Hirnforschung Botenstoff trennt Tollpatsche und Tänzer

Tango-Tänzer: Komplexe Bewegungsabläufe - und viel Emotion
Foto: Natacha Pisarenko/ APWer sich Tanzschritte oder andere Bewegungsabfolgen nur schlecht merken kann, darf einem speziellen Hirnbotenstoff die Schuld daran geben: Die Substanz namens Gaba spielt eine Schlüsselrolle beim Lernen von Bewegungen, wie britische Wissenschaftlerinnen bei einer Studie mit zwölf Freiwilligen gezeigt haben. Die Probanden, deren Gaba-Level als Reaktion auf einen äußeren Reiz schnell sank, lernten zügiger.
Auch die Ausgangskonzentration des Signalstoffs scheint wichtig zu sein: Probanden mit einem grundsätzlich hohen Gaba-Level taten sich eher schwer beim Lernen. Somit sei die Empfindlichkeit des Gaba-Systems, mit dem das Gehirn auf äußere Reize reagiere, entscheidend für das Lernen und für die Erinnerung von Bewegungsabläufen, folgern Charlotte Stagg und ihre Kolleginnen von der University of Oxford im Fachmagazin "Current Biology" .
Der Botenstoff Gaba hemmt die Weiterleitung von Signalen im Gehirn und spielt bei dessen Anpassungsfähigkeit, der sogenannten Plastizität, eine wichtige Rolle. Da auch der Vorgang des Lernens auf einer Veränderung des Gehirns beruht - schließlich knüpft es dabei neue Verbindungen zwischen Nervenzellen und verstärkt vorhandene - vermuteten die britischen Forscherinnen, dass Gaba auch für individuelle Unterschiede beim Lernerfolg verantwortlich zeichnet. Wie schnell jemand lernt, könnte von der Empfindlichkeit seines Gaba-Systems abhängen, so ihre These.
Hirnprozesse von zwölf Probanden untersucht
Um das zu prüfen, untersuchten sie zwölf Probanden: sechs Männer und sechs Frauen. Mit Hilfe der sogenannten Magnetresonanzspektroskopie maßen sie die Gaba-Konzentration im Gehirn der Testteilnehmer. Sie konzentrierten sich dabei auf den motorischen Kortex, also das Bewegungszentrum des Gehirns, das für das Lernen von Bewegungsabläufen wichtig ist. Nach dieser ersten Messung wurden bei den Versuchsteilnehmern Elektroden auf der Kopfhaut platziert, die einen schwachen Strom erzeugten. Die sogenannte transkranielle Gleichstrombehandlung regt das Gehirn an, die Konzentration an Gaba zu senken, wie bereits frühere Studien gezeigt hatten.
Anschließend maßen die Forscherinnen erneut die Gaba-Menge im Gehirn der Probanden. Aus der Differenz der beiden Konzentrationen konnten die Wissenschaftlerinnen Rückschlüsse auf die Empfindlichkeit der jeweiligen Gaba-Systeme im Gehirn der Probanden ziehen.
An einem anderen Tag mussten die Studienteilnehmer dann eine bestimmte Bewegungsabfolge der Finger lernen. Dabei lagen sie erneut in einem Messgerät: einem funktionellen Magnetresonanztomografen, der die Veränderung der Durchblutung im Gehirn und damit dessen Aktivität sichtbar macht.
Langsamer lernen
Es zeigte sich, dass Probanden, deren Gaba-System schneller und stärker auf die Reizung ansprach, auch schneller die Bewegungsabfolge lernten. Ihre Gehirne zeigten zudem beim Lernen eine größere Aktivität im Bereich des motorischen Kortex. Des Weiteren fanden die Forscherinnen heraus, dass Probanden, die eine insgesamt höhere Gaba-Konzentration im Gehirn aufwiesen, langsamer lernten, und dass ihr Gehirn beim Lernen auch weniger aktiv war.
Demnach sei die Empfindlichkeit des Gaba-Systems auf äußere Reize der Schlüssel für erfolgreiches Lernen, folgern die Forscherinnen. Sie vermuten, dass Gaba die Verknüpfung von Nervenzellen beeinflusst, die eine entscheidende Rolle beim Lernen spielen.
Dieses Wissen könnte auch Schlaganfallpatienten helfen, bei denen das Gaba-System aus dem Gleichgewicht geraten ist. Die transkranielle Gleichstrombehandlung könnte das System wieder stabilisieren, vermuten die Forscherinnen.