Faszinierende Bilder Der Mensch als gläsernes Wesen
Der Junge ringt um Luft. Ein Arzt hat ihm ein Atemgerät aufgesetzt und untersucht den kleinen Patienten. Plötzlich ändert sich das Aussehen der beiden: Statt der Kleidung blickt der Zuschauer durch ihre Haut hindurch und sieht Knochen, Muskeln und innere Organe. Die Lunge des Jungen arbeitet hektisch, sein Herz pumpt aufgeregt.
Der freie Durchblick erinnert an Quallen, die wie die Menschen im Video ihr Inneres offen zur Schau tragen. Passenderweise trägt auch die Produktionsfirma die Qualle im Namen: Jellyfish Pictures hat die beeindruckenden Filmaufnahmen am Computer erstellt - mit Software, mit der sonst Tricksequenzen für Kinofilme entstehen.
"Kampf ums Leben" heißt die sechsteilige BBC-Dokumentation, die ab dem 10. Oktober bei Vox zu sehen ist. Die Mischung aus Realaufnahmen und fotorealistischen Computeranimationen soll zeigen, wozu der menschliche Körper fähig ist, wenn es ums Überleben geht. Der Zuschauer sieht, was im Innern des Patienten vorgeht - schon bevor die behandelnden Ärzte wissen, wie ihr Patient reagiert und was an Komplikationen bevorsteht. Gedreht wurde in Krankenhäusern in den USA und in London.
Insgesamt 250 verschiedene Computeranimationen tauchen in den sechs Folgen auf: Sie zeigen einen Herzinfarkt oder ein Baby im Mutterleib. Das Herz aus dem Computer würde wohl auch ein Pathologe für echt halten, und das Gesicht eines ungeborenen Babys, um dessen Hals sich die Nabelschnur gewickelt hat, wirkt geradezu beängstigend echt. Teils wechselt die Perspektive ins Mikroskopische, der Betrachter kann Vorgänge in Zellen beobachten.
Premiere des gläsernen Menschen schon 1930
Kameramann David Barlow und die Animationsspezialisten von Jellyfish Pictures haben nach eigenen Angaben nach penibel recherchierten anatomischen Vorlagen gearbeitet. Der Mensch wurde am Computer mit all seinen inneren Organen nachgebildet - inklusive Blutkreislauf, Muskeln, Skelett und Nervenbahnen. Aus dieser Vorlage erstellten die 3D-Designer dann Modelle aller benötigten Altersstufen.
Ein Modell des Menschen durchsichtig zu machen, ist keine neue Idee der Trickspezialisten von Jellyfish Pictures. Bereits 1930 wurde anlässlich der 2. Internationalen Hygiene-Ausstellung in Dresden ein gläserner Mensch präsentiert. Erbaut hatte ihn der Präparator Franz Tschackert. In einer Dresdner Marmeladenfabrik konnte er einen großen Dampfkessel nutzen, um mit heißem Wasserdampf den Kunststoff Cellon zu formen - die durchsichtige Außenhaut.
Damals galt der gläserne Mensch als technische und wissenschaftliche Sensation. Betrachter konnten die inneren Organe per Knopfdruck nacheinander aufleuchten lassen. Das Ausstellungsstück wurde zum Exportschlager der museumseigenen Werkstätten, insgesamt wurden nach Angaben des Museums über 30 Stück hergestellt. Die in der aktuellen Ausstellung im Dresdner Hygiene-Museum gezeigte gläserne Frau wurde Anfang der Achtziger Jahre gebaut.
hda