G7-Initiative von Olaf Scholz Willkommen im Klimaklub

Eine neue Allianz von Staaten soll künftig den weltweiten Kampf gegen den Klimawandel anführen. Das Projekt von Kanzler Scholz ist ein politisch anspruchsvoller Spagat – nicht nur wegen des Ukrainekrieges.
Olaf Scholz mit John Kerry, Klima-Sondergesandter von US-Präsident Biden

Olaf Scholz mit John Kerry, Klima-Sondergesandter von US-Präsident Biden

Foto: Janine Schmitz / photothek / IMAGO

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Egal, ob Schach, Angeln oder Politik – ein Klub bringt Menschen zusammen, die gleiche Interessen haben, sich gemeinsame Regeln setzen und zusammen etwas auf die Beine stellen wollen. Sie grenzen sich von anderen ab – und können dadurch eventuell mehr bewegen. Der Klubgedanke ist deshalb vielleicht genau das Richtige für die internationale Klimapolitik.

Das mag sich Kanzler Olaf Scholz gedacht haben, als er vor rund einem Jahr das erste Mal laut über einen Klimaklub nachdachte und ihn erst als Kanzlerkandidat und Finanzminister den EU-Ländern und dann bei einem G20-Treffen vorstellte.

Nachdem der Vorschlag sogar im Koalitionsvertrag der Ampel auftauchte, könnte er nun auf dem G7-Gipfel in Elmau  erstmals ernsthaft diskutiert werden – und es sogar ins Abschlusskommuniqué schaffen, das am Dienstag vorliegen soll. Fragt man Experten und Expertinnen zu den Chancen, hat der Klimaklub sogar das Zeug, eine neue Etappe internationaler Klimadiplomatie einzuleiten.

Doch was steckt dahinter? Ursprünglich stammt die Idee des Klimaklubs gar nicht von Olaf Scholz, sondern vom Ökonomen und Nobelpreisträger William D. Nordhaus. Der hatte den Ansatz bereits kurz vor dem Abschluss des Pariser Weltklimaabkommens 2015 in einem Forschungsaufsatz veröffentlicht . Nordhaus bemängelte, dass es bei internationalen Klimavereinbarungen zu viele Trittbrettfahrer gebe, so könne nur sehr langsam eine echte Dynamik im Klimaschutz entstehen.

Kohlekraftwerk in Japan: Selbst unter den G7-Ländern tun sich einige Regierungen mit dem Klimaklub schwer

Kohlekraftwerk in Japan: Selbst unter den G7-Ländern tun sich einige Regierungen mit dem Klimaklub schwer

Foto: Tomohiro Ohsumi / Bloomberg / Getty Images

Der Klimaklub bekommt nun, sieben Jahre nach dem Pariser Abkommen und Nordhaus' Aufsatz, endlich seine verdiente Aufmerksamkeit. Für Kanzler Scholz dürfte er eine Art spieltheoretischer Winkelzug sein – wenn er ihn geschickt umsetzt. Die Idee: Mit einer Kerngruppe von gleich gesinnten Staaten ein Handelsabkommen  zu schaffen, dem sich durch seine Attraktivität schließlich immer mehr Staaten anschließen, bis irgendwann alle im Boot sind.

Zweck des Klubs ist, so schnell wie möglich die Emissionen zu senken – und das möglichst ohne größere Schäden für die Wirtschaft. Es geht um Windparks, grüne Stahlwerke , Elektroautos und Grenzwerte für Müllverbrennungsanlagen. Der Klub soll einen freien Handel unter Gleichgesinnten mit klimafreundlichen Produkten garantieren und das »Carbon Dumping« – also die Konkurrenz durch billigere CO2-intensive Produkte – ausschalten.

