und der Präsident revanchiert sich: Kürzlich nutzte er seinen Twitteraccount, um Nachrichten von klar erkennbaren QAnon-Anhängern an seine 68 Millionen Follower zu verteilen. Allein am 27. Dezember verschaffte Trump so 20 unterschiedlichen QAnon-Fanaccounts gigantische Reichweite .

Die Realität ist optional

Das FBI stuft QAnon als potenzielle Terrorgefahr ein, QAnon-Anhänger haben im Namen der Verschwörungstheorie  schon diverse Gewaltverbrechen begangen. Die Republikaner dulden die Anhänger dieses gefährlichen Horrormärchens nicht nur in ihren Reihen, sie wollen sie sogar ins Parlament entsenden.

Vor diesem Hintergrund muss man auch Trumps Reaktion auf das Coronavirus sehen: Die Realität ist im Zweifel optional, in der Regel lästig.

Brutale Kollision mit der tödlichen Realität des Virus

Jetzt aber wird diese Phase zu einem brutalen Ende kommen. Es ist einfach, ungestraft über Dinge die Unwahrheit zu sagen, die aus Sicht seiner Wähler weit entfernt (Schweden) oder in ferner Zukunft (die Klimakrise) liegen. Wenn aber die eigenen Nachbarn, Freunde und Verwandte beginnen, schwer zu erkranken, oder sterben, dann lässt sich dieser Widerspruch auch nicht durch eine Extradosis Fox News auflösen oder wegdrücken. Hardcore-Verschwörungstheoretiker vielleicht ausgenommen, denn die werden wie üblich andere Erklärungen finden, in denen Trump Held und Opfer zugleich ist.

Zu diesem Prozess passt ein viraler Tweet der Autorin und Profi-Podcasterin Stephanie Wittels Wachs:

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Die fortgesetzte Realitätsverleugnung von Populisten wie Trump funktioniert nun nicht mehr, sie prallt mit der exponentiellen Wucht, mit der sich das Virus verbreitet, auf die brutale Wirklichkeit. Das Gleiche gilt für die bislang von den Republikanern für völlig irrelevant erklärten eklatanten Schwächen des US-Gesundheitssystems: Es gibt in den USA 28 Millionen nicht Krankenversicherte, elf Millionen illegal Eingewanderte und eine unbekannte Zahl von Menschen ohne Anrecht auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Viele davon werden einen Teufel tun, sich testen zu lassen.

Gestern "Fantasie", morgen Mundschutz

Der Präsident selbst hat mit seinen üblichen Reflexen zur Eskalation beigetragen: Abwiegeln ("Es wird wieder weggehen, bleiben Sie einfach ruhig, es wird wieder weggehen" ), die Schuld auf andere schieben ("ausländisches Virus"), Einreisen aus Europa untersagen (aber nicht für Amerikaner, deren Familien und Reisende aus Ländern, in denen Trump Golfplätze besitzt), sich selbst loben, Verwirrung stiften.

Trump ist nicht der einzige Rechtspopulist und Verschwörungstheoretiker, dessen Egotrip und Realitätsverleugnung gerade mit der unleugbaren Realität des Virus kollidiert: Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro , der die Coronakrise noch am Dienstag als "Fantasie" und Erfindung der Medien bezeichnet hatte, ließ sich am Donnerstag dann mit Mundschutz fotografieren. Ein Mitglied seiner Delegation auf der Reise in die USA war positiv auf das Virus getestet worden.

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