Hirnforschung Fingerabdruck des Denkens entdeckt

Die funktionalen Verbindungen im Gehirn liefern ein zuverlässiges Muster, um einen Menschen zu identifizieren
Foto: Emily FinnMenschen lassen sich anhand des Musters ihrer Hirnaktivität zuverlässig identifizieren - dieses bildet eine Art individuellen Fingerabdruck, schreiben Forscher der Yale University in der Fachzeitschrift "Nature Neuroscience" . Das Muster ist auch dann noch erkennbar, wenn das Gehirn ganz verschiedene Aufgaben zu bewältigen hat.
Die Forscher konnten sogar Rückschlüsse auf die Fähigkeit einer Person ziehen, logisch zu denken und Probleme zu lösen. Sie hoffen daher, dass eine bessere Kenntnis dieser individuellen Prozesse es ermöglicht, Therapien für psychisch Erkrankte auf die Betroffenen zuzuschneiden.
"Jedes Individuum ist einzigartig", schreiben die Autoren der Studie. Dennoch würden bei Hirnstudien die Daten vieler Teilnehmer zusammengepackt, um Gemeinsamkeiten in den Hirnaktivitäten zu entdecken. Die individuellen Unterschiede würden dabei ignoriert.
In der Studie wollten die Forscher ermitteln, ob neuronale Aktivitätsmuster ausreichen, um einzelne Menschen aus einer Gruppe zu identifizieren. Dazu nutzten sie Daten des Human Connectome Projects (HCP) , für das die Hirnaktivität von Menschen mithilfe funktioneller Magnetresonanztomografie (fMRT) aufgezeichnet wurde.
Das Muster findet sich immer im Gehirn - egal, was dieses macht
Die Forscher untersuchten die Hirnmuster von 126 Teilnehmern, die an zwei aufeinanderfolgenden Tagen insgesamt sechs Mal gescannt wurden. Zweimal waren die Menschen dabei in Ruhe, die anderen Male mussten sie je eine Aufgabe erfüllen, die ihr Gedächtnis, ihre Motorik, Sprache oder Emotionen forderte. Untersucht wurde die Aktivität an 268 Knotenpunkten und rund 36.000 Verbindungen, die über das Gehirn verteilt waren.

Die Hirnaktivität eines Menschen bildet eine Art Fingerabdruck
Foto: Mark SabaKannten die Forscher einen der beiden Ruhezustand-Scans, konnten sie anhand des anderen die Teilnehmer mit einer Trefferquote von 93 bis 94 Prozent ermitteln. Auch die Aufnahmen, während das Gehirn verschiedene Aufgaben bewerkstelligen sollte, unterschieden sich zwischen den Teilnehmern. Anhand einer Aufnahme eines Teilnehmers konnten die Forscher die anderen Aufnahmen derselben Person in 80 bis 90 Prozent der Fälle korrekt zuordnen. Die Forscher schlossen daraus, dass das individuelle Muster intrinsisch ist und selbst dann noch zu identifizieren, wenn das Gehirn ganz verschiedene Aufgaben bewerkstelligen muss.
Pascal Fries, Leiter des Ernst Strüngmann Instituts (ESI) für Neurowissenschaften in Frankfurt , spricht von einer sehr überzeugenden Arbeit: "Die Zuverlässigkeit, mit der Personen identifiziert werden konnten, beeindruckt mich", sagt der Hirnforscher, der an der Studie nicht beteiligt war.
Die Wissenschaftler schlossen in der Studie aus, dass der ermittelte Fingerabdruck auf Kopfbewegungen im Scanner oder eine unterschiedliche Hirnanatomie zurückging. Allerdings müsse man nun zeigen, dass die Aktivitätsmuster eines Menschen sich nicht nur an zwei aufeinanderfolgenden Tagen ähneln, sondern auch über Wochen, Monate oder sogar viele Jahre.
Hoffnung auf individuellere Therapien
Besonders verräterisch waren die Netzwerke, wenn Stirnlappen (Frontallappen) und Scheitellappen (Parietallappen) beteiligt waren. Die Neurobiologen erklären dies damit, dass diese Areale der Großhirnrinde in der Evolution des Menschen besonders spät entstanden sind. Hirnforscher Fries findet das plausibel: Da diese Hirnregionen sich noch im Erwachsenenalter stark verändern, reflektierten ihre Aktivitätsmuster wahrscheinlich auch stärker individuelle Persönlichkeitsmerkmale.
Tatsächlich konnten die Forscher anhand der Aufnahmen Rückschlüsse auf die sogenannte fluide Intelligenz machen. Diese umfasst die Fähigkeit, logisch zu denken und neue Probleme zu lösen. Die Forscher hoffen daher, dass man mithilfe weiterer Forschung anhand des individuellen Aktivitätsmuster auf Verhaltensweisen einer Person schließen kann.
Tatsächlich sei die Nutzung solcher Ansätze ein wichtiger Punkt, sagt Fries. "Diese Verfahren bieten ein Potenzial, das noch nicht ausgeschöpft wird." So könnten etwa quantitative neuronale Marker die Diagnostik und Therapie psychiatrischer und neurologischer Erkrankungen wie etwa Schizophrenie oder Epilepsie verbessern.