»Ist der Klimaklub ein rein westliches Bündnis, könnte das als Kampfansage gegen Länder wie China verstanden werden.«

Frank Peter, Industrieexperte von Agora Energiewende

Der Klub soll außerdem ein politisches Antidot zu der toxischen Dynamik sein, die in den vergangenen 30 Jahren allzu häufig bei internationalen Klimaverhandlungen dominierte: sich lieber gar nicht oder nur langsam bewegen, aus Angst, der andere könnte sonst einen Vorteil haben. Nun soll das umgedreht werden. Wer nicht mitmacht, soll Angst haben, etwas zu verpassen. Ein Zweiklassensystem im Namen des Klimas.

»Umsetzungsvehikel für den trägen Uno-Dampfer«

Was die Allianz konkret erreichen will, darüber gibt es schon ziemlich genaue Vorstellungen. Und auch im Koalitionsvertrag werden konkrete Themen genannt, die laut Experten und Expertinnen zumindest teilweise in Gesprächen eine Rolle spielen.

Die Mitglieder des Klimaklubs könnten:

  • sich auf ein gemeinsames Datum für den Ausstieg aus dem Verbrennermotor  einigen – so, wie es in der EU gerade diskutiert wird

  • Regelungen für Standards von Produkten oder industriellen Anlagen, etwa Müllverbrennungsanlagen, beschließen

  • gemeinsame Ziele für die Senkung der Methanemissionen und

  • Regeln für ein Stahlabkommen aufstellen, das klimafreundlichen Stahl und den Ausstieg aus Hochöfen begünstigen würde, sowie

  • Mindestquoten in der öffentlichen Beschaffung einführen.

Für einige dieser Punkte gibt es bereits Allianzen – sie wurden auf der vergangenen Klimakonferenz in Glasgow geschmiedet, etwa für Methan. Auch bei anderen Themen sind die Möglichkeiten weitreichend: Die Mitglieder könnten sich auf eine gemeinsame Subventionspolitik für ihre Schwerindustrie einigen, etwa für die Umrüstung von Stahlwerken auf Wasserstoff.

Umrüstung der Schwerindustrie: Eine gigantische Aufgabe für die nächsten Jahrzehnte

Umrüstung der Schwerindustrie: Eine gigantische Aufgabe für die nächsten Jahrzehnte

Foto: Sean Gallup / Getty Images

»Denkbar ist auch, dass sie ähnlich wie in der Europäischen Union gemeinsame Produktstandards entwickeln oder sich auf Regeln einigen, wie genau man den CO2-Fußabdruck von Waren misst«, kommentiert Frank Peter, Industrieexperte beim Thinktank Agora Energiewende. »Der Klimaklub wäre eine Art Konkretisierung für den Pariser Klimavertrag, bei dem sich die Ziele bisher eher auf die Gesamtemissionen konzentrieren.« So könnten erstmals verbindliche Zusagen zwischen den Ländern zum Umbau der Industrie geschlossen werden.

»Der Trend bei der Umsetzung des Pariser Abkommens geht zu dieser Art von Kooperationen zwischen den Staaten – auch weil das einfacher ist, als sich immer gleich mit 200 Staaten zu einigen«, meint Christoph Bals von der Nichtregierungsorganisation Germanwatch. Dennoch würde auch solch ein Klimaklub parallel zum Pariser Abkommen existieren, als eine Art Umsetzungsvehikel des sonst eher trägen Uno-Dampfers.

Dilemma: Exklusiv oder offen für alle?

Doch es gibt gute Gründe, warum seit einem Jahr viel über den Klub geredet wird, aber bisher wenig dabei herausgekommen ist. Die Architekten der Scholz-Idee stehen von einem Dilemma: Ist der Kreis der Staaten zu exklusiv, fühlen sich andere ausgeschlossen und man erreicht sein Ziel nicht, alle zum Klimaschutz zu motivieren. Sind die Bedingungen des Eintritts zu lasch, ist der ganze Klub wenig sinnvoll.

