Gerüche und Erinnerungen
Wenn das Auge die Nase täuscht
Der Geruch von Sonnencreme erinnert an einen schönen Tag am Strand, der Duft von Rosen versetzt einen in Gedanken zurück in den Garten der Oma. Forscher aus Großbritannien haben jetzt eine Erklärung für die Verbindung von Gerüchen und Erinnerungen gefunden.
Schon Marcel Proust hat das Phänomen in seinem Roman "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" beschrieben: Ein kleiner duftender Lufthauch genügt, um den Menschen in Jahrzehnte alte Erinnerungen zurückversetzen. Britische Neurowissenschaftler glauben nun, eine Erklärung dafür gefunden zu haben: Erinnerungen sind über das gesamte Gehirn verstreut gespeichert, werden aber vom Hippocampus zentral gesteuert. Wird einer der menschlichen Sinne stimuliert und aktiviert eine Erinnerung, so die Theorie der Forscher, werden auch verwandte Erinnerungen aufgerufen, die auf andere Sinne zurückgehen.
Das Team um Jay Gottfried vom University College London zeigte seinen Testpersonen Fotos, die sie mit Gerüchen in Verbindung bringen sollten. Die Gerüche aber hatten mit den Bildern wenig zu tun. Ein Foto einer Ente sollte etwa mit dem Duft von Rosen in Zusammenhang gesetzt werden. Die Testpersonen, so hofften die Wissenschaftler, könnten sich dann das Bild einer Ente vorstellen, die durch einen Garten mit duftenden Rosen watschelt.
Später sahen die Testpersonen die Bilder erneut, diesmal aber ohne Geruch und im Wechsel mit unbekannten Bildern. Dabei wurde die Aktivität in verschiedenen Bereichen des Gehirns gemessen. Wie die Wissenschaftler im Fachblatt "Neuron" schreiben, zeigte sich dabei, dass das Betrachten der bekannten Fotos zwei Regionen stimulierte: den Hippocampus und den piriformen Cortex, der Gerüche verarbeitet. Die neuen, unbekannten Bilder hatten diesen Effekt nicht.
Damit ist nach Meinung der Forscher bewiesen, dass nicht nur Gerüche Erinnerungen wecken, sondern auch Bilder Geruchsempfindungen aktivieren können. Gottfried nimmt außerdem an, dass Erinnerungen, die an einen Geruch gebunden sind, am längsten gespeichert werden - und selbst dann präsent bleiben, wenn der Hippocampus seine kontrollierende Rolle aufgegeben hat. Patienten mit verletztem Hippocampus etwa können eine Amnesie haben, die mehrere Jahre zurückreicht, und sich dennoch an Gerüche aus ihrer Kindheit erinnern.
Warum gerade der Geruch so lange gespeichert wird, ist noch unbekannt. Auch wie genau die engen Kontakte zwischen Sinnen und Erinnerungen funktionieren, wissen die Experten noch nicht. "Wer das beantworten kann, dürfte sich auf einen Nobelpreis freuen", meint Gottfried.
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