Heißes Wasser Unterhaching will sich von Öl und Gas befreien
Ein Hauch von Saudi-Arabien weht derzeit durch die Gemeinde Unterhaching im Landkreis München. Direkt an der A8 zwischen München und dem Brunnthaldreieck erhebt sich ein 55 Meter hoher Bohrturm. "Der wurde vorher zur Erdölsuche eingesetzt", sagt Projektleiter Eckhard Bintakies. Doch auf Öl hat er es mit seiner englischen Bohrarbeiter-Crew diesmal nicht abgesehen. Bintakies sucht nach Wasser, 123 Grad heißem Wasser, in einer Tiefe von 3350 Metern.
Unterhaching hat einen ehrgeizigen Plan. Mit Hilfe des heißen Wassers will es unabhängig von Gas und Erdöl werden. Das im Karstgestein wie in einem steinernen Schwamm lagernde Thermalwasser wird heraufgepumpt, um mit seiner Wärme Dampf zu erzeugen und damit eine Stromturbine anzutreiben. Außerdem will SPD-Bürgermeister Erwin Knapek die Hitze aus dem Erdinneren zum direkten Heizen von Häusern und Wohnungen nutzen - Geothermie lautet das Stichwort.
"Diese Form der Energienutzung wird immer attraktiver", sagt Knapek. Mit Schutzhelm ausgerüstet besichtigt er die Bohrungsstelle und lässt sich von Bintakies die Fortschritte erklären. Der Bohrfachmann ist zuversichtlich, doch eine Garantie fürs Gelingen will er nicht abgeben: "Vor der Hacke ist das Dunkel."
50 Millionen Euro für die Unabhängigkeit
Doch Knapek lässt sich nicht beirren. 50 Millionen Euro kostet die 20.000-Einwohner-Gemeinde der Traum von der Unabhängigkeit, was den Preis für ein mehrere Kilometer langes Rohrleitungssystem und ein Kraftwerk einschließt. "Spätestens nach 15 bis 16 Jahren sind wir damit im Plus", sagt der Bürgermeister.
Grundlage seiner Rechnung ist das Erneuerbare-Energien-Gesetz aus der Zeit der rot-grünen Bundesregierung. Es garantiert den Erzeugern regenerativer Energien einen festen Strompreis, der deutlich über dem Marktpreis liegt. 15 Cent pro Kilowattstunde erhält Unterhaching künftig für die Einspeisung des Stroms ins allgemeine Netz. "Bei der Stromerzeugung durch Thermalwasser sind wir die Pioniere in Deutschland", betont Knapek. Fünf Megawatt sollen dabei herauskommen - ein halbes Prozent der Leistung eines normalen Kernkraftwerks.
Noch ist es nicht soweit. Bei 760 Meter ist der Bohrkopf inzwischen angekommen. Nun werden die ersten Rohre eingesetzt, damit das Loch nicht in sich zusammenfällt. Auf dem Bohrturm schuften die Arbeiter in ihren blauen Overalls. Sie ziehen das Bohrgestänge nach oben und schrauben die jeweils 27 Meter langen Einzelteile auseinander. 25 Mann sind rund um die Uhr im Einsatz. Es ist laut, heiß und staubig. Noch rund 80 Tage soll es dauern, bis alles fertig ist.
"Diese Energie ist nahezu unerschöpflich"
"Was das Risiko für die Arbeiter betrifft, unterscheidet sich diese Bohrung nicht von der Suche nach Erdöl oder Erdgas", sagt Bintakies. "Nur die Evakuierung ist einfacher als auf hoher See." Rundherum sind grüne Äcker, und selbst zum Supermarkt können die Bohrfachleute zu Fuß laufen.
Es ist bereits das zweite Loch, das für das 2001 gestartete Unterhachinger Geothermie-Projekt in die Tiefe getrieben wird. Bei einer ersten Bohrung, rund vier Kilometer entfernt, wurde das riesige unterirdische Reservoir angezapft. Doch das Wasser darf nicht einfach nach oben gepumpt, genutzt und dann in den nächsten Bach geleitet werden. Es muss ein Kreislauf entstehen: durch das eine Loch heiß nach oben, durch das andere Loch abgekühlt wieder nach unten.
"Wir wollen den See ja nicht leerpumpen", sagt Knapek. So kann sich die Flüssigkeit im Laufe der Zeit durch die Hitze des Erdinneren erneut erwärmen, erklärt der Bürgermeister, der so gerne zum "Wasserscheich" würde: "Diese Energie ist nahezu unerschöpflich."
Ulrich Meyer, ddp