Ausgegraben - Neues aus der Archäologie Doppelleben einer Osterinsel-Statue
Im Jahr 1868 brachten britische Seeleute an Bord des Seglers Topaze einen Moai von den Osterinseln mit nach England. Die große Steinstatue namens Hoa Hakananai'a - Rapa Nui für "gestohlener Freund" oder "versteckter Freund" - wird zwar täglich von vielen Menschen im British Museum bestaunt, aber wissenschaftlich genau hat sie in den knapp 150 Jahren ihrer Anwesenheit im Museum noch niemand angeschaut. Bis jetzt. Nun hat der Herausgeber der Zeitschrift "British Archaeology" Mike Pitts gemeinsam mit drei Forschern der Archaeological Computing Research Group der University of Southampton zum ersten Mal eine digitale Analyse der Statue gemacht - mit erstaunlichen Entdeckungen.

"Gestohlener Freund": Moai im British Museum
Foto: CorbisAuf der Rückseite des Moai fanden sie kleine Zeichnungen von weiblichen Genitalien eingraviert. Später wurde darüber eine andere Zeichnung eingeritzt: ein Küken, das das Nest verlässt, während die halb-Vogel-halb-menschlichen Eltern ihm dabei zusehen. Die Zeichnung illustriert die Vogelmensch-Zeremonie, von der Berichte aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert erzählen.
Alte Fotos von Hoa Hakananai'a lassen erkennen, dass die Zeichnungen während des Transports nach England noch mit weißer und roter Farbe hervorgehoben waren. Die Untersuchung der Wissenschaftler zeigte auch, dass Hoa Hakananai'a ursprünglich wohl eingelegte Augen in seinen Augenhöhlen hatte und eine Schwellung unter der Gürtellinie besaß, die ihn als Mann charakterisierte. Irgendwann im Laufe seines "Lebens" muss der Steinmann also eine Umwandlung erfahren haben, von aufrecht stehender Statue zur Leinwand für die Erzählung eines jüngeren Mythos.
Muschelschalen erzählen Moche-Geschichte

