Ein Kleid spaltet die Welt Die große Schwarz-Blau-Gold-Verwirrung

Als ob es nichts Wichtigeres gäbe: Millionen Menschen diskutieren über die Farben eines Kleides. Ist es blau-schwarz oder weiß-golden? Doch das ist gar nicht so trivial. Ein Experte erklärt, wie es zu unterschiedlichen Wahrnehmungen kommt.
Ist dieses Kleid blau-schwarz oder weiß-golden?

Ist dieses Kleid blau-schwarz oder weiß-golden?

Foto: swiked/Tumblr

Millionen haben sich an Umfragen beteiligt, ob ein Kleid blau-schwarz oder weiß-golden ist: Manche sehen ein blau-schwarzes Muster, die meisten ein gold-weißes, andere blau-goldene Streifen. Wie lassen sich die unterschiedlichen Wahrnehmungen erklären?

Der Wahrnehmungspsychologe Karl Gegenfurtner von der Justus-Liebig-Universität in Gießen gibt eine klare Erklärung für die Verwirrung: Dass Menschen die Farben unterschiedlich interpretierten, liege vor allem an der Beleuchtung, die sie auf dem Foto um das Kleid herum erkennen würden.

"Manche gewichten die strahlende Helligkeit um das Kleid besonders stark", sagt Gegenfurtner. Ihre Wahrnehmung folgere, ohne das starke Licht am Rande würde das Kleid eigentlich dunkler sein als es auf dem Bild wirke. Sie sprechen den Streifen mithin schwarze und blaue Farben zu. Leute, die die Beleuchtung auf dem Foto weniger stark gewichten, deuten das Kleid hingegen heller.

Farben nicht objektiv

Die Wahrnehmung lasse sich im Nachhinein allerdings schwerlich überlisten, indem Schwarz-Blau-Seher die hellen Bereiche neben dem Kleid abdecken würden, sagt der Psychologe: "Wer dem Kleid einmal Farben zugeordnet hat, wird sie nachträglich kaum mehr ändern."

Machen Sie den Test: Hier sollte jeder gold-weiße Streifen sehen. Der Grund: Es fehlt das helle Licht an der Seite. Für die Fotomontage wurde das Kleid ausgeschnitten und ins neue Umfeld gesteckt.

Machen Sie den Test: Hier sollte jeder gold-weiße Streifen sehen. Der Grund: Es fehlt das helle Licht an der Seite. Für die Fotomontage wurde das Kleid ausgeschnitten und ins neue Umfeld gesteckt.

Foto: Montage: Prof. Dr. Karl Gegenfurtner, Foto: swiked/ Tumblr

Die sogenannte Schachbrett-Illusion verdeutlicht den Effekt : Weiße Felder, die im Schatten liegen und deshalb gleich wenig Licht reflektieren wie schwarze, werden dennoch als weiß erkannt - die menschliche Wahrnehmung erkennt das schwarz-weiße Muster und lässt sich vom Schatten nicht überlisten.

Andere optische Einflüsse spielten in diesem Fall allenfalls untergeordnete Rollen, meint Gegenfurtner. Tatsächlich gibt es zahlreiche Faktoren, die die Farbwahrnehmung beeinflussen: Farben sind nie objektiv bestimmbar, sie entstehen quasi im Auge des Betrachters.

"Millionen Farben werden wahrgenommen"

Menschen erkennen Farben, weil Rezeptoren im Auge Lichtwellen analysieren. Jede Farbe lässt sich theoretisch zwar bestimmten elektromagnetische Wellenlängen zuordnen - die Rezeptoren springen auf unterschiedliche Wellenlängen an. Sie filtern aus einer Farbmischung die Grundfarben Rot, Grün, Blau heraus. Doch das Ergebnis interpretieren Menschen unterschiedlich, nicht nur jene, die an Rot-Grün-Schwäche leiden.

Ein Paar, das einem Kleidungsstück unterschiedliche Farben zuordnet, muss aber nicht unbedingt unterschiedliche Farben sehen. "Millionen Farben werden wahrgenommen", sagt Gegenfurtner, "aber wir haben nur für wenige einen Namen". Also würden Farben, die an der Grenze zu anderen Farben liegen, oft unterschiedlich beschrieben.

Schließlich können Bilder auf Computerbildschirmen auch technisch verfremdet sein: Das Kippen des Monitors etwa verändert den Eindruck. Bei dem Streit um das nun berühmt gewordenen Kleid aber zeigt die heftige Farbdiskussion vieler Menschen vor demselben Bildschirm, dass sie in diesem Fall tatsächlich andere Farben erkennen.

Auch Prominente haben sich in die Diskussion eingeschaltet:



Adobe, der Hersteller der weltbekannten Grafiksoftware, will die Debatte mit einer Farbanalyse beenden: Das Kleid ist demnach blau und schwarz.

Und jetzt sind Sie dran:

boj
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