Folge der Abholzung Amazonas-Regenwald könnte zur Savanne werden

Die fortschreitende Abholzung des größten tropischen Waldes bedroht nicht nur die Pflanzenvielfalt. Der Amazonas-Regenwald, der fürs Weltklima eine wichtige Rolle spielt, könnte austrocknen, fürchten Forscher. Bis 2030 droht der Verlust von mindestens 20 Prozent seiner Fläche.
Von Nicole Simon

Amazonas-Regenwald - dabei denkt man an tiefgrüne, feuchte und unzugängliche Waldlandschaften, an noch nicht entdeckte Arten und an eine riesige biologische Vielfalt. Mittlerweile ist das Waldgebiet aber auch zu einem Symbol für die Abhängigkeit des Klimas von natürlichen Ökosystemen geworden.

Der Amazonas umfasst etwa 4.1 Millionen Quadratkilometer und bedeckt fast 60 Prozent der Fläche Brasiliens. Man geht davon aus, dass jetzt schon ein Fünftel des Waldes zerstört ist. Illegale Rodungen und Bebauungen könnten den Regenwald am Amazonas bis zum Jahr 2030 um weitere 20 Prozent verkleinern, berichtet die brasilianische Zeitung "O Globo". Das Blatt beruft sich auf eine neue Studie von Wissenschaftlern um Britaldo Silveira Soares von der Universidade Federal de Minas Gerais in Belo Horizonte (Brasilien).

Der WWF spricht sogar davon, dass bis zu 55 Prozent des Regenwaldes in den nächsten 20 Jahren beschädigt oder zerstört werden könnten. Umweltschützer sehen den Grund vor allem in der gestiegenen Nachfrage nach Soja und Rindfleisch. Für die Bauern und Viehzüchter wird es reizvoller, Waldgebiete in Acker und Nutzflächen umzuwandeln. Also vergrößern sie ihre Felder, indem sie Waldstücke roden und als neue Anbauflächen nutzen.

Aber die Rodung bedroht nicht nur den Pflanzenbestand, sondern nimmt auch Einfluss auf das Klima: Bäume sind in der Lage, Feuchtigkeit aus dem Boden aufzunehmen und in Form von Wasserdampf verdunsten zu lassen. Wo Bäume aber fehlen, entsteht als Folge weniger Wasserdampf. Die Freigabe von Wasserdampf ist eine entscheidende Vorrausetzung dafür, dass sich Kumuluswolken bilden, die den Wald dann wieder mit Regen versorgen - ein perfekter Kreislauf.

Welche Rolle spielen Regenwälder im Klimasystem?

Nach Aussagen des World Wide Fund for Nature (WWF) wird das Ausbleiben von Niederschlägen häufiger, wenn die gerodeten Flächen mehr als dreißig Prozent ausmachen. Mit dieser Vermutung stehen die Wissenschaftler des WWF nicht alleine da.

Julio Tota aus Brasilien arbeitet zusammen mit Hunderten Wissenschaftlern an einem großen Biosphäre-Atmosphäre-Forschungsprojekt - an dem neben Brasilien auch die Nasa und der Europäischen Union beteiligt sind. 15 Freiluft-Labore verteilen sich als Beobachtungspunkte auf eine Regenwald-Fläche, die größer ist als Europa. Ziel des Projektes ist es, die Rolle des Regenwaldes im globalen Klimawandel zu erforschen.

Die Computersimulationen der Forscher prognostizieren, dass die Zerstörung des Regenwaldes eine große Dürre auslösen könnte. Kettenreaktionen in der Atmosphäre würden den Polar-Jet verschieben und damit auch die Niederschläge, die er mit sich bringt. Der Polar-Jet ist ein schmales, bandartiges Starkwindfeld in oberen Schichten der Atmosphäre mit hohen vertikalen und horizontalen Windgeschwindigkeiten. Die fehlenden Niederschläge könnten danach sogar dazu führen, dass sich der fruchtbare Regenwald in eine trockene Savanne verwandelt.

Kahlschlag hätte dramatische Folgen

Die Pflanzenwelt hat aber nicht nur einen großen Einfluss auf den Niederschlag, sondern auch auf die CO2-Billanz des Landes. Die Bäume des Amazonas speichern nach einem Bericht des WWF 90 bis 140 Milliarden Tonnen Kohlenstoffdioxid. Das entspricht einer Menge, die innerhalb von 9 bis 14 Jahren durch menschliche Aktivitäten freigesetzt wird. Die Abholzung der Wälder - ob nun durch Rodung oder die Verrottung der Bäume entlässt schon jetzt bis zu 400 Millionen Tonnen Kohlenstoffdioxid jedes Jahr in die Atmosphäre, das entspricht 80 Prozent der von Brasilien produzierten Treibhausgase. Damit steht Brasilien mindestens an Platz sechs auf der weltweiten Emissions-Liste. Im Gegensatz dazu kann jeder Hektar intakter Regenwald zwischen 90 und 545 Kilogramm Kohlenstoffdioxid aus der Atmosphäre ziehen und zusammen mit Wasser durch Photosynthese in Sauerstoff und Kohlenhydrate umwandeln.

Würde man es schaffen, die noch verbliebenen 80 Prozent des Amazonas am Leben zu erhalten, könnten die Pflanzen große Mengen Treibhausgase binden. "Wenn man alle tropischen Regenwälder der Erde abholzt, würde sich die Kohlenstoffdioxid-Konzentration in der Atmosphäre vermutlich um 25 Prozent erhöhen", sagt der Brasilianische Klimatologe Carlos Alberto Nobre. Auch der brasilianische Physiker und Amazonas-Wissenschaftler Paulo Artaxo glaubt, dass es unbedingt notwendig ist, dass Brasilien - Heimat von 70 Prozent des Regenwaldes - die weitere Zerstörung von Wald verhindert. "Es gibt keinen billigeren Weg, die Kohlenstoffdioxid-Emissionen zu reduzieren", sagt Artaxo.

Die Vegetationszone Tropischer Regenwald

Das Problem ist jedoch, dass viele Bauern von der Abholzung leben. Wissenschaftler haben berechnet, dass es Brasiliens Farmer, Bauern und Soja-Großkonzerne eine Milliarde Dollar im Jahr kosten würde, wenn die Abholzung gestoppt würde. In Bali auf der Welt-Klima Konferenz wurde beschlossen, nach Wegen für eine angemessene Entschädigung der Regenwald-Nationen zu suchen, damit diese das Ausmaß der Abholzung verringern.

Das Geld dafür könnte aus einem globalen Handel mit Emissionsrechten stammen. Industrienationen, die ihre Treibhausgase nicht den Auflagen des Kyoto-Protokolls oder einer Nachfolgevereinbarung entsprechend senken, könnten Planzungen oder andere Projekte in ärmeren Ländern finanzieren und so doch CO2-Einsparungen erreichen. Die Umsetzung eines weltweiten Handels mit CO2-Zertifikaten wird aller Vorrausicht nach aber sehr langwierig und schwierig sein.

Mit Material von AP

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