

"Mia" und "Lidia" drehten noch einmal eine Ehrenrunde. Dann setzten die Besatzungen der beiden DC3-Maschinen Kurs Nord und verschwanden im stahlgrauen Himmel. Seit dem Abschied der letzten beiden Flugzeuge Ende Februar sind die neun Bewohner der deutschen Antarktisstation "Neumayer III" nun auf sich allein gestellt. Das Überwinterungsteam des Alfred-Wegener-Instituts (AWI) macht seine Heimat auf dem Ekström-Schelfeis fit für die kommenden Monate. Dunkel wird es werden und kalt, sehr kalt.
Momentan schleppt sich das Thermometer tagsüber manchmal noch fast bis zur Null-Grad-Marke. Doch nicht mehr lange wird das so sein. Die wissenschaftlichen Experimente laufen natürlich auch im Südwinter weiter; das Personal der Station wird in den kommenden Monaten gut beschäftigt sein. Man muss das so klar sagen, wenn man über ein Projekt schreibt, das die Bewohner der Station in der vor ihnen liegenden dunklen Zeit ebenfalls angehen wollen: Die Crew hat vor, in ihrer Freizeit ein ziemlich beeindruckendes Modell der Station aus Lego-Steinen zu bauen - und es nach Ende der Überwinterung in einem Stück nach Deutschland zu schicken.
"Wir hatten die Idee während der Vorbereitungszeit", sagt Neumayer-Überwinterer Lars Lehnert im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE. Zusammen mit dem Koch Dirk Peter und dem Meteorologen Thomas Schmidt habe er eines Abends in Bremerhaven herumphilosophiert: "Die Station sieht auf Fotos beinahe so aus, als wäre sie aus Legosteinen zusammengesetzt." Also habe man sich gedacht, dass man sie während der Zeit in der Antarktis dann auch gleich nachbauen könne. Ein Anruf bei der Herstellerfirma - und "zwei bis drei Wochen später waren die Steine in Bremerhaven", erinnert sich Lehnert.
Die drei Umzugskartons voll mit Bauteilen in den unterschiedlichsten Formen und Farben - insgesamt 27,5 Kilogramm schwer - kamen gerade noch rechtzeitig. Denn gerade waren die AWI-Logisitker dabei, die Container auf den deutschen Forschungseisbrecher "Polarstern" zu verladen. Der versorgt die Station im Südsommer regelmäßig mit allem Nötigen und dem einen oder anderen Angenehmen.
Mittlerweile ist Lehnert auf der "Neumayer III"-Station Computer-Administrator, Elektroniker und Funker in einem. Erst vor wenigen Tagen gab es Probleme mit einem der Server; für kurze Zeit war die Datenverbindung unterbrochen. Der 33-Jährige war gefragt. "Im Fall einer Störung hat ein Tag kein Ende", sagt er. "Wir sind ein kleiner Inselbetrieb, ein autarkes System. Wir können es uns nicht leisten, Probleme auf morgen zu verschieben."
Die "Entdeckung der Langsamkeit" steht dreimal im Bibliotheksregal
Doch irgendwann sind alle offiziellen Handgriffe eines Tages getan, alle Technikkrisen bewältigt. Und dann? Auf der Forschungsstation kann man Sport treiben, Filme schauen, lesen - allein Sten Nadolnys "Entdeckung der Langsamkeit" steht, so heißt es, dreimal in der Bordbibliothek -, man kann im Internet surfen, mit der Familie zu Hause sprechen - und man kann am Stationsmodell aus Plastikbausteinen mitarbeiten.
Gerade habe er zusammen mit einer Kollegin die Gesamtmaße ausgerechnet, sagt Lehnert. Der 1-zu-60-Nachbau wird demnach genau 113 Zentimeter lang und 35 Zentimeter breit. Ein Stationsbüro auf Deck eins haben die Bewohner inzwischen zum Modellbau-Zimmer umfunktioniert. Im Sommer, wenn "Neumayer" mit bis zu 50 Menschen besetzt ist, kommen hier Gastwissenschaftler unter. Im Winter langweilt sich in dem Raum sonst nur der Kopierer.
Hier soll sie stattfinden, die große Bastelei. Zunächst wurden dafür die Lego-Grundplatten auf einen Unterbau aus Holz geklebt. Darauf entsteht in weiß, rot und blau nun die Station - aus knapp 7000 Steinen. Am Samstag hat die Mannschaft die ersten von ihnen gesetzt, nun soll es zügig weitergehen. "Wir werden aber nicht sagen können: Dienstag ist unser Lego-Abend", schränkt Lehnert ein. Dafür seien die Anforderungen der Bewohner einfach zu unterschiedlich. "Das wird eher auf Zuruf gehen, am Mittagstisch."
