
G7-Treffen der Energie- und Klimaminister Trotz Klimaversprechen geht die fossile Party weiter


Abschlussfoto in Berlin des G7-Ministertreffens am Freitagmittag
Foto: JOHN MACDOUGALL / AFPDieser Artikel gehört zum Angebot von SPIEGEL+. Sie können ihn auch ohne Abonnement lesen, weil er Ihnen geschenkt wurde.
Auf dem G7-Treffen der Energie- und Umweltminister war eigentlich alles perfekt: Im Schatten des alten Gasometers in Berlin-Schöneberg kamen die »Guten« der Klimadiplomatie zusammen. Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne), Robert Habeck (Grüne), der britische Präsident der Uno-Klimaverhandlungen Alok Sharma und der US-Klima-Veteran John Kerry gaben am Freitagmittag eine Pressekonferenz. Sie bemühen sich seit Monaten die Fahne im Kampf gegen Klimawandel hochzuhalten – trotz Krisen und Kriegen.

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Sogar den Veranstaltungsort wählten sie mit Bedacht. Der Euref-Campus hat schon das geschafft, wofür die Minister und Klimadiplomaten in ihrer Abschlusserklärung warben: Hier arbeiten über hundert Start-ups an Lösungen für die Energiewende, und seit 2014 ist man bereits klimaneutral. Dass die Welt diesen Punkt ähnlich zielsicher erreichen wird, ist allerdings fraglich. Das zeigen auch die aktuellen Verhandlungen im Vorfeld des G7-Gipfels Ende Juni.
Kollektive kognitive Dissonanz
Dabei können sich die Ergebnisse der aktuellen Gespräche auf den ersten Blick sehen lassen: Bis 2035 wollen die reichsten sieben Industrienationen ihre Stromsektoren klimaneutral machen, in bereits acht Jahren sollen »überwiegend« emissionsfreie Fahrzeuge unterwegs sein, und es soll massive Investitionen für eine klimafreundliche Schwerindustrie und in erneuerbare Energien geben.
Die G7 stellen zudem erstmals fest, dass fossile Subventionen »inkompatibel mit den Zielen des Pariser Abkommens sind«. Und sie versprachen konkrete Schritte für ein Aus der Kohleverstromung, allerdings – und da fangen die Probleme an – ohne ein Datum zu nennen.

Abschluss Pressekonferenz der G7-Minister
Foto: ANNEGRET HILSE / REUTERSDie Welt leidet beim Klimathema unter einer kollektiven kognitiven Dissonanz – einer Zerrissenheit zwischen konkurrierenden Interessen, die sich nicht miteinander vereinbaren lassen. Und durch die aktuelle Energiekrise verschlimmert sich dieser Zustand noch.
So unterzeichneten Habeck und Kerry am Freitag am Rande ihres Treffens eine Absichtserklärung, laut der beide Länder zusammen »Vorreiter« in Sachen erneuerbare Energien werden wollen. Es gibt eine Kooperation bei Wasserstoff, Offshore-Windkraftanlagen und emissionsfreien Fahrzeugen. Und auch an die Zusage vieler Länder, den Methanausstoß bis 2030 um 30 Prozent zu senken, erinnerte Kerry. Deutschland will helfen, das weltweit durchzusetzen.

Frackingturm in den USA in Pennsylvania
Foto: Jim Lo Scalzo/ dpaGleichzeitig wird Deutschland bald in rauen Mengen das extrem klimaschädliche »Freedom-Gas« importieren. Der Ukrainekrieg und der Gashunger in Deutschland tragen dazu bei, dass in den USA wieder verstärkt die Förderung des Frackinggases boomt. Ein Geldsegen für die US-Gasindustrie – und ein Desaster für Böden und Grundwasser, ganz abgesehen von der hohen CO2-Bilanz.
Im Schatten der G7-Versprechen sind Unternehmen wie Coterra Energy schon eifrig dabei, das Gelände zu kartieren, um neue Frackingtürme aufzubauen. Und gleichzeitig werden in Deutschland von Steuergeldern LNG-Terminals gebaut.
Allein die bereits geplanten Bohrprojekte auf dem Land und an den Küsten der USA würden bei vollständiger Realisierung 140 Milliarden Tonnen Klimagase freisetzten, errechnete der »Guardian« in einer groß angelegten Recherche vor wenigen Tagen. Das sind mehr als ein Viertel (!) des verbleibenden Budgets für das 1,5-Grad-Ziel.
Sicher braucht Deutschland eine Überbrückung für ausfallende Russland-Importe. Doch heute getätigte Investitionen in klimaschädliche Technologien hallen über Jahre oder Jahrzehnte nach. Und eine Garantie für den Ausstieg gibt es nicht.
Geostrategische Interessen wiegen höher
Auch kündigten die Regierungen der USA und rund 20 weitere Länder bereits bei der Klimakonferenz in Glasgow im vergangenen November an, keine »direkte öffentliche Unterstützung« für fossile Projekte im Ausland mehr zu geben. Nun wurde der Passus durch den Einschub ergänzt: »in der Erkenntnis, dass die Förderung nationaler Sicherheits- und geostrategischer Interessen von entscheidender Bedeutung sind«.
Just hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) auf seiner Afrikareise in dieser Woche der Regierung in Senegal angeboten, diese bei der Gasförderung zu unterstützen. Das ist so ziemlich das Gegenteil des G7-Versprechens. Statt bei der Förderung von Gas müssen Entwicklungs- und Schwellenländer im Sinne des Klimaschutzes endlich entscheidend dabei unterstützt werden, ihre Energiewende einzuleiten – und zwar mit Geld, sehr viel Geld.
Zwar hantieren gerade die reichen Staaten immer wieder mit Milliardenversprechen für ärmere Länder, doch die strukturellen Probleme werden dadurch bei genauem Hinsehen nie gelöst. Ein Systemwechsel in der Finanzwelt ist nötig. Industrieländer müssen endlich die Kreditaufnahme erleichtern, Garantien für privates Kapital geben oder sich an Mischfinanzierungen beteiligen. Eine Versiebenfachung der Investitionen bis 2030 in Entwicklungs- und Schwellenländern wäre nötig, wie die G7 – vor dem Ukrainekrieg – im Dezember noch erklärten.
Genau darum wird es auch auf der nächsten Uno-Klimakonferenz in Ägypten gehen. Doch bislang bleiben die Erklärungen dazu schwammig – obwohl es hier um handfeste Billionen-Dollar-Investitionen geht.
Werden die Bekenntnisse der Industrienationen nicht bald konkreter, könnten die Uno-Klimaverhandlungen zu belanglosen Treffen verkommen. Die Versprechen müssen von den Staaten in ernst gemeinte Ordnungs- und Preispolitik übersetzt werden. Sonst geht die fossile Party weiter.