Evolution
Junge Gene toben sich im menschlichen Hirn aus
Wie hat sich das menschliche Gehirn im Laufe der Evolution entwickelt? Ein Vergleich Maus und Mensch zeigt: Im Hirn von Neugeborenen sind viele Gene aktiv, die erst vor relativ kurzer Zeit entstanden sind.
Lauschendes Kleinkind: Bei der Hirnentwicklung sind insbesondere junge Gene aktiv
Foto: Z5456 Arno Burgi/ dpa
Hamburg - Dass sich das Hirn einer Maus und eines Menschen deutlich voneinander unterscheiden, ist klar. Aber wie genau entstehen diese Unterschiede? Lange vermuteten Forscher, dass die Denkorgane von Nagern und Primaten größtenteils von den gleichen Genen gesteuert, diese lediglich verschieden reguliert werden, so dass sie unterschiedlich stark aktiv sind.
Diese Vorstellung könnte sich jetzt ändern: Wie US-Forscher um Yong Zhang von der University of Chicago berichten, haben sogenannte junge Gene einen Anteil an der Hirnentwicklung. Gemeint sind damit Erbanlagen, die für Nagetiere und Primaten spezifisch sind, also erst relativ spät im Laufe der
Evolution entstanden sind. Zu den alten Genen zählen Wissenschaftler dagegen jene Erbanlagen, die schon bei den gemeinsamen Vorfahren von Mensch und Maus vorkommen. Diese Gene finden sich heute bei einem Großteil der Säugetiere.
In Dutzenden von untersuchten Proben zeigte sich: Im menschlichen Hirn machten die jungen Gene einen größeren Teil der aktiven Erbanlagen aus als im Denkorgan von Mäusen. Dieser Unterschied zeigte sich nur im Gehirn, nicht in anderen Körpergeweben.
Besonders deutlich waren die Unterschiede in den frühen Entwicklungsphasen - also bei Föten im Mutterleib und bei Säuglingen, berichten die Wissenschaftler im
Fachmagazin "PLoS Biology". Tatsächlich sei ein großer Anteil der jungen Gene vor allem in den ersten Phasen der Hirnentwicklung aktiv. Zudem scheinen sie besonders im Neokortex, der bei Menschen extrem ausgeprägt ist, zu arbeiten. "Es gibt 50 bis 60 für den Menschen typische Gene im frontalen Kortex des Gehirns - also in dem Teil, der Menschen von anderen Primaten unterscheidet", sagt Manyuan Long, der an der Studie beteiligt war.
Die jungen Gene seien mit zahlreichen verschiedenen Funktionen verknüpft, berichten die Forscher. Im Detail zu untersuchen, welche Aufgaben die insgesamt mehr als tausend analysierten Erbanlagen im Gehirn ausüben, sei Ziel weiterer Forschungsprojekte. So könnten sie in Zukunft genauer ergründen, wie sich die menschliche Gehirn entwickelte - und warum es sich von dem anderer Säugetiere unterscheidet.