Moche-Artefakte: Dramatische Klimaveränderungen binnen weniger Generationen
Foto: Juan Carlos MartinsWas haben Muscheln und Bäume gemeinsam? Man kann an ihnen die Klimaveränderungen vergangener Zeiten ablesen. Üblicherweise benutzen Archäologen Baumringe, um festzustellen, ob in einer Region die Sommer lang, heiß und trocken oder verregnet waren. Eine Forschergruppe um den Geologen Fred Andrus von der University of Alabama in Tuscaloosa hat nun ähnliches an der nördlichen Küste Perus getan, wie sie im Fachblatt "Geology" berichtet.
Um das Klima zur Zeit der Moche-Kultur (etwa 100 bis 800 nach Christus) zu studieren, vermaßen die Forscher allerdings keine Baumringe, sondern untersuchten die Schalen der Muscheln, die Archäologen in den Gräbern der Moche gefunden hatten. Muscheln nehmen Kohlenstoff aus ihrer Umgebung auf. Ist das Meereswasser kalt und von Stürmen aufgewühlt, enthält es mehr Kohlenstoff als ein warmer, friedlicher Ozean. Muschelschalen wachsen in Bändern - und anhand des Kohlenstoffgehaltes dieser Bänder lässt sich sagen, ob sie während einer kalten, stürmischen Zeit entstanden oder während einer Schönwetterperiode.
Mit Hilfe einer C14-Datierung können die Forscher dann auch ziemlich genau bestimmen, wann diese Muscheln lebten. Die Schalen aus den Gräbern der Moche bestätigen die Vermutung, dass zu ihren Lebzeiten das Klimaphänomen El Niño besonders aktiv war. Zwischen dem sechsten und siebten Jahrhundert waren die Abstände zwischen dem Auftreten der warmen Strömung El Niños kürzer als sonst und die Ausprägung des Phänomens ungewöhnlich stark. Mit der Temperatur des Pazifiks änderte sich der Kohlenstoffgehalt der Muschelschalen - und das Klima der gesamten Region.
Die Forscher vermuten, dass die Klimaveränderungen sogar so gewaltig waren, dass sie innerhalb weniger Generationen zum Kollaps der Moche-Kultur führten. Nach schlechten Ernten hungerten die Menschen, Unruhe kam auf, schließlich brachen Bürgerkriege aus. Am Ende verschwand die Kultur der Moche, an ihre Stelle traten die Chimu.
"Bombe" war Bürgerkriegs-Kanonenkugel
Große Aufregung in Franklin im US-Bundesstaat Tennessee: Bei den Planierungsarbeiten für eine Straße am Eastern Flank Battle Park entdeckten die Bauarbeiter eine Bombe. Polizei, Feuerwehr und der Kampfmittelräumdienst eilten herbei, um das gefährliche Objekt zu sichern. Und konnten schnell Entwarnung geben: Es handelte sich um eine einfache knapp sechs Kilo schwere Kanonenkugel.
Wahrscheinlich lag sie an Ort und Stelle, seit ein Kanonier sie im Bürgerkrieg am 30. November 1864 während der Schlacht von Franklin dorthin geschossen hatte. Die Schlacht endete mit knapp 6000 Toten oder Verwundeten in einer Katastrophe für die Konföderierten. Ganz in der Nähe der Fundstelle liegt die Carnton Plantation, die nach der Schlacht in ein Lazarett umgewandelt wurde.
Nach dem Kanonenkugelfund zieht die Stadt in Betracht, jetzt doch einen Archäologen die Bauarbeiten für die neu geplante Straße überwachen zu lassen. Einer ersten Einschätzung zu Folge würde sich der Einsatz lohnen: Wahrscheinlich liegen entlang der geplanten Trasse noch weitere Überreste aus dem amerikanischen Bürgerkrieg sowie prähistorische Artefakte. Dann müsste auch die Polizei nicht mehr für archäologische Funde anrücken. "Obwohl es ziemlich aufregend ist, bei Bauarbeiten für die Zukunft Stücke aus der Vergangenheit zu finden", kommentierte Polizist Charles Warner.
Konservendosen waren nicht verantwortlich für Franklins Tod

Tragische Arktis-Expedition: Alle Teilnehmer starben während der Forschungsreise
Foto: AP/ National Archives of Canada/ Canadian PressWaren tatsächlich die Konservendosen Schuld am Tod der Franklin-Expedition in die Arktis? Vernebelte das Blei der Dosen den Männern um Polarforscher Sir John Franklin so derartig die Sinne, dass sie den Verstand und die Orientierung verloren? Nein, die Dosen waren es nicht, fand eine Gruppe von Chemikern um Ron Martin von der University of Western Ontario (Kanada) nach einer erneuten Untersuchung der Knochen von den Toten.
Die Expedition scheiterte im Jahr 1845. Einige Überreste der 129-köpfigen Besatzung wurden später auf Beechey Island gefunden, doch die beiden Schiffe Erebus und Terror sind bis heute verschollen. In der Zeitschrift "Applied Physics A" berichtet Martin, dass die Knochen in der Tat große Mengen an Blei enthielten. Die Belastung war jedoch so hoch und das Blei so gleichmäßig verteilt, dass dieser Zustand nicht kurzfristig durch den Konsum von Lebensmitteln aus bleiverseuchten Konserven erreicht worden sein konnte.
Auch die Bleirohre im Wassersystem des Schiffes, die in der Vergangenheit in Verdacht geraten waren, können so viel Blei nicht abgegeben haben. Vielmehr spricht die Verteilung dafür, dass die Männer ihr ganzes Leben lang einer hohen Bleibelastung ausgesetzt waren - wie alle ihre Zeitgenossen. Einen Hinweis auf eine höhere Dosierung in den letzten Lebensmonaten konnte der Forscher dagegen nicht finden. Was auch immer für die hohe Bleikonzentration in den Knochen verantwortlich war, schreiben die Chemiker, begann lange bevor die Männer gen Arktis segelten. "Wir werden wahrscheinlich nie wissen, was mit Franklins Crew geschah. Es wird eines der großen Geheimnisse der kanadischen Geschichte bleiben."
Burg unter Parkplatz

