Schädel-Analysen Forscher entschlüsseln Hepatitis-B-Virus aus der Steinzeit

Schädel aus der Jungsteinzeit mit Hepatitis-B-Infizierung aus Karsdorf, Sachsen-Anhalt
Foto: DPA/ Nicole Nicklisch/ CAUSchädel aus der Jungsteinzeit mit Hepatitis-B-Infizierung aus Karsdorf, Sachsen-Anhalt
Foto: DPA/ Nicole Nicklisch/ CAUDas Hepatitis B-Virus ist sehr, sehr alt und hat die Menschheit bereits vor langer Zeit geplagt - das haben Forscher schon lange vermutet. Doch bisher war wenig über die Verbreitung und Entwicklung der Leberentzündung bekannt.
Ein Forscherteam um Ben Krause-Kyora von der Universität Kiel konnte nun nachweisen, dass Hepatitis B schon vor 7000 Jahren in Europa zirkulierte. Das Erbgut solcher Viren fand sich in Zahnproben von Steinzeitskeletten aus Karsdorf in Sachsen-Anhalt, wie die Universität Kiel berichtete. Die Funde stellten die ältesten bislang genetisch nachgewiesen viralen Krankheitserreger dar.
Die Ergebnisse der Studie, bei der unter anderem auch Forscher des Max-Planck-Instituts für Menschheitsgeschichte in Jena mitarbeiteten, wurden im Fachjournal "eLIFE" veröffentlicht.
Die Forscher untersuchten 53 Skelette aus der Jungsteinzeit und dem Mittelalter. Bei dreien fanden sie Hepatitis-B-Stämme und konnten die Genome rekonstruieren. Das sei bisher nie gelungen, berichtet die Universität Kiel.
Doch wie bereits ähnliche Funde zeigten, hat sich das Virus verändert: Die Genome der mittelalterlichen und der Viren aus der Steinzeit unterscheiden sich. Die steinzeitlichen Erreger seien heute vermutlich ausgestorben, hieß es. Verwandte der extrahierten Viren kämen bei Schimpansen und Gorillas vor. Eine Verwandtschaft zu heutigen menschlichen Stämmen bestünde nicht. Das Virus-Genom aus dem Mittelalter ist dem heutigen dagegen sehr viel ähnlicher. Offenbar hat sich das Virus in den letzten 500 Jahren nur sehr wenig verändert.
Nachweise von Hepatitis-Erkrankungen aus historischer und frühgeschichtlicher Zeit sind selten. Sie gelangen etwa bei einer über 300 Jahre alten Mumie aus Korea. Ein weiterer spektakulärer Fund war eine Kindermumie aus dem 16. Jahrhundert, die in einer Gruft in Neapel entdeckt wurde. Der kleine Junge habe an Pocken gelitten, glaubten Forscher lange. Doch dann stellte sich heraus, dass die Spuren auf seiner Haut vom sogenannten Gianotti-Crosti-Syndrom stammen - einer Folge von Hepatitis B.
Hepatitis B ist weltweit eine der häufigsten Viruserkrankungen und wird durch Blut oder andere Körperflüssigkeiten übertragen. Rund 257 Millionen Menschen sind nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) mit chronischer Hepatitis B infiziert. Das Virus schädigt die Leber und kann schwere Folgekrankheiten wie Leberzirrhose oder Leberkrebs auslösen.
2015 starben 1,3 Millionen Menschen an den Folgen von Hepatitis B und C. Gefährlich ist vor allem, dass viele Menschen von ihrer Erkrankung nichts wissen und jahrelang mit einer unerkannten Krankheit leben. Am besten ist ein vorbeugender Schutz: Gegen Hepatitis B gibt es eine wirksame Impfung.
Schon oft ist es Forschern gelungen, über DNA-Tests oder Computertomografien Diagnosen bei Mumien zu stellen. So gelangen neben Pocken und Hepatitis B auch die Nachweise von Prostatakrebs, Tuberkulose oder Arteriosklerose.
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In einer Kirche in Neapel fanden Forscher eine mumifizierte Kinderleiche aus der Mitte des 16. Jahrhundert. Die gut erhaltene Haut zeigt Spuren eines Pustel-artigen Ausschlags.
