Erbgut von Eismann Von Ötzi ist nichts geblieben

Eine DNA-Analyse legt nahe: Der Familienzweig des Eismannes ist ausgestorben. Forscher haben erstmals das Erbgut von Ötzis Zellkraftwerken untersucht, die sich im Lauf der Evolution nur langsam verändern. Offenbar ist davon bei heute lebenden Menschen nichts mehr übrig.

Eine Gen-Analyse der Tiroler Gletschermumie Ötzi zeigt, dass seine genetische Linie in Europa in den rund 5000 Jahren nach seinem Tod vermutlich ausgestorben ist, berichten Wissenschaftler aus Italien und Großbritannien im Fachmagazin "Current Biology"  (Bd. 18, Nr.21). Denkbar sei allerdings auch, dass Ötzis Abstammungslinie extrem selten geworden ist und bei genetischen Untersuchungen bisher noch nicht entdeckt wurde.

Mit einer speziellen Technik hatten die Forscher um Franco Rollo von der italienischen Universität Camerino das Erbgut in den sogenannten Mitochondrien von Ötzis Zellen erstmals komplett entziffert. Diese Organellen gelten als Kraftwerke der Zellen, weil sie Energie bereitstellen. Die Wissenschaftler hatten die mitochondriale DNA, kurz mtDNA, aus einer Darmprobe isoliert, die Ötzi im Jahr 2000 entnommen worden war. Damals war der Eismann erstmals vollständig aufgetaut worden.

Das Ergebnis der Untersuchung überrascht: Ötzis Typ mitochondrialer DNA ist bislang gänzlich unbekannt. Frühere Untersuchungen von Ötzis Erbgut hatten gezeigt, dass der Eismann einer genetischen Linie angehörte, die "K" genannt wird. Experten sprechen auch vom "Haplotyp K", zu dem heute noch rund acht Prozent aller Europäer gehören. Ötzi fällt bisherigen Studien zufolge in die Subgruppe "K1", die sich wiederum in drei Teilgruppen aufspaltet. Wie die nun vorgestellte Untersuchung zeigt, passt Ötzis Erbgut jedoch in keine dieser drei Teilgruppen.

DNA-Analyse als Fenster in die Vergangenheit

"Das bedeutet nicht, dass Ötzi spezielle Mutationen aufwies, die ihn von anderen unterschieden", sagte Franco Rollo dem Fachmagazin. "In der Vergangenheit gab es eine Gruppe (...) von Männern und Frauen, die die gleiche mitochondriale DNA besaßen wie er." Doch scheinbar ist davon nichts übrig geblieben. Die Forscher nennen die neu entdeckte Abstammungslinie daher nun "Ötzis Zweig".

Mitochondriale DNA wird ausschließlich von der Mutter an die Nachkommen vererbt und vermischt sich nicht mit dem väterlichen Erbgut. Da sich das mitochondriale Erbgut über die Jahrzehnte nur langsam verändert, stellen Analysen der mtDNA sozusagen ein Fenster in die Vergangenheit dar. Sie erlauben Aussagen über die Herkunft von Menschen und ihre Verwandtschaft untereinander. Mit der Untersuchung von Ötzi liegt nun die älteste mtDNA-Genom-Sequenz eines modernen Menschen vor.

Ötzi starb vor etwa 5300 Jahren im Alter von etwa 46 Jahren. Er wurde von einem Pfeil getroffen und dann vermutlich mit einem Keulenschlag getötet. Seine mumifizierte Leiche wurde 1991 nahe der österreichisch-italienischen Grenze gefunden und wird seit 1998 im Südtiroler Archäologiemuseum in Bozen ausgestellt.

Erst kürzlich hatten deutsche Forscher herausgefunden, dass Ötzi womöglich ein Hirte war. Sie hatten die Kleidung der 5000 Jahre alten Steinzeitmumie massenspektrometrisch analysiert. Demnach stammen die Felle, aus denen sie hergestellt wurden von Schafen und Kühen - dem typischen Vieh, das Hirten zu jener Zeit während der saisonalen Wanderungen hüteten.

hei/dpa

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