Genforschung 200 Jahre alte DNA liefert Hinweise auf Sklavin

Sklaven-Unterkünfte auf einer Plantage im US-Bundesstaat Louisiana (Archivbild)
Foto: Zave Smith/ APEs gibt Menschen, deren Name auch lange Zeit nach ihrem Tod nicht vergessen ist. Francis Scott Key ist so ein Fall, jedenfalls in Amerika. Der Rechtsanwalt und Gelegenheitspoet aus Maryland hat im Jahr 1814 ein Gedicht geschrieben, das später zum Text der US-Nationalhymne wurde ("The Star-Spangled Banner"). Es geht darin um einen Angriff der britischen Armee auf das amerikanische Fort McHenry in Baltimore.
Rund 30 Kilometer südlich von dort, im Örtchen Crownsville, lebten Verwandte von Key auf einer fast 300 Hektar großen Tabakplantage namens Belvoir, auch Scott's Plantation genannt. Als Kind war der Dichter auch dort, zu Besuch bei seiner Großmutter Ann Ross Key. Und rund um das Herrenhaus schufteten damals zahlreiche Menschen, deren Namen heute niemand mehr kennt. Auf dem Gut arbeiteten zwischen 1736 und 1864 Sklaven aus Westafrika und deren Nachfahren, erst kürzlich wurden Überreste eines Friedhofs auf dem weitläufigen Gelände entdeckt.
Ein weiterer Fund gibt nun den bis heute namenlosen Sklaven zumindest einen Teil ihrer Geschichte zurück. Das Ganze hat mit den Resten einer kleinen, etwa 200 Jahre alten Tonpfeife zu tun, die Forscher um Julie Schablitsky von der Maryland State Highway Administration aus Boden von Belvoir gebuddelt haben. Im Fachmagazin "Journal of Archaeological Science" beschreibt ein internationales Forscherteam, wie es ihm gelungen ist, aus dem Fundstück menschliches Erbgut zu isolieren und anschließend zu untersuchen.
Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Pfeife von einer Frau geraucht wurde, die entweder selbst aus der Region des heutigen Sierra Leone stammte, oder zumindest aber ihre Vorfahren. Sie sei genetisch eng mit den Mitgliedern des Volkes der Mende verwandt.
Wegwerfartikel mit Zahnabdrücken
Solch kleine Tonpfeifen waren vor dem Aufkommen der Zigarette massenhaft im Einsatz. Sie waren billig produziert und hielten oft auch nicht lange. Einmal defekt wurden sie weggeworfen, wie auch die Pfeife von Belvoir. Diese muss allerdings immerhin lange genug in Benutzung gewesen sein, dass sich Zahnabdrücke auf dem Pfeifenstiel fanden. Sie brachten die Archäologin Schablitsky zu der Frage, ob sich in den Vertiefungen womöglich noch Erbgutreste aus altem Speichel nachweisen ließen, gebunden im Ton. Und tatsächlich: Forscher der University of Illinois in Urbana-Champaign konnten tatsächlich DNA-Reste isolieren.
Eine Erbgutdatenbank in Dänemark brachte dann die Verbindung zu den Mende in Westafrika, die dort bis heute in den Staaten Sierra Leone, Liberia und Guinea leben. Im 19. Jahrhundert sorgten kriegerische Auseinandersetzungen in ihrer Heimat dafür, dass sie in besonderem Maße von Versklavung betroffen waren. Ein Angehöriger dieses Volkes, Sengbe Pieh, auch bekannt als Joseph Cinqué, war Anführer des Sklavenaufstandes auf dem spanischen Schiff "La Amistad". An seinen Namen mag sich also auch der eine oder andere erinnern - zumal Steven Spielberg den Fall 1997 unter dem Namen "Amistad " verfilmt hat: Rund 50 Verschleppte aus Afrika hatten unter Piehs Führung ihre Freiheit erkämpft, um die sie in den USA allerdings einen langwierigen Rechtsstreit führen mussten.
Doch die allermeisten Namen der Sklaven bleiben im Dunkeln. Laut der "Trans-Atlantic Slave Trade Database " wurden zwischen 1514 und 1866 mehr als 12,5 Millionen Menschen in Afrika verschleppt und in die Neue Welt gebracht. Hunderte von ihnen landeten auch im Hafen von Annapolis im Bundesstaat Maryland an, unweit von Belvoir - so brachte die "Margaret" im Jahr 1718 117 Sklaven von Bunce Island im Sierra Leone River, die "Lord Ligonier" im Jahr 1767 96 Männer und Frauen aus Gambia.
Die Tonpfeife der Tabakpflanzer von Belvoir erinnert nun an eine von ihnen - oder eine ihrer Nachkommen. Einen Namen der Frau kennt die Welt noch immer nicht, aber ihre Geschichte ist dem Dunkel zumindest ein kleines Stück weit entrissen.