Die Erfolge werden mit einer eigenen Webcam dokumentiert. Aus ihrem Filmmaterial soll am Ende ein Zeitraffer-Film zusammengeschnitten werden. Denn natürlich, und auch das muss man sagen, ist das Ganze auch eine PR-Aktion - ein bisschen für das AWI, das für die Antarktis- und Klimaforschung werben und nebenbei eine menschelnde Geschichte aus dem ewigen Eis erzählen kann, vor allem aber für den Sponsor. Der erwägt, das fertige Modell in seinem bayerischen Freizeitpark aufzustellen.
Einmal fertig gebaut, wollen die "Neumayer"-Leute eine Holzkiste um die Spielzeug-Station nageln - um sie dann beim nächsten "Polarstern"-Besuch auf die Heimreise zu schicken. Doch bis dahin ist noch einiges zu tun. Außerdem bietet auch die unwirtliche Umgebung der Antarktis ihre eignen Herausforderungen und Reize. Erst vor wenigen Tagen zum Beispiel hörte die Stationsmannschaft verdächtige Geräusche am nahen Unterwasser-Observatorium "Palaoa". Drei "Neumayer"-Überwinterer um Stationschef Christoph Möbius verlegten einen ohnehin dort geplanten Arbeitseinsatz kurzerhand nach vorn. Von der Schelfeiskante konnten sie dann mehrere majestätische Schwertwale sehen, die sich im Wasser tummelten.
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Deutsche Antarktis-Station "Neumayer III": Die Station steht auf Hydraulikbeinen. Sie sollen dafür sorgen, dass der rund 2300 Tonnen schwere Bau nicht im Neuschnee versinkt.
"Neumayer III"-Crew mit Legosteinen. Die Mannschaft hat vor, in ihrer Freizeit ein ziemlich beeindruckendes Modell der Station aus Lego-Steinen zu bauen - und es nach Ende der Überwinterung in einem Stück nach Deutschland zu schicken.
Die ersten Steine sind gesetzt. Der 1-zu-60-Nachbau der Station wird genau 113 Zentimeter lang und 35 Zentimeter breit. Doch bis dahin ist noch einiges zu tun.
Die Erfolge werden mit einer eigenen Webcam dokumentiert. Aus ihrem Filmmaterial soll am Ende ein Zeitraffer-Film zusammengeschnitten werden. Denn natürlich ist das Ganze auch eine PR-Aktion - ein bisschen für das AWI, vor allem aber für den Sponsor.
Einmal fertig gebaut, wollen die "Neumayer"-Leute eine Holzkiste um die Spielzeug-Station nageln - um sie dann beim nächsten "Polarstern"-Besuch auf die Heimreise zu schicken.
So sieht die Technik der Station im Lego-Modell aus. Und so..
...in echt. Hier sammelt der Stationsingenieur Hans-Joachim Mehl (Überwinterer 2011) per Maschine Schnee ein, der später geschmolzen wird. So gewinnen die "Neumayer"-Bewohner Wasser.
So sieht ein Zimmer von Überwinterern auf "Neumayer III" aus. Insgesamt neun Leute sind in dieser Zeit auf der Station.
Irgendwann sind alle offiziellen Handgriffe eines Tages getan, alle Technikkrisen bewältigt. Und dann? Dann zieht es einige Überwinterer in den Fitnessraum auf "Neumayer III".
In diesem Umkleideraum wird die Polarkleidung angezogen.
Die Techniker Fabian Zahnd (Überwinterer 2011) und Jens von Helms (Überwinterer 2012) reparieren das Bodenstromaggregat für das Polarforschungsflugzeug "Polar 6".
Der Koch Dirk Peter bereitet das Essen vor. Auf der Station nennen den Leipziger alle nur bei seinem Spitznamen Pepe.
Das gut gefüllte Proviantlager auf "Neumayer III": Für den Fall einer Havarie sind auch frostgeeignete Lebensmittel in einem im Winter unbewohnten Außenposten einer südafrikanischen Station ausgelagert worden.
Container werden vom Forschungseisbrecher "Polarstern" entladen. Der versorgt die Station im Südsommer regelmäßig mit allem Nötigen und dem einen oder anderen Angenehmen.
Hier wird der Treibstoff für die Station gebunkert. "Neumayer" verbraucht pro Jahr rund 315.000 Liter Diesel.
Geophysikerin Antje Schloemer (Überwintererin 2011) macht sich auf den Weg zum geophysikalischen Oberservatorium.
Dann und wann spielen die Bewohner der Station auch auf der Galerie Basketball.
Wichtig ist aber vor allem die wissenschaftliche Arbeit. Hier bereitet Joelund Asseng (Überwinterer 2011) den Start eines Wetterballons vor.
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