Zufallsfund: Eine Burg unterm Bahnhofs-Parkplatz
Archäologen, reißt die Parkplätze auf! Schon wieder wurde unter einem britischen Parkplatz ein bedeutender Fund gemacht, diesmal ein Gebäude der Burg von Northampton aus dem 12. Jahrhundert. Der Parkplatz gehört zum Bahnhof der Stadt. Er liegt dort, wo im Mittelalter die Burg stand. Archäologe Tim Upson-Smith freut sich: "Wie haben mit Sicherheit nicht erwartet, ein so gut erhaltenes Steingebäude so dicht unter der Oberfläche zu finden!"
Das Gebäude gehörte einst zu den äußeren Bereichen der Burg. Die Archäologen entdeckten zudem jede Menge Kleinfunde: Keramikscherben und Tierknochen, darunter auch den Kiefer eines Hundes. Es könnte ein Jagdhund gewesen sein, spekuliert Upson-Smith, oder einfach ein Haustier.
Auch schon vor dem Bau der Burg war der Ort bewohnt - davon erzählen eine sächsische Brosche und ein Zaumzeug. Und zu den jüngsten Funden zählen Kacheln aus dem ersten viktorianischen Bahnhofsgebäude. Die Funde sollen im neuen Bahnhofsgebäude ausgestellt werden, das im nächsten Sommer fertig gestellt wird.
Northampton Castle war eine der berühmtesten normannischen Burgen Englands. In ihr tagte einst das Parlament. Im Jahr 1662 wurde sie auf Befehl Charles II. teilweise zerstört, weil die Stadt sich während des Bürgerkrieges auf die falsche Seite geschlagen hatte. Danach dienten die Reste der Burg als Gefängnis. 1859 fielen auch die letzten Ruinen, um Platz für den Bahnhof zu machen.
Das Schicksal der Kindsbraut Anne Mowbray

Gemälde: Anne Mowbray wurde im Kindesalter mit dem Duke of York verheiratet
Foto: Hulton Archive/ Getty ImagesRichard III. hat neue Maßstäbe gesetzt, wie in unserer heutigen Zeit mit den Knochen von Königen umgegangen wird, wenn sie auf den Schaufeln der Archäologen auftauchen. Sofort setzt sich eine riesige Maschinerie in Gang, die alles daransetzt, so viele Informationen wie möglich aus den sterblichen Überresten zu quetschen - um damit das Leben des Monarchen besser verstehen zu können.
Selbstverständlich spenden mögliche Verwandte Speichel- oder Haarproben, um mit dem neuesten Stand der Genetik die Identität des Toten abzusichern. Dass dies noch vor gar nicht langer Zeit unvorstellbar war, legt ein Bericht des Archäologen Bruce Watson über die Knochen von Anne Mowbray, der Duchess of York, in der der Zeitschrift "British Archaeology" dar.
Die Kindsbraut des englischen Prinzen Richard of Shrewsbury, Duke of York, war am 19. November 1481 wahrscheinlich überraschend im Alter von neun Jahren gestorben. Ihren Bleisarg fanden Bauarbeiter am 11. Dezember 1964 am Rande eines Bombenkraters aus dem Zweiten Weltkrieg. Doch sogleich nach der Pressekonferenz des London Museums schwappte eine Woge der Empörung über die Archäologen herein. Sie hätten die Knochen despektierlich behandelt, urteilte die Presse. Vermeintliche Angehörige Annes forderten den sofortigen Stopp aller Untersuchungen und die unverzügliche Wiederbestattung der Knochen.
Die Wissenschaftler beugten sich dem öffentlichen Druck. Anne wurde hastig wieder in die Erde gelegt - und die Ergebnisse der damals angefangenen Untersuchungen sind bis heute nicht entsprechend veröffentlicht. Ermutigt von den Erfahrungen mit Richard III. plant Watson nun, dies auch für die Prinzessin nachzuholen.