Dopamin-Ausschüttung Gehirn von Psychopathen giert nach Belohnung

Was mag im Kopf eines Psychopathen vorgehen? Das ist eine Frage, der nicht nur Psychologen nachgehen. Neurobiologen haben einen besonders ausgeprägten Mechanismus im Gehirn krankhaft antisozialer Menschen entdeckt: Es dürstet nach Belohnung, um jeden Preis.
Nucleus accumbens bei Psychopathen (Illustration): Gestörte Signalverarbeitung

Nucleus accumbens bei Psychopathen (Illustration): Gestörte Signalverarbeitung

Foto: Gregory R.Samanez-Larkin /Joshua W. Buckholtz

Essen oder Sex sind natürliche Belohnungsreize. Sie führen zur Ausschüttung des Hirnbotenstoffs Dopamin. Das ist gut so, denn dadurch kommen Glücksgefühle in uns hoch, die uns antreiben, dieses lebenswichtige Verhalten zu wiederholen.

Bei Psychopathen scheint dieser körpereigene Belohnungsmechanismus gesteigert zu sein. Das haben Untersuchungen von Hirnforschern der Vanderbilt University in den USA ergeben. Für ihre Studien nutzten Joschua Buckholtz und seine Kollegen die sogenannte funktionelle Magnetresonanztomografie (fMRT) sowie die Positronen-Emissions-Tomografie (PET). Mit dieser Methode können Forscher erkennen, in welchen Bereichen das Gehirn unter bestimmten Umständen besonders aktiv ist.

Bisher ging es bei der Erforschung psychopathischen Verhaltens vor allem darum, was Psychopathen normalerweise fehlt - etwa Angst, Einfühlungsvermögen oder die Fähigkeit, normale soziale Kontakte zu pflegen. Wie die Neurobiologen im Fachmagazin "Nature Neuroscience"  jetzt berichten, besitzen Psychopathen aber auch durchaus besonders stark ausgeprägte Eigenschaften: Ihren Ergebnissen zufolge strebt ihr Gehirn in unnatürlich gesteigerten Ausmaßen nach Belohnung.

Sowohl die Erregbarkeit als auch die Bereitschaft, dafür hohe Risiken einzugehen, sei bei Menschen mit krankhaft antisozialem und riskantem Verhalten besonders hoch, schreiben die Forscher. "Psychopathen werden oft als kaltblütige Kriminelle angesehen, die sich einfach das nehmen, was sie wollen - ohne dabei über die Konsequenzen nachzudenken", sagt Buckholtz. "Tatsächlich fanden wir heraus, dass ein hyperaktives Dopamin-Belohnungssystem die Ursache für einige der problematischsten Verhaltensweisen von Psychopathen sein kann, wie zum Beispiel Gewaltkriminalität, Drogenkonsum und eine hohe Anfälligkeit dafür, rückfällig zu werden."

Amphetamine als Belohnungsreiz

Bei der Belohnung im Hirn spielt Dopamin eine wesentliche Rolle, denn der Botenstoff löst Glücksempfindungen aus. In ihrer Studie untersuchten die Neurobiologen das Gehirn von Probanden, die als Psychopathen eingestuft waren. In einem ersten Test bekamen die Versuchspersonen Amphetamine verabreicht. Ähnlich wie Kokain, Nikotin oder auch Alkohol führt die Droge dazu, dass Dopamin im Gehirn ausgeschüttet wird.

Die fMRT- und PET-Scans zeigten zweierlei: Im Vergleich zu gesunden Probanden schütteten die psychisch auffälligen Patienten nach der Amphetamin-Einnahme fast viermal mehr Dopamin aus. In einem zweiten Test wurde den Probanden gesagt, sie könnten Geld verdienen, indem sie einfache Ausgaben lösen. In diesem Fall beobachteten die Forscher im Nucleus accumbens - derjenigen Hirnregion, die mit einer Belohnung über die Ausschüttung von Dopamin in Verbindung gebracht wird - der psychopathischen Testpersonen eine sehr viel höhere Aktivität als bei den anderen Versuchsteilnehmern.

"Wegen dieser übertriebenen Dopamin-Reaktion können Psychopathen, wenn sie die Chance für eine Belohnung erkennen, ihre Aufmerksamkeit möglicherweise nicht mehr auf etwas anderes lenken - bis sie das haben, was sie wollen", sagt Buckholtz. "Psychopathen sind so stark zu einer Belohnung - dem Zuckerbrot - hingezogen, dass es das Gespür für Gefahr oder Angst vor der Peitsche besiegt", erklärt der Co-Autor David Zald.

cib/AFP
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