Gefälschte Schädel Protsch von Zietens Karriere beendet
Der Frankfurter Anthropologe Reiner Protsch von Zieten hat nach Überzeugung einer Expertenkommission jahrzehntelang sein Amt für Fälschungen und Manipulationen missbraucht. Das Gremium empfiehlt in seinem am Donnerstag in Frankfurt veröffentlichen Abschlussbericht daher harte Disziplinarmaßnahmen gegen den mittlerweile aus dem Amt geschiedenen Professor. Die Experten werfen Protsch vor, "im Verlauf der vergangenen 30 Jahre immer wieder wissenschaftliche Fakten gefälscht und manipuliert" zu haben.
Erstmals war im August vergangenen Jahres der Verdacht aufgekommen, dass Protsch vermeintliche Schädelfunde aus der menschlichen Vorgeschichte um zehntausende von Jahren vordatiert und damit ein verfälschtes Bild von der Entwicklung des Menschen gezeichnet hatte (DER SPIEGEL berichtete). Untersuchungen mit der Radiokarbonmethode ergaben nach Expertenangaben, dass die von Protsch als Sensationsfundstücke vorgestellten Schädelfragmente statt mehr als 30.000 Jahre nur wenige hundert Jahre alt waren.
Der Frankfurter Professor habe damit die anthropologische Wissenschaft in die Irre geführt, hieß es. Der Greifswalder Archäologe Thomas Terberger wurde bereits vor Monaten mit den Worten zitiert: "Die Anthropologie muss jetzt ein neues Bild des anatomisch modernen Menschen in dem Zeitraum zwischen 40.000 und 10.000 entwerfen."
Nach dem Bericht der "Kommission zum Umgang mit wissenschaftlichem Fehlverhalten" hat Protsch unter Vorspiegelung eines funktionierenden Datierungslabors "Auftraggeber von Datierungsanalysen getäuscht, das geistige Eigentum anderer missbraucht beziehungsweise plagiiert, seine Regelverletzungen systematisch verschleiert und sich Gegenstände im Eigentum anderer rechtswidrig angeeignet oder über deren Herkunft getäuscht". Die Kommission empfahl zu prüfen, ob Protsch nach der auf dessen eigenen Antrag erfolgten Versetzung in den Ruhestand "das Ruhegehalt abzuerkennen ist".
Die Frage, warum das "offensichtlich wissenschaftliche Fehlverhalten" des Beschuldigten nicht bereits viel früher entdeckt und durch die Universität Frankfurt geahndet wurde, beantwortete die Kommission unter anderem mit dem Hinweis auf das Fehlen entsprechender universitärer Instanzen. Zum anderen hätten Kollegen und die Universitätsleitung "Ausmaß und Tragweite des Fehlverhaltens von Professor Protsch offensichtlich falsch eingeschätzt und es deshalb nicht konsequent verfolgt".
Die Kommission empfahl der Hochschule wirksame Gegenmaßnahmen. Das Präsidium der Frankfurter Universität verwies ebenfalls am Donnerstag darauf, dass mit der Versetzung Protschs in den Ruhestand ein Hauptziel der Hochschule erreicht sei und der Beschuldigte seine umstrittene Tätigkeit an der Hochschule nicht mehr fortsetzen könne. Gleichwohl werde das Disziplinarverfahren fortgesetzt. "Als Ergebnis kommt die teilweise oder vollständige Aberkennung des Ruhegehalts in Betracht", heißt es in der Erklärung des Präsidiums.
Die Hochschule verwies ferner auf die gegen Protsch parallel laufenden staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen und unterstrich ihr Interesse an deren baldigem Abschluss. "Damit hat die Universität mit äußerster Konsequenz alles in ihrer Macht stehende zur Aufklärung des Falles Protsch getan", erklärte Universitätspräsident Rudolf Steinberg, der sich ausdrücklich im Namen der Universität "bei allen durch Herrn Protsch Geschädigten" entschuldigte.
Anselm Bengeser, AP