Google Street View in Japan Unterwegs im Grauen
Hamburg - Googles Street View ermöglicht Menschen in aller Welt nicht nur den Blick auf die Skyline Hongkongs, in die Straßen der Bronx oder eine Panoramaansicht des Turms von Pisa. Jetzt kann man im heimischen Wohnzimmer auch die Folgen von Katastrophen besichtigen: Mit dem Street-View-Dienst kann man 360-Grad-Fotos jener Orte anschauen, die im März nach dem verheerenden Erdbeben und dem Tsunami in Japan verwüstet worden waren.
Die Aufnahmen zeigen in besonders plastischer und beklemmender Art das Ausmaß der Zerstörung. Berge von Schutt, Gebäudegerippe, beschädigte Autos, Deiche und Brücken. Insbesondere in den schwer betroffenen Städten wie Kesennuma oder Sendai kann man sich durch die zerstörten Straßenzüge klicken. Eine eingebaute Vorher-Nachher-Funktion verstärkt das Gefühl der Beklemmung und verbildlicht die Wucht der Naturgewalten.
Mancherorts lassen sich auch schon Fortschritte erkennen. Bauarbeiten an Gebäuden, gesäuberte Straßen, aufgeräumte Trümmerberge. Trotzdem wird bei dem Anblick sofort klar: Es wird noch Jahre, wenn nicht Jahrzehnte dauern, bis Japan sich von den Folgen seiner bisher größten Naturkatastrophe erholt hat.
Wochenlang hatte Google seine Kameraautos durch die Region Tohoku geschickt, die dabei rund 44.000 Kilometer zurückgelegt haben sollen. Lediglich die Sperrzone um das havarierte AKW Fukushima Daiichi blieb selbst für Google tabu, und so gibt es von den radioaktiv schwer belasteten Geisterstädten keine Aufnahmen.
Google versteht seinen Street-View-Dienst als hilfreiche Unterstützung für Historiker, Architekten, Stadtplaner und Tourismuseinrichtungen: So sollen sämtliche Aufnahmen künftig am unteren Bildrand mit einem Datum versehen sein. Dies sei eins der am meisten nachgefragten Merkmale gewesen, seit es Street View gibt, schreibt Google in seinem Konzern-Blog .
"Memories for the future" hat der Internetgigant das Street-View-Projekt in Japan getauft. Doch wie Googles 3-D-Ansichten bereits an anderer Stelle für heftige Debatten um den Schutz der eigenen Privatsphäre gesorgt haben, wird auch jetzt die Einladung Googles zum Katastrophen-Voyeurismus vermutlich gespaltene Reaktionen hervorrufen - und die Frage: Wie weit darf die Technik gehen?
Schätzungsweise 20.000 Menschen sind bei der Naturkatastrophe ums Leben gekommen. Tausende Menschen werden noch als vermisst geführt, Hunderttausende mussten ihre Häuser verlassen.