Hirnforschung Sitzen macht dumm

Ein bisschen Bewegung am Abend reicht nicht unbedingt aus, um das Hirn vor Altersschwäche zu schützen. Untersuchungen von 88 älteren Menschen zeigen: Langes Sitzen schadet der Hirnleistung
Bewegung hält Kopf frisch: "Zu langes Sitzen hat schädlichen Effekt"

Bewegung hält Kopf frisch: "Zu langes Sitzen hat schädlichen Effekt"

Foto: Corbis

Sport fördert die geistige Leistungsfähigkeit - Studien zeigen, dass körperliche Aktivität vor Alterschwäche schützen kann. Wer lang anhaltende Effekte erzeugen will, darf allerings nicht nachlassen. Regelmäßiges stundenlanges Sitzen könne den Vorteil, den ein Mensch durch Sport erlangt, wieder zunichte machen. Das berichten US-Forscher im Wissenschaftsjournal "Plos One". 

Das Team der University of Illinois in Urbana-Champaign hatte 88 Menschen im Alter von 60 bis 78 Jahren mit Bewegungssensoren ausgestattet, die diese die meiste Zeit am Tag trugen. Die Probanden waren alle gesund, aber nicht besonders sportlich. Zugleich untersuchten die Forscher Bereiche der weißen Hirnsubstanz. Dieser Teil des zentralen Nervensystems besteht hauptsächlich aus Nervenfasern.

"Unseres Wissens ist das die erste Studie dieser Art, die die physische Aktivität objektiv misst und zugleich die Gehirnstruktur auf verschiedene Weise untersucht", sagt Erstautorin Agnieszka Burzynska. In ähnlichen Untersuchungen würden Teilnehmer oft über ihr Verhalten befragt, was weit weniger zuverlässig sei.

Physiologischer Effekt von zu langem Sitzen

Die Forscher untersuchten die Gehirne der Probanden mit zwei verschiedenen Methoden: Zum einen erfassten sie die altersbedingten Läsionen in der weißen Hirnsubstanz. Diese treten bei fast jedem Menschen im Alter auf, jedoch in unterschiedlicher Menge. Zum anderen beobachteten sie, wie sich Wasser im Hirn verteilt, was auf den allgemeinen Zustand der weißen Substanz schließen lässt. Dazu nutzen sie die sogenannte diffusionsgewichtete Magnetresonanztomografie.

Ergebnis: Generell hatten die Gehirne von Menschen, die regelmäßig moderat bis sehr schweißtreibend trainierten, weniger Läsionen der weißen Substanz. Jene, die sich recht häufig leicht bewegten, wiesen einen überdurchschnittlich guten Zustand der weißen Hirnsubstanz in den Schläfenlappen auf. Diese spielt eine Schlüsselrolle beim Verarbeiten von Informationen, beim Erinnerungsvermögen und beim Sprechen.

Bei denjenigen, die häufig lange saßen, war die weiße Substanz in Regionen um den Hippocampus dagegen überdurchschnittlich stark degeneriert. Die untersuchte Region um den Hippocampus sei für das Lernen und ebenfalls das Erinnern verantwortlich, schreiben die Wissenschaftler. Bei der Auswertung berücksichtigten sie Alter, Geschlecht und die allgemeine Fitness der Probanden.

Wer sitzt, verliert

"Dies legt nahe, dass der physiologische Effekt von zu langem Sitzen - selbst wenn man am Ende des Tages noch eine halbe Stunde trainiert - einen schädlichen Effekt auf das Gehirn hat", schließt Burzynska. Sowohl Bewegung als auch das Vermeiden eines zu bequemen Lebensstils seien im Alter wichtig für das Gehirn.

Allerdings können sie nicht ganz ausschließen, dass umgekehrt auch eine schlechtere Gehirnsubstanz Menschen generell zu längerem Herumsitzen verleiten könnte - etwa wegen Problemen mit dem Gleichgewicht. Das soll nun eine weitere Studie klären.

nik/dpa
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