Bevölkerungsdaten aus Großbritannien Impfung wirkt schwächer gegen Omikron

Die ersten Studien stammten aus dem Labor. Doch nun zeigen Beobachtungen aus Großbritannien, dass sich die Omikron-Variante des Coronavirus dem Impfschutz teilweise entzieht. Ohne Boosterimpfungen wird es wohl nicht gehen.
Menschen im Zentrum von London

Menschen im Zentrum von London

Foto: NIKLAS HALLE'N / AFP

Schon allein aufgrund der ersten Analyse lag der Verdacht nahe: Die neue Variante von Sars-CoV-2 wird es den Impfstoffen schwer machen. Die Liste der Mutationen auf dem Spike-Protein ist lang wie noch nie. Das sind jene sensiblen Teile des zwischen 50 und 140 Nanometer großen Virus, mit dem es sich Zugang zu den Wirtszellen verschafft.

In der vergangenen Woche bestätigten sich die Eindrücke. Untersuchungen im Labor mit dem Blut von Geimpften zeigen: Omikron kann sich teils tatsächlich dem Impfschutz entziehen . Ein Team um Alex Sigal vom Africa Health Research Institute in Südafrika berichtete, dass das Mittel von Biontech im Vergleich zu einem früheren Covid-19-Stamm das Virus nicht mehr so gut neutralisieren konnte. Folglich würde es durch Omikron nach zwei Impfungen häufiger zu Durchbruchsinfektionen kommen. Ähnliches ergaben auch die Labordaten der Frankfurter Virologin Sandra Ciesek, die auch die Immunantwort von Moderna und Kreuzgeimpften mit AstraZeneca und Biontech untersucht hatte. Laut ihrer Daten ist die Antikörperantwort gegen Omikron im Vergleich zur Delta-Variante bis zu 37-fach geringer.

Allerdings bestand Hoffnung, dass sich das Virus unter realen Bedingungen nicht ganz so drastisch verhalten würde wie im Labor. Denn neben den neutralisierenden Antikörpern, die für die Studien untersucht wurden, gibt es auch noch andere Teile des Immunsystems, die gegen die Vireninvasion ankämpfen, etwa die B- und T-Zellen, die für die ersten beiden Studien nicht untersucht wurden.

Doch nun zeigen auch Bevölkerungsdaten aus Großbritannien, dass die Wirkung der Coronaimpfstoffe von Biontech und AstraZeneca gegen die Omikron-Variante schwächer ausfällt als gegen Delta. Das ergab eine Preprint-Studie , also eine noch nicht von Fachkollegen geprüfte Arbeit eines Teams um Nick Andrews von der UK Health Security Agency (UKHSA), der britischen Gesundheitsbehörde.

Die Wissenschaftler hatten bei insgesamt 581 symptomatischen Infektionen die Omikron-Variante nachgewiesen. Im gleichen Zeitraum wurden mehr als 56.000 Infektionen mit der Delta-Variante bestätigt. Die Auswertung der Daten ergab, dass der Schutz vor symptomatischer Infektion mit Omikron 15 Wochen nach der zweiten Dosis Biontech auf 34 Prozent sinkt. Menschen, die mit zwei Dosen des AstraZeneca-Präparats geimpft worden waren, hatten keinen Schutz mehr vor symptomatischer Infektion. Aber auch hier zeigte sich der Nutzen der Auffrischungsimpfung, die den Schutz vor symptomatischer Infektion wieder anhob. Zwei Wochen nach einer Boosterimpfung stieg er bei beiden Präparaten auf über 70 Prozent.

Im Vergleich dazu die Delta-Variante: Auch hier sank der Impfschutz in der Studie ab der 25. Woche nach der zweiten Dosis auf knapp 42 Prozent (AstraZeneca), beziehungsweise auf 63,5 Prozent (Biontech). Eine Auffrischungsimpfung ließ den Schutz bei dieser Variante auf über 90 Prozent steigen.

Zwei Dosen der untersuchten Impfstoffe reichten nicht aus, um wirksam vor Ansteckung und milder Erkrankung nach Infektion mit der Omikron-Variante zu schützen, folgern die Forscher. Aussagen über den Schutz vor schwerer Erkrankung ließen die Daten nicht zu. Auch sei unklar, wie lange der verbesserte Schutz nach der Boosterimpfung halte.

»Diese wichtige UK-Studie zu Omikron zeigt erstmals klarer, wie ansteckend die Variante ist«, schreibt Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach am Samstag dazu auf Twitter. »Frühe Boosterimpfung scheint sinnvoll, wahrscheinlich notwendig.« Die Forscher betonen, dass die Ergebnisse unter anderem aufgrund der noch geringen Zahl von Ansteckungen mit der Omikron-Variante nur eingeschränkt sind. »Diese frühen Schätzungen sind mit Vorsicht zu genießen, aber sie deuten darauf hin, dass einige Monate nach der zweiten Impfung das Risiko, sich mit der Omikron-Variante anzustecken, höher ist als mit dem Delta-Stamm«, sagte Mary Ramsay von der UKHSA laut einer Mitteilung der Behörde.

Auch die Pharmafirmen Biontech und Pfizer hatten mitgeteilt, dass vorläufigen Ergebnissen zufolge zwei Dosen ihres Impfstoffes nicht ausreichend vor einer Infektion mit Omikron schützen. Eine Boosterdosis sei nötig, um den Antikörperspiegel zu erhöhen.

Die britische Regierung hat am Sonntag die offizielle Coronavirus-Warnstufe erhöht und auf die rasche Ausbreitung der Omikron-Variante in Großbritannien aufmerksam gemacht. Laut dem britischen Gesundheitsminister Sajid Javid mache Omikron derzeit bereits rund 40 Prozent der Infektionen in London aus. Zwar gebe es noch keine Todesfälle aufgrund der Variante, die im November erstmals in Botswana und Südafrika auftrat, aber bereits jetzt seien rund zehn Personen aufgrund von Omikron in britischen Krankenhäusern in Behandlung.

joe/dpa
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