Fettleibigkeit in Europa Deutsche haben in Moppel-Liga den Bauch vorn

Dick, dicker, deutsch - in der Bundesrepublik leben im EU-Vergleich die meisten Übergewichtigen: Drei Viertel der Männer und mehr als die Hälfte der Frauen wiegen zu viel. Bei der krankhaften Fettleibigkeit liegen aber andere vorn - die Griechen.

Hamburg - Die Deutschen sind die dicksten Europäer. Dies ist das Ergebnis einer Studie der International Association for the Study of Obesity (IASO), aus der die "Süddeutsche Zeitung" vorab zitiert. In der Bundesrepublik sind 75,4 Prozent der Männer und 58,9 Prozent der Frauen zu schwer. Zum Vergleich: In Italien liegen die Zahlen bei 51,4 Prozent (Männer) und 34,5 Prozent (Frauen). Für Frankreich sind die Werte ähnlich niedrig. Als übergewichtig gilt, wessen Body Mass Index (BMI, siehe Kasten) größer als 25 ist. Liegt der BMI über 30, sprechen Mediziner von Fettsucht oder Adipositas.

Zumindest bei den besonders Dicken, den Fettsüchtigen, schneidet Deutschland laut der IASO-Studie im EU-Vergleich aber besser ab. "Die Deutschen führen nicht bei Fettleibigkeit", sagte Vojtech Hainer, der Präsident der European Association for the Study of Obesity (EASO), zu SPIEGEL ONLINE. Die Griechen, die Einwohner einiger osteuropäischer Länder und die Briten lägen weiter vorn. Nach Geschlechtern getrennt betrachtet liegen Männer aus Zypern und Frauen aus Tschechien vorne. "In Deutschland gibt es zwar nicht die niedrigsten Adipositas-Raten, aber sie sind auch nicht an der Spitze", sagte Hainer.

Von den deutschen Männern haben knapp 53 Prozent einen BMI zwischen 25 und 30 und gelten deshalb als übergewichtig, bei 22,5 Prozent liegt der BMI über 30. Damit liegt Deutschland bei den fettleibigen Männern im EU-Vergleich auf Platz sechs. Die fettleibigen Frauen landen mit einem Anteil von 23,3 Prozent auf Platz vier der EU-Rangliste. Zusätzlich 35,6 Prozent sind allerdings übergewichtig. Den vermeldeten Spitzenplatz belegten die Deutschen also nur durch die Kombination von übergewichtigen und adipösen Erwachsenen.

Näher an USA - aber noch nicht gleichgezogen

Aussagen, die Deutschen hätten beim Übergewicht mit den USA gleichgezogen, wie sie nach der Berichterstattung der "Süddeutschen Zeitung" beispielsweise von der Nachrichtenagentur ddp getroffen wurden, hält Hainer für problematisch. "Das glaube ich nicht. Daten, die das belegen, habe ich noch nie gesehen", sagte er. "Von allen Industriestaaten sind die USA das Land mit dem höchsten Anteil von Fettleibigen."

Die Studie gibt für den Anteil fettleibiger Erwachsener in den USA 31 Prozent bei Männern und 33 Prozent bei Frauen an. Auch für Jungen und Mädchen soll dort der Adipositas-Anteil jeweils jenseits der 30-Prozent-Marke liegen.

Die IASO hatte für ihre neue Europastatistik Angaben aus allen EU-Staaten ausgewertet, wobei aus Deutschland Zahlen des Gesundheitsberichts aus dem Bundesgesundheitsministerium, des Bundes-Gesundheitssurveys und des Bertelsmann-Gesundheitsmonitors einflossen.

Berthold Koletzko, Ernährungsmediziner an der Universität München, führt die hohe Übergewichtigenrate der Deutschen auch auf den Bierkonsum zurück: "Deutsche und Tschechen sind die fleißigsten Biertrinker", sagte er der "Süddeutschen Zeitung", gleichzeitig führten sie die Übergewicht-Statistik an. Bier biete zusätzliche Kalorien, die nicht sättigten - das trage zur Entstehung von Übergewicht bei.

Fettleibigkeit gilt in Ländern wie den USA mittlerweile als eines der größten Gesundheitsrisiken überhaupt, sie ist für Millionen Todesfälle weltweit verantwortlich. Zu den möglichen Folgen von Übergewicht gehören unter anderem Diabetes, Herz- und Kreislaufprobleme sowie übermäßige Belastungen von Knochen und Gelenken. In den USA wurden die finanziellen Folgen der Fettleibigkeit kürzlich auf 90 Milliarden Dollar beziffert.

Forscher versuchen schon seit längerem, mögliche genetische Ursachen von Fettsucht zu identifizieren. Den bisher wohl besten Beleg für einen Zusammenhang zwischen Genom und Gewicht haben Andrew Hattersley und Timothy Frayling von der Peninsula Medical School in der vergangenen Woche im Magazin "Science" beschrieben: das sogenannte FTO-Gen. Fraglich ist noch, welchen Einfluss es genau hat - jeder sechste Europäer könnte betroffen sein.

hda/AFP

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