Urteil zu Nitratverschmutzung Trinkwasser unter Druck

"Unsere Position wurde gestärkt", sagen die deutschen Wasserversorger
Foto: photothek/ imago imagesEs ist ein Urteil, das die Qualität des Grundwassers ein ganzes Stück vorantreiben könnte: Laut einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg besteht grundsätzlich ein Recht auf sauberes Grundwasser, bei dem der Nitratgrenzwert nicht überschritten wird.
Wasserversorger, Gemeinden und auch Privatpersonen können dieses Recht bei den Behörden einfordern und Anpassungen verlangen, wenn der Grenzwert von 50 Milligramm pro Liter überschritten wurde. Geklagt hatten ein Wasserversorger aus Eisenstadt in Österreich sowie ein Biolandwirt und eine Gemeinde aus der Region.
Bei dem Rechtsstreit geht es um die Verunreinigung des Grundwassers aus landwirtschaftlichen Quellen. Nitrat, eine Verbindung aus Stickstoff und Sauerstoff, entsteht im Boden, wenn überschüssiger Dünger aus intensiver Landwirtschaft auf Feldern durch Bakterien zu der Substanz umgewandelt wird. Der Regen schwemmt das Nitrat in nahe Gewässer oder es versickert direkt ins Grundwasser.
Ein wenig Nitrat gelangt auch auf natürlichem Weg ins Grundwasser, laut Experten bis zu zehn Milligramm pro Liter. Allerdings bemängeln Forscher, dass an vielen Orten in Deutschland zu stark gedüngt wird - oft mit Kunstdünger oder Gülle aus der Tierhaltung. Die Bauern argumentieren, dass selbst bei Einhaltung der Düngeregelung mancherorts der Grenzwert überschritten würde, solange in Deutschland intensiver Ackerbau betrieben wird. Außerdem befürchten sie Ernteeinbußen und höhere Kosten durch Reduzierungen der Düngemittel. So wären manche Betriebe nicht mehr rentabel. Laut dem letzten Nitratbericht der Bundesregierung übersteigen die Werte an 18 Prozent der knapp 700 Messstellen die 50 Milligramm-Marke.
Das ist vor allem deshalb ein Problem, weil Wasserversorger Trinkwasser zu einem Großteil aus dem Grundwasser gewinnen. Nitrat kann für den Menschen gefährlich werden, der Körper wandelt es zu Nitrit um, das beispielsweise den Sauerstofftransport im Blut hemmt. Trinkwasser kann bedenkenlos getrunken werden, es ist ein äußerst streng kontrolliertes Lebensmittel. Aber bei der Aufbereitung muss Nitrat deshalb schon an einigen Orten mit neuer Technik aus dem Wasser entfernt werden. Zudem werden immer tiefere Brunnen gebohrt. Das könnte die Preise für Trinkwasser in die Höhe treiben, befürchten die Versorger. Schon jetzt zahlen manche dafür, dass Landwirte weniger düngen (mehr dazu lesen Sie hier).
Das Problem brachte Deutschland Ärger mit der EU ein. Denn Brüssel hatte schon vor Jahren moniert, dass die Bundesregierung zu wenig unternimmt, um das Grundwasser zu schützen und damit gegen EU-Recht verstößt. Im Juni 2018 hatte der EuGH beim deutschen Düngerecht dringend Nachbesserung gefordert. Sonst drohen Strafen in Höhe von bis zu 850.000 Euro pro Tag.
Deshalb hatten Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) und Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) erst kürzlich erneut Vorschläge in Brüssel eingereicht, um den Streit beizulegen. Der Entwurf sieht etwa vor, Landwirte künftig stärker zu regulieren. Sie sollen beispielsweise die Düngemengen auf ihren Feldern dokumentieren und längere Sperrfristen einhalten.
Eine Antwort aus Brüssel auf die Nachbesserungsvorschläge steht noch aus, sie wird in den kommenden Wochen erwartet. Aber möglicherweise hat die aktuelle Entscheidung aus Luxemburg mit ihrer europaweiten Wirkung Signalcharakter. Bei dem Urteil handelt es sich eigentlich um ein Vorlageverfahren: Das Gericht in Österreich hatte aufgrund eines laufenden Verfahrens in Luxemburg angefragt, wie es europäisches Recht zur Nitratrichtlinie auslegen soll.
Zwar steht noch nicht fest, welche Auswirkungen die EuGH-Entscheidung haben wird und wie das Recht auf Grundwasser ohne Nitratüberschuss konkret von den Behörden umgesetzt werden soll. Aber deutsche Wasserversorger fühlen sich in ihrer Kritik an zu laschen Düngeregeln bestätigt.
"Unsere Position wird gestärkt"
Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) liefert mit seinen zahlreichen Wasserversorgern 90 Prozent des deutschen Trinkwassers. "Unsere Position wurde nun gestärkt", teilte der VKU dem SPIEGEL mit.
Falls in einer Kommune der Grenzwert überschritten werde, könne ein Wasserversorger laut Urteil nun direkt von den zuständigen Behörden eine Anpassung verlangen, bis die Grenzwerte wieder eingehalten werden, so der VKU. Das beziehe sich auch auf bereits bestehende Aktionsprogramme oder zusätzliche Maßnahmen.
Allerdings hoffen die Trinkwasserversorger, dass die Werte zumindest langfristig unter der Grenze von 50 Milligramm bleiben und dies nicht in jedem Einzelfall eingefordert werden muss. Bis dahin dürfte es noch ein langer Weg sein.