Darüber brüteten die Diplomaten in den vergangenen Wochen und Monaten, wie Beobachter und Beobachterinnen der Verhandlungen berichten. Vor allem Schwellen- und Entwicklungsländer könnten sich von so einer G7-Initiative schnell verstoßen fühlen. Das wären keine guten Voraussetzungen für das nächste Uno-Klimatreffen im November.

Idee des Klimaklubs: Schnelle Energiewende durch gemeinsame Standards

Idee des Klimaklubs: Schnelle Energiewende durch gemeinsame Standards

Foto: CFOTO / Future Publishing / Getty Images

Wäre der Klimaklub eine reine G7-Initiative, könnte das sogar das Klimaabkommen gefährden, meinen Experten wie Frank Peter. »Die Vereinbarung im Abschlusskommuniqué muss unbedingt als Einladung an andere Staaten verstanden werden, sonst haben wir ein rein westliches Bündnis, das als Kampfansage gegen Länder wie China verstanden werden könnte.« Das könne in der ohnehin prekären Lage durch Russlands Angriffskrieg diplomatischen Schaden anrichten.

Probleme gibt es aber auch innerhalb der G7: So war eine Idee ursprünglich, den Eintritt in den Klimaklub an einen CO2-Preis zu koppeln. Das war allerdings für die USA ein Tabu. Das Land regelt seine Energiewende eher über Anreize oder Grenzwerte. Damit war das vom Tisch – ohne die USA ist der Klub nicht denkbar. Dann stellte sich Frankreich quer – das Land befürchtete eine Konkurrenz zum derzeit verhandelten CBAM-Mechanismus auf europäischer Ebene , mit dem CO2-intensive Importe besteuert werden sollen. »Die Deutschen haben die Idee, dass der Klimaklub nicht in erster Linie Zollpolitik betreibt, sondern sich eher auf gemeinsame Standards einigt«, so Peter.

Schließlich hätten die Unterhändler in den vergangenen Wochen vor dem G7-Gipfel auch noch Japan überzeugen müssen. Das Land hat bisher nur einen geringen Anteil an erneuerbaren und eine starke Kohleindustrie. Nun ist das Land laut Informationen aus Verhandlungskreisen aber mit an Bord – vor allem aufgrund seines schwierigen Verhältnisses zu China und dessen Haltung zu Russland.

China ist der Elefant im Raum

»Man kann bei einem solchen Klub viel falsch machen«, meint auch Christoph Bals. »Es muss die Balance gefunden werden zwischen einem Kreis, in dem nur nett geplauscht wird, und einem exklusiven Handelsbündnis, das andere systematisch ausschließt.« Konkret heiße das, die Klubgründer müssten die richtige »Klimaschutz-Messlatte« und die nötigen Instrumente finden, um auch ärmeren Ländern den Zutritt zu ermöglichen.

Es ist etwa nicht möglich, den Klub nur für Länder zu öffnen, die bis 2050 klimaneutral werden wollen. Damit schließe man wichtige Staaten wie China und Indien schon einmal aus. Die wollen das erst frühestens 2060 erreichen. Bals plädiert deshalb dafür, die Ziele für 2030 als Eintrittsbedingung zu nehmen: »Das könnte ein Anreiz für China sein, seine Ziele noch nachzuschärfen«, meint der Klimaexperte. »Weniger reiche Schwellenländer könnten gezielt dafür unterstützt werden.« China will eigentlich erst bis 2030 den Höhepunkt seiner Emissionen erreicht haben.

Ohnehin ist China immer der Elefant im Raum: »Fühlt sich China ausgeschlossen, kann das zu einem Riesenproblem werden«, sagt Frank Peter. »Wird der Klub als Schulterschluss der westlichen Welt verstanden, könnte das die Uno-Verhandlungen erschweren.« Außerdem sei das nicht zielführend: Schließlich würden allein in China 50 Prozent der weltweiten Stahl- und Zementproduktion sitzen.

Für das Klima ist es bekanntlich egal, wo die Treibhausgase in die Atmosphäre steigen. Nur weniger sollten es werden. Und zwar schnell.

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