Der erste Verdacht: Der etwa zweijährige Junge starb an den Pocken. Doch nun zeigt eine DNA-Analyse, dass das Kind unter Hepatitis B litt.
Dass Forscher Spuren von Krankheiten und Viren bei mumifizierten Leichen und archäologischen Funden aufspüren, ist schon häufiger gelungen. Auch bei der Mumie von Ramses V., der von etwa 1150 bis 1145 vor Christus regierte, wurden Spuren von Pocken entdeckt. Er gilt damit als einer der frühesten bekannten Fälle.
Auch der wegen seines Grabschatzes berühmte Pharaos Tutanchamun wurde hinreichend untersucht: In seinem Körper wurden verschiedene Krankheitserreger entdeckt, darunter auch der Malaria-Parasit Plasmodium falciparum.
Auch bei dieser Mumie, die aus einer Dominikaner-Kirche in Ungarn stammt, entdeckten Forscher Erreger. Hier konnten gleich mehrere Tuberkulose-Stämme nachwiesen werden.
Um Mumien zu untersuchen, nutzen Forscher etwa auch Computertomografen. Auf diese Weise konnten 2011 einige Fälle von Arteriosklerose nachweisen - die Ablagerungen in Gefäßen sind der Hauptverursacher von Infarkten und Schlaganfällen. Der älteste Fall fand sich bei einer Prinzessin, die um 1550 vor Christus lebte.
Auch bei einer 2200 Jahre alten Mumie konnten Forscher 2012 eine Diagnose stellen: Der Mann, der mit etwa 40 Jahren gestorben war, litt unter Prostatakrebs. Beim CT-Scan fanden die Forscher winzige runde Verletzungen an der Wirbelsäule und im Beckenbereich, die auf Metastasen hindeuten.
Auch in Südamerika wurden schon DNA-Analysen gemacht. Hier gelang Forschern 2004 in einigen Toten der Nachweis der sogenannten Chagas-Krankheit, einer durch Wanzen übertragenen Infektion. Sie hatten über hundert Mumien aus Chile und Peru untersucht, der älteste Fund war über 9000 Jahre alt. Bei der akuten Chagas-Krankheit leiden die Patienten unter Fieberschüben und Entzündungen. Bei der chronischen Form, die meist erst 20 bis 30 Jahre nach der Infektion auftritt, verursacht der langfristige Parasitenbefall eine Zerstörung des Nervengewebes und eine Ausdehnung des Herzmuskels.
Schädel einer Mumie aus dem alten Ägypten: Sie stammt aus der Zeit zwischen 199 vor und 64 nach Christus, nun ist sie im niederländischen Assen zu besichtigen.
Aus Gräbern und Grüften: Restaurator Matthias Feuersenger und Archäologe Vincent van Vilsteren (r.) tragen eine ägyptische Mumie in ihre Vitrine.
Baby-Mumie: Im Inneren dieses mumifizierten Stoffpakets befinden sich die Überreste eines Kleinkinds, das vor rund 1500 Jahren starb - vermutlich an einer Fehlbildung des Wirbelkanals.
Durchleuchtet: Die Verletzung der Baby-Mumie offenbarte sich erst im Krankenhaus - mit Hilfe einer 3-D-Aufnahme aus dem Computertomografen.
Globaler Kult: Mumifiziert wurde überall aus ähnlichen Gründen. "Menschen auf der ganzen Welt glaubten an ein Leben nach dem Tod und wollten ihren Körper dafür erhalten", sagt der Archäologe Vincent van Vilsteren.
Hockend bestattet: Die Nazca im heutigen Peru begruben ihre Toten häufig von Textilien umhüllt, die Verstorbenen mumifizierten durch extreme Hitze und Trockenheit.
Auf natürliche Weise mumifiziert: Katalina Orlovits stirbt 1798 im alter von nur zweieinhalb Jahren. Beigesetzt wird sie in der Krypta der örtlichen Kirche, wo ihr Leichnam nicht verweste.
Mehr als 40 Exponate sind in der Ausstellung zu sehen - aus Asien und Südamerika, Ägypten und Europa.
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