Frankreich Frau nach Gesichts-Teiltransplantation wohlauf
Lyon/Valenciennes - Der 38-jährigen Frau gehe es "aus körperlicher, immunologischer und psychologischer Sicht gut", sagte der französische Chirurg Jean-Michel Dubernard heute in Lyon. Ein Ärzteteam hatte der Frau am Sonntag Nase, Lippen und Kinn einer hirntoten Frau transplantiert.

Transplantation: Nase, Mund und Kinn von Spenderin
Dubernards Kollege Bernard Devauchelle, der an dem Aufsehen erregenden Eingriff mitgewirkt hatte, fügte hinzu: "Sie isst, sie trinkt, sie spricht deutlich." Erst in vier bis sechs Monaten werde aber klar sein, ob die Frau in den ihr transplantierten Gesichtsteilen Nase, Mund und Kinn dieselbe Empfindlichkeit habe wie zuvor.
"Die Patientin hat ihr Gesicht am Montagmorgen gesehen und uns gedankt", sagte Devauchelle. "Vor der Transplantation hatte sie keine Lippen mehr, und ohne Lippen ist es sehr schwierig zu atmen, zu trinken und zu essen." Die Ärzte seien "verblüfft" gewesen, wie gut die neuen Organe sich in das Gesicht der Patientin eingefügt hätten.
Ob der Körper der Frau das fremde Gewebe akzeptieren oder abstoßen werde, könne man zur Zeit noch nichts sagen. "In den nächsten vier bis sechs Monaten werden wir mehr wissen", sagte Dubernard. Um die Gefahr der Abstoßung so weit wie möglich zu verringern, seien der Patientin Stammzellen aus dem Knochenmark der Spenderin übertragen worden. "Damit geben wir der Transplantation die besten Chancen". Ein Scheitern des Eingriffs durch eine Abstoßung des fremden Gewebes wollte der Arzt nicht ausschließen.
Die Transplantationspatientin war im Mai von ihrem Hund schwer verletzt worden. Dubernard dementierte Angaben ihrer Tochter, denen zufolge die Frau zuvor einen Selbstmordversuch unternommen habe. Die Frau habe lediglich Tabletten eingenommen, um nach einem heftigen Streit mit der 17-Jährigen schlafen zu können. "Später ist sie aufgestanden, und der Hund hat sie gebissen - warum, wissen wir nicht."
Dubernard räumte auf der heutigen Pressekonferenz ein, dass er vor dem Eingriff Bedenken gehegt habe. Aber nachdem er den Zustand der Patientin gesehen habe, habe er keine Sekunde mehr gezögert. Der Eingriff wurde von einzelnen Ärzten auch kritisiert: Man habe gar nicht erst versucht, das Gesicht der Patientin mit konventioneller plastischer Chirurgie zu rekonstruieren, sondern sofort nach einer Spenderin für ein neues Gesicht gesucht, sagte etwa der französische Chirurg Laurent Lantieri. Andere französische Mediziner sahen die einschlägigen Ethikregeln hingegen gewahrt, weil die Patientin kein komplettes neues Gesicht erhalten habe.
Dubernard hatte 1998 bereits die weltweit erste Transplantation einer Hand ausgeführt. Im Jahr 2000 nähte er dann erstmals einem Patienten zwei neue Hände und Unterarme an.
Die Vereinigung Deutscher Plastischer Chirurgen hatte gestern auf die Risiken des Eingriffs hingewiesen. Die Übertragung eines Gesichts dauere mindestens 36 Stunden. Damit verbunden seien ein hoher Blutverlust sowie die Gefahr von Thrombosen und Infektionen. Um eine Abstoßungsreaktion zu vermeiden, müsse der Patient ein Leben lang starke Medikamente nehmen, die wiederum Infektionen begünstigten und im späteren Leben zu bösartigen Tumorerkrankungen führen könnten. Deshalb könne die Gesichtstransplantation wohl niemals ein Routineeingriff werden.